Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Vierzehnter Brief.

Gestern bin ich in mein neues Logis gezogen.
Ich wohne -- o der Schande! -- wie eine Opern¬
tänzerin, die einen reichen Liebhaber hat. Alle Mö¬
bel von Mahagoni, Marmor und Bronze; prächtige
Pendule; fünf großen Vasen, voll der schönsten Blu¬
men; stolze allerhöchste Flambeaus, die sich der bür¬
gerlichen Talglichter schämen, die ich ihnen aufgesteckt;
Stühle und Sopha, mit braunem gelbgeblümten
Sammt überzogen; die zärtlichsten Bergeres, in die
man eine halbe Minute einsinkt, ehe man den Grund
erreicht; scharlachrothe Fußdecken und die Wände mit
Spiegeln bedeckt. Es ist alles so voll von Möbeln,
daß ich kaum Platz zu wohnen habe. Unter den
vielen Kostbarkeiten wage ich mich nicht zu bewegen,
wage ich nicht, was sonst meine Lust ist, gedankenlos
oder gedankenvoll im Zimmer auf- und abzugehen;

Vierzehnter Brief.

Geſtern bin ich in mein neues Logis gezogen.
Ich wohne — o der Schande! — wie eine Opern¬
tänzerin, die einen reichen Liebhaber hat. Alle Mö¬
bel von Mahagoni, Marmor und Bronze; prächtige
Pendule; fünf großen Vaſen, voll der ſchönſten Blu¬
men; ſtolze allerhöchſte Flambeaus, die ſich der bür¬
gerlichen Talglichter ſchämen, die ich ihnen aufgeſteckt;
Stühle und Sopha, mit braunem gelbgeblümten
Sammt überzogen; die zärtlichſten Bergeres, in die
man eine halbe Minute einſinkt, ehe man den Grund
erreicht; ſcharlachrothe Fußdecken und die Wände mit
Spiegeln bedeckt. Es iſt alles ſo voll von Möbeln,
daß ich kaum Platz zu wohnen habe. Unter den
vielen Koſtbarkeiten wage ich mich nicht zu bewegen,
wage ich nicht, was ſonſt meine Luſt iſt, gedankenlos
oder gedankenvoll im Zimmer auf- und abzugehen;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0112" n="[98]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Vierzehnter Brief.</hi><lb/>
          </head>
          <dateline> <hi rendition="#right">Paris, Mittwoch, den 17. November 1830.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Ge&#x017F;tern bin ich in mein neues Logis gezogen.<lb/>
Ich wohne &#x2014; o der Schande! &#x2014; wie eine Opern¬<lb/>
tänzerin, die einen reichen Liebhaber hat. Alle Mö¬<lb/>
bel von Mahagoni, Marmor und Bronze; prächtige<lb/>
Pendule; fünf großen Va&#x017F;en, voll der &#x017F;chön&#x017F;ten Blu¬<lb/>
men; &#x017F;tolze allerhöch&#x017F;te Flambeaus, die &#x017F;ich der bür¬<lb/>
gerlichen Talglichter &#x017F;chämen, die ich ihnen aufge&#x017F;teckt;<lb/>
Stühle und Sopha, mit braunem gelbgeblümten<lb/>
Sammt überzogen; die zärtlich&#x017F;ten Bergeres, in die<lb/>
man eine halbe Minute ein&#x017F;inkt, ehe man den Grund<lb/>
erreicht; &#x017F;charlachrothe Fußdecken und die Wände mit<lb/>
Spiegeln bedeckt. Es i&#x017F;t alles &#x017F;o voll von Möbeln,<lb/>
daß ich kaum Platz zu wohnen habe. Unter den<lb/>
vielen Ko&#x017F;tbarkeiten wage ich mich nicht zu bewegen,<lb/>
wage ich nicht, was &#x017F;on&#x017F;t meine Lu&#x017F;t i&#x017F;t, gedankenlos<lb/>
oder gedankenvoll im Zimmer auf- und abzugehen;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[98]/0112] Vierzehnter Brief. Paris, Mittwoch, den 17. November 1830. Geſtern bin ich in mein neues Logis gezogen. Ich wohne — o der Schande! — wie eine Opern¬ tänzerin, die einen reichen Liebhaber hat. Alle Mö¬ bel von Mahagoni, Marmor und Bronze; prächtige Pendule; fünf großen Vaſen, voll der ſchönſten Blu¬ men; ſtolze allerhöchſte Flambeaus, die ſich der bür¬ gerlichen Talglichter ſchämen, die ich ihnen aufgeſteckt; Stühle und Sopha, mit braunem gelbgeblümten Sammt überzogen; die zärtlichſten Bergeres, in die man eine halbe Minute einſinkt, ehe man den Grund erreicht; ſcharlachrothe Fußdecken und die Wände mit Spiegeln bedeckt. Es iſt alles ſo voll von Möbeln, daß ich kaum Platz zu wohnen habe. Unter den vielen Koſtbarkeiten wage ich mich nicht zu bewegen, wage ich nicht, was ſonſt meine Luſt iſt, gedankenlos oder gedankenvoll im Zimmer auf- und abzugehen;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/112
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. [98]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/112>, abgerufen am 22.12.2024.