bloß das Enthüllen zu Nützlichkeitszwecken, sondern zu bestimmten erotischen Zeiten auch das Darbieten des Liebeskörpers. Wenn aber nun aus Nützlichkeitsgründen dieser enthüllte Leib zugleich wirklich immer haarloser sich bot auch an sich selbst, immer abgescheuerter, immer geschorener, immer rasierter, immer ge¬ rupfter: so war es diesmal wirklich durchaus nahe liegend, daß diese Nacktheit jetzt endlich auch ins Gesichtsfeld des Erotisch-Ästhetischen geriet. Der rhythmische Sinn empfand diese plastisch nackte Menschengestalt als hübscher denn die haar¬ verhüllte. Der erotische Hang verquickte sich damit: das Schönste war der wählenden Liebe das Begehrenswerteste. Wenn die künstlich angelegte Hülle fiel und der Liebesmensch überhaupt sichtbar wurde, so war dann bei dem nun auch der nackteste der liebste. Zu der Umrißform trat mit der eigentlichen Haut¬ nacktheit ja jetzt auch die Möglichkeit des andern alten Tier¬ lockmittels: grellbunte Bemalung, die allerdings hier, beim Werkzeug-Menschen, sofort schon künstlich, als Gabe eben der Werkzeugbeherrschung, als absichtliche "Malerei" kam.
Nun aber bedenke, was für eine radikale Macht jetzt doch noch mit dieser erotischen Einmischung positiv in die Sache kommen mußte. Jetzt kam das ganze Paradiesvogelmotiv schließlich doch mit und zwar streng konzentriert auf die Nacktheit.
Wie alle Merkmale dieser Art, so variierte die Haardichte zweifellos bei den einzelnen Individuen. Es kamen dichter behaarte und ausnahmsweise schwächer behaarte vor. Denke bloß daran, wie das ja selbst heute noch bei den Haarrudimenten des Mannes wechselt: hier einer mit Schwarzwuchs am halben Leibe und ewig nachsprießendem Blaubart, den kein Rasieren dämmt, -- dort der milchweiße Leib fast haarfrei für den Anblick und zeitlebens kaum ein Paar Bartstoppeln. Wenn du Lust hast, magst du ja auf dieses Auftreten schwachhaariger Menschenkinder damals schon verrechnen, was etwa die Ver¬ erbung des Abscheuerns und Rasierens wirklich allmählich selber
bloß das Enthüllen zu Nützlichkeitszwecken, ſondern zu beſtimmten erotiſchen Zeiten auch das Darbieten des Liebeskörpers. Wenn aber nun aus Nützlichkeitsgründen dieſer enthüllte Leib zugleich wirklich immer haarloſer ſich bot auch an ſich ſelbſt, immer abgeſcheuerter, immer geſchorener, immer raſierter, immer ge¬ rupfter: ſo war es diesmal wirklich durchaus nahe liegend, daß dieſe Nacktheit jetzt endlich auch ins Geſichtsfeld des Erotiſch-Äſthetiſchen geriet. Der rhythmiſche Sinn empfand dieſe plaſtiſch nackte Menſchengeſtalt als hübſcher denn die haar¬ verhüllte. Der erotiſche Hang verquickte ſich damit: das Schönſte war der wählenden Liebe das Begehrenswerteſte. Wenn die künſtlich angelegte Hülle fiel und der Liebesmenſch überhaupt ſichtbar wurde, ſo war dann bei dem nun auch der nackteſte der liebſte. Zu der Umrißform trat mit der eigentlichen Haut¬ nacktheit ja jetzt auch die Möglichkeit des andern alten Tier¬ lockmittels: grellbunte Bemalung, die allerdings hier, beim Werkzeug-Menſchen, ſofort ſchon künſtlich, als Gabe eben der Werkzeugbeherrſchung, als abſichtliche „Malerei“ kam.
Nun aber bedenke, was für eine radikale Macht jetzt doch noch mit dieſer erotiſchen Einmiſchung poſitiv in die Sache kommen mußte. Jetzt kam das ganze Paradiesvogelmotiv ſchließlich doch mit und zwar ſtreng konzentriert auf die Nacktheit.
Wie alle Merkmale dieſer Art, ſo variierte die Haardichte zweifellos bei den einzelnen Individuen. Es kamen dichter behaarte und ausnahmsweiſe ſchwächer behaarte vor. Denke bloß daran, wie das ja ſelbſt heute noch bei den Haarrudimenten des Mannes wechſelt: hier einer mit Schwarzwuchs am halben Leibe und ewig nachſprießendem Blaubart, den kein Raſieren dämmt, — dort der milchweiße Leib faſt haarfrei für den Anblick und zeitlebens kaum ein Paar Bartſtoppeln. Wenn du Luſt haſt, magſt du ja auf dieſes Auftreten ſchwachhaariger Menſchenkinder damals ſchon verrechnen, was etwa die Ver¬ erbung des Abſcheuerns und Raſierens wirklich allmählich ſelber
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bloß das Enthüllen zu Nützlichkeitszwecken, ſondern zu beſtimmten
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wirklich immer haarloſer ſich bot auch an ſich ſelbſt, immer
abgeſcheuerter, immer geſchorener, immer raſierter, immer ge¬
rupfter: ſo war es diesmal wirklich durchaus nahe liegend,
daß dieſe Nacktheit jetzt endlich auch ins Geſichtsfeld des
Erotiſch-Äſthetiſchen geriet. Der rhythmiſche Sinn empfand dieſe
plaſtiſch nackte Menſchengeſtalt als hübſcher denn die haar¬
verhüllte. Der erotiſche Hang verquickte ſich damit: das Schönſte
war der wählenden Liebe das Begehrenswerteſte. Wenn die
künſtlich angelegte Hülle fiel und der Liebesmenſch überhaupt
ſichtbar wurde, ſo war dann bei dem nun auch der nackteſte
der liebſte. Zu der Umrißform trat mit der eigentlichen Haut¬
nacktheit ja jetzt auch die Möglichkeit des andern alten Tier¬
lockmittels: grellbunte Bemalung, die allerdings hier, beim
Werkzeug-Menſchen, ſofort ſchon künſtlich, als Gabe eben der
Werkzeugbeherrſchung, als abſichtliche „Malerei“ kam.
Nun aber bedenke, was für eine radikale Macht jetzt doch
noch mit dieſer erotiſchen Einmiſchung poſitiv in die Sache
kommen mußte. Jetzt kam das ganze Paradiesvogelmotiv
ſchließlich doch mit und zwar ſtreng konzentriert auf die
Nacktheit.
Wie alle Merkmale dieſer Art, ſo variierte die Haardichte
zweifellos bei den einzelnen Individuen. Es kamen dichter
behaarte und ausnahmsweiſe ſchwächer behaarte vor. Denke
bloß daran, wie das ja ſelbſt heute noch bei den Haarrudimenten
des Mannes wechſelt: hier einer mit Schwarzwuchs am halben
Leibe und ewig nachſprießendem Blaubart, den kein Raſieren
dämmt, — dort der milchweiße Leib faſt haarfrei für den
Anblick und zeitlebens kaum ein Paar Bartſtoppeln. Wenn
du Luſt haſt, magſt du ja auf dieſes Auftreten ſchwachhaariger
Menſchenkinder damals ſchon verrechnen, was etwa die Ver¬
erbung des Abſcheuerns und Raſierens wirklich allmählich ſelber
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/75>, abgerufen am 24.11.2024.
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