Das rechte reptilhafte, vogelhafte Herausknallen reiner Spektral- farben ermöglicht doch nur die vom Pelz wieder entblößte alte Unterlage: die nackte Haut.
So bedeutete und mußte bedeuten hier das Herauslesen, Herauslieben solcher ganz impertinenten Prachtfarben ein Heran- züchten zugleich möglichster Nacktheiten. Die Sachlage brachte dabei schon mit sich, daß gerade die beiden für die Liebes- erregung wichtigsten Ecken des Affenkörpers sich am leichtesten entblößen ließen. Wenn ich den kleinen weißen Terrier meines Freundes mir beschaue, der mich so oft durch meinen märkischen Kiefernwald begleitet, so sind es allemal zwei Punkte, die sich als haarfrei auszeichnen: die ewig feuchte schwarze Brombeer- nase -- und das kleine rosige Rund unter dem gestutzten Schwänzlein. Von diesen schon naturentblößten Stellen ist denn auch die Nacktheit des Mandrill ringförmig ausgestrahlt vom Punkt an, da solche Nacktheit erotisch erwünscht schien als die nötige Leinewand eines aufreglichen Farbenspiels.
[Abbildung]
Könnte aber nun nicht, fragte sich Darwin, diese Ent¬ blößung gerade bei dem affenähnlichen Wesen, das "Mensch" wurde, sich so ausgedehnt haben, daß durch fortgesetzte in¬ dividuelle Liebesauslese schließlich die sich erweiternden Nackt¬ heitsringe von den beiden Körperpolen aus zusammenschlugen? Und daß also eines Tages der ganze Leib mit geringen Aus¬ nahmen nackt dastand, sozusagen als Ergebnis einer über den halben Körper hinweggerutschten Nase und einer über die andere Hälfte dito gerutschten Hinterblöße?
Die Geschichte müßte sich dabei im Schlußresultat noch um ein unbedeutendes anders gewendet haben als beim Paradies¬ vogel. Nackt sind ja heute beim Menschen Mann wie Weib, ja das Weib, streng genommen, sogar noch etwas mehr als
Das rechte reptilhafte, vogelhafte Herausknallen reiner Spektral- farben ermöglicht doch nur die vom Pelz wieder entblößte alte Unterlage: die nackte Haut.
So bedeutete und mußte bedeuten hier das Herausleſen, Herauslieben ſolcher ganz impertinenten Prachtfarben ein Heran- züchten zugleich möglichſter Nacktheiten. Die Sachlage brachte dabei ſchon mit ſich, daß gerade die beiden für die Liebes- erregung wichtigſten Ecken des Affenkörpers ſich am leichteſten entblößen ließen. Wenn ich den kleinen weißen Terrier meines Freundes mir beſchaue, der mich ſo oft durch meinen märkiſchen Kiefernwald begleitet, ſo ſind es allemal zwei Punkte, die ſich als haarfrei auszeichnen: die ewig feuchte ſchwarze Brombeer- naſe — und das kleine roſige Rund unter dem geſtutzten Schwänzlein. Von dieſen ſchon naturentblößten Stellen iſt denn auch die Nacktheit des Mandrill ringförmig ausgeſtrahlt vom Punkt an, da ſolche Nacktheit erotiſch erwünſcht ſchien als die nötige Leinewand eines aufreglichen Farbenſpiels.
[Abbildung]
Könnte aber nun nicht, fragte ſich Darwin, dieſe Ent¬ blößung gerade bei dem affenähnlichen Weſen, das „Menſch" wurde, ſich ſo ausgedehnt haben, daß durch fortgeſetzte in¬ dividuelle Liebesausleſe ſchließlich die ſich erweiternden Nackt¬ heitsringe von den beiden Körperpolen aus zuſammenſchlugen? Und daß alſo eines Tages der ganze Leib mit geringen Aus¬ nahmen nackt daſtand, ſozuſagen als Ergebnis einer über den halben Körper hinweggerutſchten Naſe und einer über die andere Hälfte dito gerutſchten Hinterblöße?
Die Geſchichte müßte ſich dabei im Schlußreſultat noch um ein unbedeutendes anders gewendet haben als beim Paradies¬ vogel. Nackt ſind ja heute beim Menſchen Mann wie Weib, ja das Weib, ſtreng genommen, ſogar noch etwas mehr als
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0044"n="30"/>
Das rechte reptilhafte, vogelhafte Herausknallen reiner Spektral-<lb/>
farben ermöglicht doch nur die vom Pelz wieder entblößte alte<lb/>
Unterlage: die nackte Haut.</p><lb/><p>So bedeutete und mußte bedeuten hier das Herausleſen,<lb/>
Herauslieben ſolcher ganz impertinenten Prachtfarben ein Heran-<lb/>
züchten zugleich möglichſter Nacktheiten. Die Sachlage brachte<lb/>
dabei ſchon mit ſich, daß gerade die beiden für die Liebes-<lb/>
erregung wichtigſten Ecken des Affenkörpers ſich am leichteſten<lb/>
entblößen ließen. Wenn ich den kleinen weißen Terrier meines<lb/>
Freundes mir beſchaue, der mich ſo oft durch meinen märkiſchen<lb/>
Kiefernwald begleitet, ſo ſind es allemal zwei Punkte, die ſich<lb/>
als haarfrei auszeichnen: die ewig feuchte ſchwarze Brombeer-<lb/>
naſe — und das kleine roſige Rund unter dem geſtutzten<lb/>
Schwänzlein. Von dieſen ſchon naturentblößten Stellen iſt<lb/>
denn auch die Nacktheit des Mandrill ringförmig ausgeſtrahlt<lb/>
vom Punkt an, da ſolche Nacktheit erotiſch erwünſcht ſchien als<lb/>
die nötige Leinewand eines aufreglichen Farbenſpiels.</p><lb/><figure/><p>Könnte aber nun nicht, fragte ſich Darwin, dieſe Ent¬<lb/>
blößung gerade bei dem affenähnlichen Weſen, das „Menſch"<lb/>
wurde, ſich ſo ausgedehnt haben, daß durch fortgeſetzte in¬<lb/>
dividuelle Liebesausleſe ſchließlich die ſich erweiternden Nackt¬<lb/>
heitsringe von den beiden Körperpolen aus zuſammenſchlugen?<lb/>
Und daß alſo eines Tages der ganze Leib mit geringen Aus¬<lb/>
nahmen nackt daſtand, ſozuſagen als Ergebnis einer über den<lb/>
halben Körper hinweggerutſchten Naſe und einer über die<lb/>
andere Hälfte dito gerutſchten Hinterblöße?</p><lb/><p>Die Geſchichte müßte ſich dabei im Schlußreſultat noch<lb/>
um ein unbedeutendes anders gewendet haben als beim Paradies¬<lb/>
vogel. Nackt ſind ja heute beim Menſchen Mann wie Weib,<lb/>
ja das Weib, ſtreng genommen, ſogar noch etwas mehr als<lb/></p></div></body></text></TEI>
[30/0044]
Das rechte reptilhafte, vogelhafte Herausknallen reiner Spektral-
farben ermöglicht doch nur die vom Pelz wieder entblößte alte
Unterlage: die nackte Haut.
So bedeutete und mußte bedeuten hier das Herausleſen,
Herauslieben ſolcher ganz impertinenten Prachtfarben ein Heran-
züchten zugleich möglichſter Nacktheiten. Die Sachlage brachte
dabei ſchon mit ſich, daß gerade die beiden für die Liebes-
erregung wichtigſten Ecken des Affenkörpers ſich am leichteſten
entblößen ließen. Wenn ich den kleinen weißen Terrier meines
Freundes mir beſchaue, der mich ſo oft durch meinen märkiſchen
Kiefernwald begleitet, ſo ſind es allemal zwei Punkte, die ſich
als haarfrei auszeichnen: die ewig feuchte ſchwarze Brombeer-
naſe — und das kleine roſige Rund unter dem geſtutzten
Schwänzlein. Von dieſen ſchon naturentblößten Stellen iſt
denn auch die Nacktheit des Mandrill ringförmig ausgeſtrahlt
vom Punkt an, da ſolche Nacktheit erotiſch erwünſcht ſchien als
die nötige Leinewand eines aufreglichen Farbenſpiels.
[Abbildung]
Könnte aber nun nicht, fragte ſich Darwin, dieſe Ent¬
blößung gerade bei dem affenähnlichen Weſen, das „Menſch"
wurde, ſich ſo ausgedehnt haben, daß durch fortgeſetzte in¬
dividuelle Liebesausleſe ſchließlich die ſich erweiternden Nackt¬
heitsringe von den beiden Körperpolen aus zuſammenſchlugen?
Und daß alſo eines Tages der ganze Leib mit geringen Aus¬
nahmen nackt daſtand, ſozuſagen als Ergebnis einer über den
halben Körper hinweggerutſchten Naſe und einer über die
andere Hälfte dito gerutſchten Hinterblöße?
Die Geſchichte müßte ſich dabei im Schlußreſultat noch
um ein unbedeutendes anders gewendet haben als beim Paradies¬
vogel. Nackt ſind ja heute beim Menſchen Mann wie Weib,
ja das Weib, ſtreng genommen, ſogar noch etwas mehr als
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/44>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.