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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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anderes als selber eine geheimnisvolle Kröte, die im Weibes¬
innern lebt, die Gebärmutter. Wie das Kind als ein Fremdes
doch eine Weile im Mutterleibe wohnt; wie der Bandwurm
als selbständiges, unerwünschtes Wesen in unserem Darm liegt;
so ist auch die Gebärmutter in der Völkerphantasie eine Art
separat lebenden parasitischen Tieres im Weibe. Uralt ist
dieser Glaube. Die Gebärmutter will gefüttert sein, sonst
wird sie unruhig und beißt. Der weise Salomo hat für dich
schon den Spruch: "Drei Dinge sind nicht zu sättigen und
das vierte spricht nicht: es ist genug. Die Hölle, der Frauen
verschlossene Mutter, die Erde werden nicht Wasser satt, und
das Feuer spricht nicht: es ist genug." Plato lehrt dich, daß
der Uterus ein Tier ist, das Befruchtung als Speise verlangt;
muß es hungern, so fängt es an zu wandern und den Körper
zu quälen, in dem es wohnt. Aretäus, der weise kappa¬
dozische Arzt, sagt dir: "In der Mitte zwischen beiden Flanken
liegt beim Weibe der Uterus, ein weibliches Eingeweide, das
vollständig einem Tiere gleicht, denn es bewegt sich in den
Flanken hin und her. Die Gebärmutter ergötzt sich an an¬
genehmen Gerüchen und nähert sich denselben, während sie vor
üblen zurückweicht. Sie gleicht daher einem Tiere und ist
auch ein solches." Und das geht nun bis heute. Der Malaye
dort weiß es dir noch immer nicht anders zu sagen: der
Uterus lebt für sich, er wohnt bloß in der Frau, und er muß
Sperma essen, um gesund zu bleiben. Er sagt es malayisch.
Die Bäuerin in unserem Ennsthal spricht gut deutsch: "Wenn
d' Muata aus 'n Häusl is, hilft nix besser als d' Muata
fuatern." Sie kennt aber nicht bloß das natürliche, sondern
noch ein besonderes phantastisches Futter. Aus Roseminze,
Hirschhorngeist, Honig, Muskatnuß und Katzenschmalz formt
sie eine Pille, die kommt in eine Nußschale. Dann werden
auf ein Wachskränzchen drei Wachskerzlein aufrecht geklebt.
Inmitten dieser Kerzen wird die Nußschale auf den Nabel der
Kranken gelegt und nun werden die Lichter angezündet. Vor

anderes als ſelber eine geheimnisvolle Kröte, die im Weibes¬
innern lebt, die Gebärmutter. Wie das Kind als ein Fremdes
doch eine Weile im Mutterleibe wohnt; wie der Bandwurm
als ſelbſtändiges, unerwünſchtes Weſen in unſerem Darm liegt;
ſo iſt auch die Gebärmutter in der Völkerphantaſie eine Art
ſeparat lebenden paraſitiſchen Tieres im Weibe. Uralt iſt
dieſer Glaube. Die Gebärmutter will gefüttert ſein, ſonſt
wird ſie unruhig und beißt. Der weiſe Salomo hat für dich
ſchon den Spruch: „Drei Dinge ſind nicht zu ſättigen und
das vierte ſpricht nicht: es iſt genug. Die Hölle, der Frauen
verſchloſſene Mutter, die Erde werden nicht Waſſer ſatt, und
das Feuer ſpricht nicht: es iſt genug.“ Plato lehrt dich, daß
der Uterus ein Tier iſt, das Befruchtung als Speiſe verlangt;
muß es hungern, ſo fängt es an zu wandern und den Körper
zu quälen, in dem es wohnt. Aretäus, der weiſe kappa¬
doziſche Arzt, ſagt dir: „In der Mitte zwiſchen beiden Flanken
liegt beim Weibe der Uterus, ein weibliches Eingeweide, das
vollſtändig einem Tiere gleicht, denn es bewegt ſich in den
Flanken hin und her. Die Gebärmutter ergötzt ſich an an¬
genehmen Gerüchen und nähert ſich denſelben, während ſie vor
üblen zurückweicht. Sie gleicht daher einem Tiere und iſt
auch ein ſolches.“ Und das geht nun bis heute. Der Malaye
dort weiß es dir noch immer nicht anders zu ſagen: der
Uterus lebt für ſich, er wohnt bloß in der Frau, und er muß
Sperma eſſen, um geſund zu bleiben. Er ſagt es malayiſch.
Die Bäuerin in unſerem Ennsthal ſpricht gut deutſch: „Wenn
d' Muata aus 'n Häusl is, hilft nix beſſer als d' Muata
fuatern.“ Sie kennt aber nicht bloß das natürliche, ſondern
noch ein beſonderes phantaſtiſches Futter. Aus Roſeminze,
Hirſchhorngeiſt, Honig, Muskatnuß und Katzenſchmalz formt
ſie eine Pille, die kommt in eine Nußſchale. Dann werden
auf ein Wachskränzchen drei Wachskerzlein aufrecht geklebt.
Inmitten dieſer Kerzen wird die Nußſchale auf den Nabel der
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[326/0340] anderes als ſelber eine geheimnisvolle Kröte, die im Weibes¬ innern lebt, die Gebärmutter. Wie das Kind als ein Fremdes doch eine Weile im Mutterleibe wohnt; wie der Bandwurm als ſelbſtändiges, unerwünſchtes Weſen in unſerem Darm liegt; ſo iſt auch die Gebärmutter in der Völkerphantaſie eine Art ſeparat lebenden paraſitiſchen Tieres im Weibe. Uralt iſt dieſer Glaube. Die Gebärmutter will gefüttert ſein, ſonſt wird ſie unruhig und beißt. Der weiſe Salomo hat für dich ſchon den Spruch: „Drei Dinge ſind nicht zu ſättigen und das vierte ſpricht nicht: es iſt genug. Die Hölle, der Frauen verſchloſſene Mutter, die Erde werden nicht Waſſer ſatt, und das Feuer ſpricht nicht: es iſt genug.“ Plato lehrt dich, daß der Uterus ein Tier iſt, das Befruchtung als Speiſe verlangt; muß es hungern, ſo fängt es an zu wandern und den Körper zu quälen, in dem es wohnt. Aretäus, der weiſe kappa¬ doziſche Arzt, ſagt dir: „In der Mitte zwiſchen beiden Flanken liegt beim Weibe der Uterus, ein weibliches Eingeweide, das vollſtändig einem Tiere gleicht, denn es bewegt ſich in den Flanken hin und her. Die Gebärmutter ergötzt ſich an an¬ genehmen Gerüchen und nähert ſich denſelben, während ſie vor üblen zurückweicht. Sie gleicht daher einem Tiere und iſt auch ein ſolches.“ Und das geht nun bis heute. Der Malaye dort weiß es dir noch immer nicht anders zu ſagen: der Uterus lebt für ſich, er wohnt bloß in der Frau, und er muß Sperma eſſen, um geſund zu bleiben. Er ſagt es malayiſch. Die Bäuerin in unſerem Ennsthal ſpricht gut deutſch: „Wenn d' Muata aus 'n Häusl is, hilft nix beſſer als d' Muata fuatern.“ Sie kennt aber nicht bloß das natürliche, ſondern noch ein beſonderes phantaſtiſches Futter. Aus Roſeminze, Hirſchhorngeiſt, Honig, Muskatnuß und Katzenſchmalz formt ſie eine Pille, die kommt in eine Nußſchale. Dann werden auf ein Wachskränzchen drei Wachskerzlein aufrecht geklebt. Inmitten dieſer Kerzen wird die Nußſchale auf den Nabel der Kranken gelegt und nun werden die Lichter angezündet. Vor

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/340>, abgerufen am 21.11.2024.