Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.schönere Zeit in rosenrother Knospe. Wenn die ein¬ In Heidelberg sah ich die ersten Franzosen mit Ich mußte lachen als ich nach Darmstadt kam ſchönere Zeit in roſenrother Knoſpe. Wenn die ein¬ In Heidelberg ſah ich die erſten Franzoſen mit Ich mußte lachen als ich nach Darmſtadt kam <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0016" n="2"/> ſchönere Zeit in roſenrother Knoſpe. Wenn die ein¬<lb/> mal aufbricht! Wie gern hätte ich ihn der Mutter<lb/> geſtohlen, und ihn mit mir über den Rhein geführt,<lb/> ihn dort zu erziehen mit Schlägen und Küſſen, mit<lb/> Hunger und Roſinen, daß er lerne frei ſein und<lb/> dann zurückkehre, frei zu machen.</p><lb/> <p>In Heidelberg ſah ich die erſten Franzoſen mit<lb/> dreifarbigen Bändern. Anfänglich ſah ich es für<lb/> Orden an, und mein <hi rendition="#g">Ordens-Gelübde</hi> legte mir<lb/> die Pflicht auf, mich bei ſolchem Anblicke inbrünſtig<lb/> zu ärgern. Aber ein Knabe, der auch ſein Band<lb/> trug, brachte mich auf die rechte Spur.</p><lb/> <p>Ich mußte lachen als ich nach Darmſtadt kam<lb/> und mich erinnerte, daß da vor wenigen Tagen eine<lb/> fürchterliche Revolution geweſen ſeyn ſoll, wie man<lb/> in Frankfurt erzählte. Es iſt eine Stille auf den<lb/> Straßen, gleich der bei uns in der Nacht, und die<lb/> wenigen Menſchen, die vorübergehen, treten nicht<lb/> lauter auf als die Schnecken. Erzählte man ſich<lb/> ſogar bei uns, das Schloß brenne, und einer meiner<lb/> Freunde ſtieg den hohen Pfarr-Thurm hinauf, den<lb/> Brand zu ſehen! Es war Alles gelogen. Die Bür¬<lb/> ger ſind unzufrieden, aber nicht mit der Regierung,<lb/> ſondern mit den Liberalen in der Kammer, die dem<lb/> Großherzoge ſeine Schulden nicht bezahlen wollen.<lb/> Das iſt <hi rendition="#g">deutſches</hi> Volks-Murren, das laß ich<lb/> mir gefallen; darin iſt Roſſiniſche Melodie.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0016]
ſchönere Zeit in roſenrother Knoſpe. Wenn die ein¬
mal aufbricht! Wie gern hätte ich ihn der Mutter
geſtohlen, und ihn mit mir über den Rhein geführt,
ihn dort zu erziehen mit Schlägen und Küſſen, mit
Hunger und Roſinen, daß er lerne frei ſein und
dann zurückkehre, frei zu machen.
In Heidelberg ſah ich die erſten Franzoſen mit
dreifarbigen Bändern. Anfänglich ſah ich es für
Orden an, und mein Ordens-Gelübde legte mir
die Pflicht auf, mich bei ſolchem Anblicke inbrünſtig
zu ärgern. Aber ein Knabe, der auch ſein Band
trug, brachte mich auf die rechte Spur.
Ich mußte lachen als ich nach Darmſtadt kam
und mich erinnerte, daß da vor wenigen Tagen eine
fürchterliche Revolution geweſen ſeyn ſoll, wie man
in Frankfurt erzählte. Es iſt eine Stille auf den
Straßen, gleich der bei uns in der Nacht, und die
wenigen Menſchen, die vorübergehen, treten nicht
lauter auf als die Schnecken. Erzählte man ſich
ſogar bei uns, das Schloß brenne, und einer meiner
Freunde ſtieg den hohen Pfarr-Thurm hinauf, den
Brand zu ſehen! Es war Alles gelogen. Die Bür¬
ger ſind unzufrieden, aber nicht mit der Regierung,
ſondern mit den Liberalen in der Kammer, die dem
Großherzoge ſeine Schulden nicht bezahlen wollen.
Das iſt deutſches Volks-Murren, das laß ich
mir gefallen; darin iſt Roſſiniſche Melodie.
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