Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

liche National-Versammlung haben. Der französische
König soll wie früher in Paris thronen, der deutsche
in unserem Frankfurt, und die National-Versamm¬
lung jedes Jahr abwechselnd in Paris oder in Frank¬
furt gehalten werden. Wenn Sie Ihre Nichte O***
besuchen, benutzen sie doch die Gelegenheit, mit dem
Koche des Präsidenten der Bundesversammlung von
unserem Plane zu sprechen. Der muß ja die Ge¬
sinnungen und Ansichten seines Herrn am besten
kennen.

-- Die lieben Tuilerien habe ich heute wieder¬
gesehen. Sie hießen mich willkommen, sie lächelten
mir zu und alles dort war wie zu meinem Empfange
glänzend und festlich eingerichtet. Ich fühlte mich
ein Fürst in der Mitte des fürstlichen Volkes, das
unter dem blauen Baldachin des Himmels von seiner
Krönung zurückkehrte. Es ist etwas Königliches in
diesen breiten, vom Goldstaube der Sonne bedeckten
Wegen, die an Pallästen vorüber, von Pallast zu
Pallast führen. Mich erfreute die unzählbare Men¬
schenmenge. Da fühlte ich mich nicht mehr einsam;
ich war klug unter tausend Klugen, ein Narr unter
tausend Narren, der Betrogene unter tausend Be¬
trogenen. Da sieht man nicht blos Kinder, Mäd¬
chen, Jünglinge, Greise, Frauen; man sieht die
Kindheit, die Jugend, das Alter, das weibliche Ge¬
schlecht. Nichts ist allein, geschieden. Selbst die

liche National-Verſammlung haben. Der franzöſiſche
König ſoll wie früher in Paris thronen, der deutſche
in unſerem Frankfurt, und die National-Verſamm¬
lung jedes Jahr abwechſelnd in Paris oder in Frank¬
furt gehalten werden. Wenn Sie Ihre Nichte O***
beſuchen, benutzen ſie doch die Gelegenheit, mit dem
Koche des Präſidenten der Bundesverſammlung von
unſerem Plane zu ſprechen. Der muß ja die Ge¬
ſinnungen und Anſichten ſeines Herrn am beſten
kennen.

— Die lieben Tuilerien habe ich heute wieder¬
geſehen. Sie hießen mich willkommen, ſie lächelten
mir zu und alles dort war wie zu meinem Empfange
glänzend und feſtlich eingerichtet. Ich fühlte mich
ein Fürſt in der Mitte des fürſtlichen Volkes, das
unter dem blauen Baldachin des Himmels von ſeiner
Krönung zurückkehrte. Es iſt etwas Königliches in
dieſen breiten, vom Goldſtaube der Sonne bedeckten
Wegen, die an Palläſten vorüber, von Pallaſt zu
Pallaſt führen. Mich erfreute die unzählbare Men¬
ſchenmenge. Da fühlte ich mich nicht mehr einſam;
ich war klug unter tauſend Klugen, ein Narr unter
tauſend Narren, der Betrogene unter tauſend Be¬
trogenen. Da ſieht man nicht blos Kinder, Mäd¬
chen, Jünglinge, Greiſe, Frauen; man ſieht die
Kindheit, die Jugend, das Alter, das weibliche Ge¬
ſchlecht. Nichts iſt allein, geſchieden. Selbſt die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0053" n="39"/>
liche National-Ver&#x017F;ammlung haben. Der franzö&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
König &#x017F;oll wie früher in Paris thronen, der deut&#x017F;che<lb/>
in un&#x017F;erem Frankfurt, und die National-Ver&#x017F;amm¬<lb/>
lung jedes Jahr abwech&#x017F;elnd in Paris oder in Frank¬<lb/>
furt gehalten werden. Wenn Sie Ihre Nichte O***<lb/>
be&#x017F;uchen, benutzen &#x017F;ie doch die Gelegenheit, mit dem<lb/>
Koche des Prä&#x017F;identen der Bundesver&#x017F;ammlung von<lb/>
un&#x017F;erem Plane zu &#x017F;prechen. Der muß ja die Ge¬<lb/>
&#x017F;innungen und An&#x017F;ichten &#x017F;eines Herrn am be&#x017F;ten<lb/>
kennen.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Die lieben Tuilerien habe ich heute wieder¬<lb/>
ge&#x017F;ehen. Sie hießen mich willkommen, &#x017F;ie lächelten<lb/>
mir zu und alles dort war wie zu meinem Empfange<lb/>
glänzend und fe&#x017F;tlich eingerichtet. Ich fühlte mich<lb/>
ein Für&#x017F;t in der Mitte des für&#x017F;tlichen Volkes, das<lb/>
unter dem blauen Baldachin des Himmels von &#x017F;einer<lb/>
Krönung zurückkehrte. Es i&#x017F;t etwas Königliches in<lb/>
die&#x017F;en breiten, vom Gold&#x017F;taube der Sonne bedeckten<lb/>
Wegen, die an Pallä&#x017F;ten vorüber, von Palla&#x017F;t zu<lb/>
Palla&#x017F;t führen. Mich erfreute die unzählbare Men¬<lb/>
&#x017F;chenmenge. Da fühlte ich mich nicht mehr ein&#x017F;am;<lb/>
ich war klug unter tau&#x017F;end Klugen, ein Narr unter<lb/>
tau&#x017F;end Narren, der Betrogene unter tau&#x017F;end Be¬<lb/>
trogenen. Da &#x017F;ieht man nicht blos Kinder, Mäd¬<lb/>
chen, Jünglinge, Grei&#x017F;e, Frauen; man &#x017F;ieht die<lb/>
Kindheit, die Jugend, das Alter, das weibliche Ge¬<lb/>
&#x017F;chlecht. Nichts i&#x017F;t allein, ge&#x017F;chieden. Selb&#x017F;t die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0053] liche National-Verſammlung haben. Der franzöſiſche König ſoll wie früher in Paris thronen, der deutſche in unſerem Frankfurt, und die National-Verſamm¬ lung jedes Jahr abwechſelnd in Paris oder in Frank¬ furt gehalten werden. Wenn Sie Ihre Nichte O*** beſuchen, benutzen ſie doch die Gelegenheit, mit dem Koche des Präſidenten der Bundesverſammlung von unſerem Plane zu ſprechen. Der muß ja die Ge¬ ſinnungen und Anſichten ſeines Herrn am beſten kennen. — Die lieben Tuilerien habe ich heute wieder¬ geſehen. Sie hießen mich willkommen, ſie lächelten mir zu und alles dort war wie zu meinem Empfange glänzend und feſtlich eingerichtet. Ich fühlte mich ein Fürſt in der Mitte des fürſtlichen Volkes, das unter dem blauen Baldachin des Himmels von ſeiner Krönung zurückkehrte. Es iſt etwas Königliches in dieſen breiten, vom Goldſtaube der Sonne bedeckten Wegen, die an Palläſten vorüber, von Pallaſt zu Pallaſt führen. Mich erfreute die unzählbare Men¬ ſchenmenge. Da fühlte ich mich nicht mehr einſam; ich war klug unter tauſend Klugen, ein Narr unter tauſend Narren, der Betrogene unter tauſend Be¬ trogenen. Da ſieht man nicht blos Kinder, Mäd¬ chen, Jünglinge, Greiſe, Frauen; man ſieht die Kindheit, die Jugend, das Alter, das weibliche Ge¬ ſchlecht. Nichts iſt allein, geſchieden. Selbſt die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/53
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/53>, abgerufen am 22.12.2024.