Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.ich den Leichtsinn dieses Volkes. Wir Deutschen, die Diesen Mittag stand ich eine halbe Stunde Im Hofe des Louvre's begegnete ich einem ich den Leichtſinn dieſes Volkes. Wir Deutſchen, die Dieſen Mittag ſtand ich eine halbe Stunde Im Hofe des Louvre's begegnete ich einem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0061" n="47"/> ich den Leichtſinn dieſes Volkes. Wir Deutſchen, die<lb/> wir am längſten unter einem ſanften Wolkenfreien<lb/> Traumhimmel leben, ſind rheumatiſch, ſobald wir<lb/> wachen; wir ſpüren jede Erfahrung und jeder Wech¬<lb/> ſel der Empfindung macht uns krank.</p><lb/> <p>Dieſen Mittag ſtand ich eine halbe Stunde<lb/> lang vor dem Eingange des Muſeums, und ergötzte<lb/> mich an der unvergleichlichen Beredtſamkeit, Geiſtes¬<lb/> gegenwart und Keckheit eines Marktſchreiers, der ein<lb/> Mittel gegen Taubheit feil bot, und Mehrere aus<lb/> der umſtehenden Menge, in Zeit von wenigen Mi¬<lb/> nuten von dieſer Krankheit heilte. Als ich unter dem<lb/> herzlichſten Lachen fortging, dachte ich: mit dieſem<lb/> Spaße ernähre ich mich den ganzen Tag. Und er<lb/> dauerte keine drei Minuten lang, reichte keine dreißig<lb/> Schritte weit!</p><lb/> <p>Im Hofe des Louvre's begegnete ich einem<lb/> feierlichen Trauerzuge, deſſen Spitze dort ſtill hielt,<lb/> um ſich zu ordnen. Voraus ein Trupp National¬<lb/> garden, welche dumpfe Trommeln ſchlugen, und dann<lb/> ein unabſehbares Gefolge von ſtillen, ernſten, be¬<lb/> ſcheidenen, meiſtens jungen Bürgern, die paarweiſe<lb/> gingen, und in ihren Reihen viele Fahnen und<lb/> Standarten trugen, welche mit ſchwarzen Flören<lb/> behängt, und deren Inſchriften von Immortellen oder<lb/> Lorbeeren bekränzt waren. Ich ſah, fragte und als<lb/> ich die Bedeutung erfuhr, fing mein Blut, das kurz<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0061]
ich den Leichtſinn dieſes Volkes. Wir Deutſchen, die
wir am längſten unter einem ſanften Wolkenfreien
Traumhimmel leben, ſind rheumatiſch, ſobald wir
wachen; wir ſpüren jede Erfahrung und jeder Wech¬
ſel der Empfindung macht uns krank.
Dieſen Mittag ſtand ich eine halbe Stunde
lang vor dem Eingange des Muſeums, und ergötzte
mich an der unvergleichlichen Beredtſamkeit, Geiſtes¬
gegenwart und Keckheit eines Marktſchreiers, der ein
Mittel gegen Taubheit feil bot, und Mehrere aus
der umſtehenden Menge, in Zeit von wenigen Mi¬
nuten von dieſer Krankheit heilte. Als ich unter dem
herzlichſten Lachen fortging, dachte ich: mit dieſem
Spaße ernähre ich mich den ganzen Tag. Und er
dauerte keine drei Minuten lang, reichte keine dreißig
Schritte weit!
Im Hofe des Louvre's begegnete ich einem
feierlichen Trauerzuge, deſſen Spitze dort ſtill hielt,
um ſich zu ordnen. Voraus ein Trupp National¬
garden, welche dumpfe Trommeln ſchlugen, und dann
ein unabſehbares Gefolge von ſtillen, ernſten, be¬
ſcheidenen, meiſtens jungen Bürgern, die paarweiſe
gingen, und in ihren Reihen viele Fahnen und
Standarten trugen, welche mit ſchwarzen Flören
behängt, und deren Inſchriften von Immortellen oder
Lorbeeren bekränzt waren. Ich ſah, fragte und als
ich die Bedeutung erfuhr, fing mein Blut, das kurz
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