fehlen. Ich muß lachen, so oft ich den Jammer in den liberalen Zeitungen lese, Talleyrand werde als ein Mitarbeiter an dem Wiener Frieden die Beschlüsse und Verträge der heiligen Allianz vertheidigen. Das ist der rechte Mann, dem etwas heilig ist!
Ich will es wohl gern glauben, wie es auch hier von Vielen behauptet wird, daß die Katastrophe von Antwerpen von den Insurgenten übermüthig her¬ beigezogen worden; daß Chasse zu Bombardiren gezwungen worden ist; aber was ändert das? Man muß sich nur immer fragen: wem gehört Belgien, oder jedes andere Land? Gehört es dem Volke, oder gehört es dem Fürsten? Die Belgier mögen vielleicht Unrecht haben mit ihrem Könige -- ich habe selbst nie deutlich eingesehen, worüber sie zu klagen hatten -- aber es ist jeder Herr in seinem Hause, und ein König, den man nicht leiden kann, und wäre es auch blos wegen der Form seiner Nase, den wirft man mit Grund zur Thüre hinaus. Ich finde das ganz einfach. Der französische Gesandte in Holland, der nach dem Bombardement dem Könige Vorstellungen machte, wegen des Schadens, den die französischen und andern Kaufleute in Antwerpen erlitten, erhielt vom Könige zur Antwort: Mr. l'Ambassadeur, je ne sacrifierai jamais les droits de ma couronne aux interets particuliers. Das soll erhaben seyn! Ich finde es sehr lächerlich. Man macht noch viel
fehlen. Ich muß lachen, ſo oft ich den Jammer in den liberalen Zeitungen leſe, Talleyrand werde als ein Mitarbeiter an dem Wiener Frieden die Beſchlüſſe und Verträge der heiligen Allianz vertheidigen. Das iſt der rechte Mann, dem etwas heilig iſt!
Ich will es wohl gern glauben, wie es auch hier von Vielen behauptet wird, daß die Kataſtrophe von Antwerpen von den Inſurgenten übermüthig her¬ beigezogen worden; daß Chaſſé zu Bombardiren gezwungen worden iſt; aber was ändert das? Man muß ſich nur immer fragen: wem gehört Belgien, oder jedes andere Land? Gehört es dem Volke, oder gehört es dem Fürſten? Die Belgier mögen vielleicht Unrecht haben mit ihrem Könige — ich habe ſelbſt nie deutlich eingeſehen, worüber ſie zu klagen hatten — aber es iſt jeder Herr in ſeinem Hauſe, und ein König, den man nicht leiden kann, und wäre es auch blos wegen der Form ſeiner Naſe, den wirft man mit Grund zur Thüre hinaus. Ich finde das ganz einfach. Der franzöſiſche Geſandte in Holland, der nach dem Bombardement dem Könige Vorſtellungen machte, wegen des Schadens, den die franzöſiſchen und andern Kaufleute in Antwerpen erlitten, erhielt vom Könige zur Antwort: Mr. l'Ambassadeur, je ne sacrifierai jamais les droits de ma couronne aux intérêts particuliers. Das ſoll erhaben ſeyn! Ich finde es ſehr lächerlich. Man macht noch viel
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fehlen. Ich muß lachen, ſo oft ich den Jammer in
den liberalen Zeitungen leſe, Talleyrand werde als
ein Mitarbeiter an dem Wiener Frieden die Beſchlüſſe
und Verträge der heiligen Allianz vertheidigen. Das
iſt der rechte Mann, dem etwas heilig iſt!
Ich will es wohl gern glauben, wie es auch
hier von Vielen behauptet wird, daß die Kataſtrophe
von Antwerpen von den Inſurgenten übermüthig her¬
beigezogen worden; daß Chaſſ é zu Bombardiren
gezwungen worden iſt; aber was ändert das? Man
muß ſich nur immer fragen: wem gehört Belgien,
oder jedes andere Land? Gehört es dem Volke,
oder gehört es dem Fürſten? Die Belgier mögen
vielleicht Unrecht haben mit ihrem Könige — ich habe
ſelbſt nie deutlich eingeſehen, worüber ſie zu klagen
hatten — aber es iſt jeder Herr in ſeinem Hauſe,
und ein König, den man nicht leiden kann, und wäre
es auch blos wegen der Form ſeiner Naſe, den wirft
man mit Grund zur Thüre hinaus. Ich finde das
ganz einfach. Der franzöſiſche Geſandte in Holland,
der nach dem Bombardement dem Könige Vorſtellungen
machte, wegen des Schadens, den die franzöſiſchen
und andern Kaufleute in Antwerpen erlitten, erhielt
vom Könige zur Antwort: Mr. l'Ambassadeur, je
ne sacrifierai jamais les droits de ma couronne
aux intérêts particuliers. Das ſoll erhaben ſeyn!
Ich finde es ſehr lächerlich. Man macht noch viel
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/110>, abgerufen am 11.01.2025.
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