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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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erst das Herz, dann den Kopf verliert, und daß
man vom Verstande nur so viel übrig behält, als
man braucht, das Herz nicht wieder aufkommen zu
lassen. Es ist hier keine Zweideutigkeit, kein Un¬
verstand, keine Deutelei -- man hat wörtlich nicht
Wort gehalten, man hat dem Volke nicht gegeben,
was man ihm versprochen. Die Machthaber reden
hier ganz so wie bei uns: von wenigen Unruhstiftern,
die das Volk verführten, von jugendlicher Schwär¬
merei, von Republikanern. Aber kein Mensch will
Republik, man verlangt nur die republikanischen In¬
stitutionen, die man in den Tagen der Noth ver¬
sprochen. Für die Machthaber hier (wie bei uns)
fängt da, wo ihr eigner Vortheil aufhört, die Schwär¬
merei an. Eben erzählte mir Jemand, man spräche
heute davon, Lafitte und Dupont würden aus dem
Ministerium treten, und der Präfect von Paris ab¬
gesetzt werden. Ich zweifle nun zwar gar nicht,
daß die Regierung mächtig genug ist, es durchzu¬
setzen, und jeden gefährlichen Ausbruch zu verhüten.
Aber was wird dabei gewonnen? die Ruhe, die
sich auf eine allgemeine Zufriedenheit aller Bürger¬
klassen gründet, die einzig wünschenswerthe und
dauerhafte, wird sie auf diese Weise nicht gründen.
Die Unzufriedenheit wird sich aufhäufen, die Mis¬
vergnügten werden sich vermehren, bis sie stärker
werden als die Regierung, und dann gehet der

erſt das Herz, dann den Kopf verliert, und daß
man vom Verſtande nur ſo viel übrig behält, als
man braucht, das Herz nicht wieder aufkommen zu
laſſen. Es iſt hier keine Zweideutigkeit, kein Un¬
verſtand, keine Deutelei — man hat wörtlich nicht
Wort gehalten, man hat dem Volke nicht gegeben,
was man ihm verſprochen. Die Machthaber reden
hier ganz ſo wie bei uns: von wenigen Unruhſtiftern,
die das Volk verführten, von jugendlicher Schwär¬
merei, von Republikanern. Aber kein Menſch will
Republik, man verlangt nur die republikaniſchen In¬
ſtitutionen, die man in den Tagen der Noth ver¬
ſprochen. Für die Machthaber hier (wie bei uns)
fängt da, wo ihr eigner Vortheil aufhört, die Schwär¬
merei an. Eben erzählte mir Jemand, man ſpräche
heute davon, Lafitte und Dupont würden aus dem
Miniſterium treten, und der Präfect von Paris ab¬
geſetzt werden. Ich zweifle nun zwar gar nicht,
daß die Regierung mächtig genug iſt, es durchzu¬
ſetzen, und jeden gefährlichen Ausbruch zu verhüten.
Aber was wird dabei gewonnen? die Ruhe, die
ſich auf eine allgemeine Zufriedenheit aller Bürger¬
klaſſen gründet, die einzig wünſchenswerthe und
dauerhafte, wird ſie auf dieſe Weiſe nicht gründen.
Die Unzufriedenheit wird ſich aufhäufen, die Mis¬
vergnügten werden ſich vermehren, bis ſie ſtärker
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[157/0171] erſt das Herz, dann den Kopf verliert, und daß man vom Verſtande nur ſo viel übrig behält, als man braucht, das Herz nicht wieder aufkommen zu laſſen. Es iſt hier keine Zweideutigkeit, kein Un¬ verſtand, keine Deutelei — man hat wörtlich nicht Wort gehalten, man hat dem Volke nicht gegeben, was man ihm verſprochen. Die Machthaber reden hier ganz ſo wie bei uns: von wenigen Unruhſtiftern, die das Volk verführten, von jugendlicher Schwär¬ merei, von Republikanern. Aber kein Menſch will Republik, man verlangt nur die republikaniſchen In¬ ſtitutionen, die man in den Tagen der Noth ver¬ ſprochen. Für die Machthaber hier (wie bei uns) fängt da, wo ihr eigner Vortheil aufhört, die Schwär¬ merei an. Eben erzählte mir Jemand, man ſpräche heute davon, Lafitte und Dupont würden aus dem Miniſterium treten, und der Präfect von Paris ab¬ geſetzt werden. Ich zweifle nun zwar gar nicht, daß die Regierung mächtig genug iſt, es durchzu¬ ſetzen, und jeden gefährlichen Ausbruch zu verhüten. Aber was wird dabei gewonnen? die Ruhe, die ſich auf eine allgemeine Zufriedenheit aller Bürger¬ klaſſen gründet, die einzig wünſchenswerthe und dauerhafte, wird ſie auf dieſe Weiſe nicht gründen. Die Unzufriedenheit wird ſich aufhäufen, die Mis¬ vergnügten werden ſich vermehren, bis ſie ſtärker werden als die Regierung, und dann gehet der

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/171>, abgerufen am 22.12.2024.