dreifarbigen, die königlichen Soldaten, die abge¬ hauenen Bäume, die Leichen auf der Straße, die Verwundeten und neben ihnen die gutmüthigen Französinnen, die sie laben und verbinden. Man bekommt von Allem eine klare Anschauung, es ist, als wäre man dabei gewesen, und es ist zum Todt¬ weinen! Denn ich habe die Kämpfenden gemustert, ich habe die Leichen betrachtet und gezählt und die Verwundeten -- es waren viele junge Leute; die meisten Alten aber gehörten zum sogenannten, so gescholte¬ nen Pöbel, der jung bleibt bis zum Grabe. Einen bejahrten Mann in einem guten Rocke, ich sah kei¬ nen, weder unter den Streitenden, noch unter den Gefallenen. Die Männer in guten Röcken sitzen in der Pairs- und Deputirten-Kammer und halten sich die Nase zu vor den stinkenden Pöbel-Leichen und sagen: wir haben Frankreich gerettet, es gehört uns wie eine gefundene Sache, wie eine Entdeckung, und sie ließen sich ein Patent darüber geben. Und die reichen Leute, die verfluchten Banquiers kamen und sagten: halb part! und haltet uns nur den Pöbel im Zaum, damit die Renten steigen. An diese muß die Rache auch noch kommen. In Basel sind sie jetzt eingesperrt die hochmüthigen Ellenritter. Sie wollen allein regieren, das Landvolk soll gehorchen. Aber das Landvolk kennt seine Rechte und will sie
dreifarbigen, die königlichen Soldaten, die abge¬ hauenen Bäume, die Leichen auf der Straße, die Verwundeten und neben ihnen die gutmüthigen Franzöſinnen, die ſie laben und verbinden. Man bekommt von Allem eine klare Anſchauung, es iſt, als wäre man dabei geweſen, und es iſt zum Todt¬ weinen! Denn ich habe die Kämpfenden gemuſtert, ich habe die Leichen betrachtet und gezählt und die Verwundeten — es waren viele junge Leute; die meiſten Alten aber gehörten zum ſogenannten, ſo geſcholte¬ nen Pöbel, der jung bleibt bis zum Grabe. Einen bejahrten Mann in einem guten Rocke, ich ſah kei¬ nen, weder unter den Streitenden, noch unter den Gefallenen. Die Männer in guten Röcken ſitzen in der Pairs- und Deputirten-Kammer und halten ſich die Naſe zu vor den ſtinkenden Pöbel-Leichen und ſagen: wir haben Frankreich gerettet, es gehört uns wie eine gefundene Sache, wie eine Entdeckung, und ſie ließen ſich ein Patent darüber geben. Und die reichen Leute, die verfluchten Banquiers kamen und ſagten: halb part! und haltet uns nur den Pöbel im Zaum, damit die Renten ſteigen. An dieſe muß die Rache auch noch kommen. In Baſel ſind ſie jetzt eingeſperrt die hochmüthigen Ellenritter. Sie wollen allein regieren, das Landvolk ſoll gehorchen. Aber das Landvolk kennt ſeine Rechte und will ſie
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dreifarbigen, die königlichen Soldaten, die abge¬
hauenen Bäume, die Leichen auf der Straße, die
Verwundeten und neben ihnen die gutmüthigen
Franzöſinnen, die ſie laben und verbinden. Man
bekommt von Allem eine klare Anſchauung, es iſt,
als wäre man dabei geweſen, und es iſt zum Todt¬
weinen! Denn ich habe die Kämpfenden gemuſtert,
ich habe die Leichen betrachtet und gezählt und die
Verwundeten — es waren viele junge Leute; die meiſten
Alten aber gehörten zum ſogenannten, ſo geſcholte¬
nen Pöbel, der jung bleibt bis zum Grabe. Einen
bejahrten Mann in einem guten Rocke, ich ſah kei¬
nen, weder unter den Streitenden, noch unter den
Gefallenen. Die Männer in guten Röcken ſitzen in
der Pairs- und Deputirten-Kammer und halten ſich
die Naſe zu vor den ſtinkenden Pöbel-Leichen und
ſagen: wir haben Frankreich gerettet, es gehört uns
wie eine gefundene Sache, wie eine Entdeckung, und
ſie ließen ſich ein Patent darüber geben. Und die
reichen Leute, die verfluchten Banquiers kamen und
ſagten: halb part! und haltet uns nur den Pöbel
im Zaum, damit die Renten ſteigen. An dieſe muß
die Rache auch noch kommen. In Baſel ſind ſie
jetzt eingeſperrt die hochmüthigen Ellenritter. Sie
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/208>, abgerufen am 17.05.2024.
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