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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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thanen in Gehorsam zu unterhalten. Wir bezahlen
immer die Zeche. Der Tugendbund hat viel
ausgerichtet! Jeder Mensch hat das Recht, ein
Dummkopf zu seyn, dagegen läßt sich nichts sagen;
aber man muß selbst ein Recht mit Bescheidenheit
benützen. Die Deutschen mißbrauchen es. Die
Mittel, welche die Franzosen gebraucht, die Freiheit
zu erwerben, werden von den deutschen Regierungen
benutzt werden, um die Despotie zu verstärken.
Ich muß nur lachen über die Unwissenheit der
hiesigen Zeitungsschreiber. Sie erzählen es im
Triumph: in Deutschland, in Oesterreich sogar,
würden Nationalgarden eingeführt, und sie meinen,
das wäre ein Fortschritt der Freiheit; die Esel be¬
greifen nicht, daß das ein neues Werkzeug der Ge¬
walt ist, das alte abgenutzte damit zu ersetzen. Die
Deutschen! -- nicht einzusehen, daß die Uniform
eine Art Gefängniß ist, die Disciplin eine Kette an
Händen und Füßen -- nicht einzusehen, daß wenn
man Schildwache stehet, man am meisten selbst be¬
wacht wird den sogenannten Pöbel im Zaum
halten, das heißt die armen Leute, das heißt die
Einzigen, welchen das verfluchte Geld nicht die
ganze Seele, allen Glauben abgehandelt; die Ein¬
zigen, denen der Müßiggang nicht alle Nerven aus¬
gesogen, und die einen Geist haben die Freiheit zu
wünschen, und einen Leib für sie zu kämpfen -- sich

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thanen in Gehorſam zu unterhalten. Wir bezahlen
immer die Zeche. Der Tugendbund hat viel
ausgerichtet! Jeder Menſch hat das Recht, ein
Dummkopf zu ſeyn, dagegen läßt ſich nichts ſagen;
aber man muß ſelbſt ein Recht mit Beſcheidenheit
benützen. Die Deutſchen mißbrauchen es. Die
Mittel, welche die Franzoſen gebraucht, die Freiheit
zu erwerben, werden von den deutſchen Regierungen
benutzt werden, um die Despotie zu verſtärken.
Ich muß nur lachen über die Unwiſſenheit der
hieſigen Zeitungsſchreiber. Sie erzählen es im
Triumph: in Deutſchland, in Oeſterreich ſogar,
würden Nationalgarden eingeführt, und ſie meinen,
das wäre ein Fortſchritt der Freiheit; die Eſel be¬
greifen nicht, daß das ein neues Werkzeug der Ge¬
walt iſt, das alte abgenutzte damit zu erſetzen. Die
Deutſchen! — nicht einzuſehen, daß die Uniform
eine Art Gefängniß iſt, die Disciplin eine Kette an
Händen und Füßen — nicht einzuſehen, daß wenn
man Schildwache ſtehet, man am meiſten ſelbſt be¬
wacht wird den ſogenannten Pöbel im Zaum
halten, das heißt die armen Leute, das heißt die
Einzigen, welchen das verfluchte Geld nicht die
ganze Seele, allen Glauben abgehandelt; die Ein¬
zigen, denen der Müßiggang nicht alle Nerven aus¬
geſogen, und die einen Geiſt haben die Freiheit zu
wünſchen, und einen Leib für ſie zu kämpfen — ſich

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[179/0193] thanen in Gehorſam zu unterhalten. Wir bezahlen immer die Zeche. Der Tugendbund hat viel ausgerichtet! Jeder Menſch hat das Recht, ein Dummkopf zu ſeyn, dagegen läßt ſich nichts ſagen; aber man muß ſelbſt ein Recht mit Beſcheidenheit benützen. Die Deutſchen mißbrauchen es. Die Mittel, welche die Franzoſen gebraucht, die Freiheit zu erwerben, werden von den deutſchen Regierungen benutzt werden, um die Despotie zu verſtärken. Ich muß nur lachen über die Unwiſſenheit der hieſigen Zeitungsſchreiber. Sie erzählen es im Triumph: in Deutſchland, in Oeſterreich ſogar, würden Nationalgarden eingeführt, und ſie meinen, das wäre ein Fortſchritt der Freiheit; die Eſel be¬ greifen nicht, daß das ein neues Werkzeug der Ge¬ walt iſt, das alte abgenutzte damit zu erſetzen. Die Deutſchen! — nicht einzuſehen, daß die Uniform eine Art Gefängniß iſt, die Disciplin eine Kette an Händen und Füßen — nicht einzuſehen, daß wenn man Schildwache ſtehet, man am meiſten ſelbſt be¬ wacht wird den ſogenannten Pöbel im Zaum halten, das heißt die armen Leute, das heißt die Einzigen, welchen das verfluchte Geld nicht die ganze Seele, allen Glauben abgehandelt; die Ein¬ zigen, denen der Müßiggang nicht alle Nerven aus¬ geſogen, und die einen Geiſt haben die Freiheit zu wünſchen, und einen Leib für ſie zu kämpfen — ſich 12*

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/193>, abgerufen am 17.05.2024.