Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.die jetzt vom Greve-Platze hinüberführt und setzte die jetzt vom Greve-Platze hinüberführt und ſetzte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0064" n="50"/> die jetzt vom Greve-Platze hinüberführt und ſetzte<lb/> mich auf eine der Bänke dort, um auszuruhen. Ich<lb/> ſah den Strom hinab, maß die kurze Entfernung<lb/> zwiſchen dem Louvre, wo Frankreichs Könige herrſch¬<lb/> ten, und dem Revolutions-Platze, wo ſie gerichtet<lb/> wurden von ihrem Volke, und ich erſtaunte, daß die<lb/> Gerechtigkeit, wenn auch eine Schnecke, ſo lange<lb/> Zeit gebrauchte, dieſen kurzen Weg zurückzulegen.<lb/> Zwiſchen der Bartholomäus-Nacht und der Erobe¬<lb/> rung der Baſtille ſind mehr als zwei Jahrhunderte<lb/> verfloſſen. Heillos wuchert die Rache der Könige;<lb/> aber die edle Rache der Völker hat niemals Zinſen<lb/> begehret! Man kann ungeſtört träumen auf dieſer<lb/> Brücke. Sie iſt nur für Fußgänger, und ſo oft<lb/> einer darüber ging, zitterte die Brücke unter mir<lb/> und mir zitterte das Herz in der Bruſt. Hier, hier<lb/> an dieſer Stelle, wo ich ſaß, fiel in den Juli-<lb/> Tagen ein edler Jüngling für die Freiheit. Noch iſt<lb/> kein Winter über ſein Grab gegangen, noch hat kein<lb/> Sturm die Aſche ſeines Herzens abgekühlt. Die<lb/> Königlichen hatten den Greve-Platz beſetzt, und<lb/> ſchoſſen über den Fluß, die von jenſeits andrängenden<lb/> Studenten abzuhalten. Da trat ein Zögling der<lb/> polytechniſchen Schule hervor, und ſprach: „Freunde,<lb/> wir müſſen die Brücke erſtürmen. Folgt mir! Wenn<lb/> ich falle gedenket meiner. Ich heiße <hi rendition="#g">d'Arcole</hi>; es<lb/> iſt ein Name guter Vorbedeutung. Hinauf!“ Er<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0064]
die jetzt vom Greve-Platze hinüberführt und ſetzte
mich auf eine der Bänke dort, um auszuruhen. Ich
ſah den Strom hinab, maß die kurze Entfernung
zwiſchen dem Louvre, wo Frankreichs Könige herrſch¬
ten, und dem Revolutions-Platze, wo ſie gerichtet
wurden von ihrem Volke, und ich erſtaunte, daß die
Gerechtigkeit, wenn auch eine Schnecke, ſo lange
Zeit gebrauchte, dieſen kurzen Weg zurückzulegen.
Zwiſchen der Bartholomäus-Nacht und der Erobe¬
rung der Baſtille ſind mehr als zwei Jahrhunderte
verfloſſen. Heillos wuchert die Rache der Könige;
aber die edle Rache der Völker hat niemals Zinſen
begehret! Man kann ungeſtört träumen auf dieſer
Brücke. Sie iſt nur für Fußgänger, und ſo oft
einer darüber ging, zitterte die Brücke unter mir
und mir zitterte das Herz in der Bruſt. Hier, hier
an dieſer Stelle, wo ich ſaß, fiel in den Juli-
Tagen ein edler Jüngling für die Freiheit. Noch iſt
kein Winter über ſein Grab gegangen, noch hat kein
Sturm die Aſche ſeines Herzens abgekühlt. Die
Königlichen hatten den Greve-Platz beſetzt, und
ſchoſſen über den Fluß, die von jenſeits andrängenden
Studenten abzuhalten. Da trat ein Zögling der
polytechniſchen Schule hervor, und ſprach: „Freunde,
wir müſſen die Brücke erſtürmen. Folgt mir! Wenn
ich falle gedenket meiner. Ich heiße d'Arcole; es
iſt ein Name guter Vorbedeutung. Hinauf!“ Er
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |