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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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der hier als Komponist und Klavierspieler in großer
Achtung steht; Vitet, den Schriftsteller, der unter
dem Namen Stendthal schreibt und noch viele andere
Gelehrte und Künstler. Ein armer deutscher Ge¬
lehrter wird gelb vor Aerger und Neid, wenn er
siehet, wie es den französischen Schriftstellern so gut
gehet. Außer dem vielen Gelde, das sie durch ihre
Werke verdienen, werden sie noch obendrein von der
Regierung angestellt. Stendthal ist eben im Begriff
nach Triest abzureisen, wo er eine Stelle als Con¬
sul erhalten. Vitet schreibt sogenannte historische
Romane, die sehr schön sind: Henri III, les bar¬
ricades, les etats de Blois.
Der hat jetzt eine
Anstellung bekommen, um die ich ihn beneide. Er
ist conservateur des monuments d'antiquite de
la France.
Diese Stelle bestand früher gar nicht
und der Minister Guizot, der Vitet protegirte, hat
sie erst für ihn geschaffen. Sein Geschäft bestehet
darin, daß er jährlich ein paar Mal durch Frank¬
reich reist und die allen Bauwerke aus der römischen
Zeit und aus dem Mittelalter, Tempel, Wasserlei¬
tungen, Amphitheater, Kirchen besichtiget und darauf
siehet, daß sie nicht verfallen. Dafür hat er einen
jährlichen Gehalt von funfzehn tausend Franken und
die Reisekosten werden besonders bezahlt. Gäbe es
eine angenehmere Stelle als diese für einen Menschen
wie ich bin, der faul ist und gern reist? Möchte

der hier als Komponiſt und Klavierſpieler in großer
Achtung ſteht; Vitet, den Schriftſteller, der unter
dem Namen Stendthal ſchreibt und noch viele andere
Gelehrte und Künſtler. Ein armer deutſcher Ge¬
lehrter wird gelb vor Aerger und Neid, wenn er
ſiehet, wie es den franzöſiſchen Schriftſtellern ſo gut
gehet. Außer dem vielen Gelde, das ſie durch ihre
Werke verdienen, werden ſie noch obendrein von der
Regierung angeſtellt. Stendthal iſt eben im Begriff
nach Trieſt abzureiſen, wo er eine Stelle als Con¬
ſul erhalten. Vitet ſchreibt ſogenannte hiſtoriſche
Romane, die ſehr ſchön ſind: Henri III, les bar¬
ricades, les états de Blois.
Der hat jetzt eine
Anſtellung bekommen, um die ich ihn beneide. Er
iſt conservateur des monuments d'antiquité de
la France.
Dieſe Stelle beſtand früher gar nicht
und der Miniſter Guizot, der Vitet protegirte, hat
ſie erſt für ihn geſchaffen. Sein Geſchäft beſtehet
darin, daß er jährlich ein paar Mal durch Frank¬
reich reiſt und die allen Bauwerke aus der römiſchen
Zeit und aus dem Mittelalter, Tempel, Waſſerlei¬
tungen, Amphitheater, Kirchen beſichtiget und darauf
ſiehet, daß ſie nicht verfallen. Dafür hat er einen
jährlichen Gehalt von funfzehn tauſend Franken und
die Reiſekoſten werden beſonders bezahlt. Gäbe es
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[87/0101] der hier als Komponiſt und Klavierſpieler in großer Achtung ſteht; Vitet, den Schriftſteller, der unter dem Namen Stendthal ſchreibt und noch viele andere Gelehrte und Künſtler. Ein armer deutſcher Ge¬ lehrter wird gelb vor Aerger und Neid, wenn er ſiehet, wie es den franzöſiſchen Schriftſtellern ſo gut gehet. Außer dem vielen Gelde, das ſie durch ihre Werke verdienen, werden ſie noch obendrein von der Regierung angeſtellt. Stendthal iſt eben im Begriff nach Trieſt abzureiſen, wo er eine Stelle als Con¬ ſul erhalten. Vitet ſchreibt ſogenannte hiſtoriſche Romane, die ſehr ſchön ſind: Henri III, les bar¬ ricades, les états de Blois. Der hat jetzt eine Anſtellung bekommen, um die ich ihn beneide. Er iſt conservateur des monuments d'antiquité de la France. Dieſe Stelle beſtand früher gar nicht und der Miniſter Guizot, der Vitet protegirte, hat ſie erſt für ihn geſchaffen. Sein Geſchäft beſtehet darin, daß er jährlich ein paar Mal durch Frank¬ reich reiſt und die allen Bauwerke aus der römiſchen Zeit und aus dem Mittelalter, Tempel, Waſſerlei¬ tungen, Amphitheater, Kirchen beſichtiget und darauf ſiehet, daß ſie nicht verfallen. Dafür hat er einen jährlichen Gehalt von funfzehn tauſend Franken und die Reiſekoſten werden beſonders bezahlt. Gäbe es eine angenehmere Stelle als dieſe für einen Menſchen wie ich bin, der faul iſt und gern reiſt? Möchte

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/101>, abgerufen am 17.05.2024.