der verworrenen Geographie ihrer Länderlein, und den Verzweigungen ihrer Familie! Das war ein Linienwerk wie in der flachen Hand; man mußte eine Zigeunerin seyn, um daraus klug zu werden. Die Familienhäupter heißen alle Heinrich und sich von einander zu unterscheiden, sind sie numerirt. Der Eine heißt Heinrich XVIII., der Andere Hein¬ rich LX., der Dritte Heinrich LXIII., der Vierte Heinrich LXX. Das Ein-Mal-Eins geht nicht weiter, und das sollten wir armen Kinder alle aus¬ wendig lernen für die nächste Ostern-Prüfung. Ich lernte damals lieber die Geographie von Aegypten, wo gerade Buonaparte durchzog. Wenn mein sanfter Lehrer, Doctor Schapper, mich in den Pyramiden ertappte, sagte er mit feiner Kindbetterin-Stimme: das ist auch nützlich; aber mit der vaterländischen Geographie muß man den Grund legen. Nun schwöre ich es Ihnen bei der heiligen Ignoranz, daß wenn ich jetzt auf der Stelle nach Cairo reisen müßte, ich ganz genau den Weg wüßte, den ich zu nehmen; wenn aber nach dem Lande Reuß, müßte ich erst hinüber und herüber im Postbuche nachschla¬ gen. In welchem Theile von Deutschland Gera liegt, oben, unten, rechts, links -- ich weiß es wahrhaftig nicht. Aber so viel weiß ich, daß man Gera mit allen seinen Einwohnern in die Richelieu¬
der verworrenen Geographie ihrer Länderlein, und den Verzweigungen ihrer Familie! Das war ein Linienwerk wie in der flachen Hand; man mußte eine Zigeunerin ſeyn, um daraus klug zu werden. Die Familienhäupter heißen alle Heinrich und ſich von einander zu unterſcheiden, ſind ſie numerirt. Der Eine heißt Heinrich XVIII., der Andere Hein¬ rich LX., der Dritte Heinrich LXIII., der Vierte Heinrich LXX. Das Ein-Mal-Eins geht nicht weiter, und das ſollten wir armen Kinder alle aus¬ wendig lernen für die nächſte Oſtern-Prüfung. Ich lernte damals lieber die Geographie von Aegypten, wo gerade Buonaparte durchzog. Wenn mein ſanfter Lehrer, Doctor Schapper, mich in den Pyramiden ertappte, ſagte er mit feiner Kindbetterin-Stimme: das iſt auch nützlich; aber mit der vaterländiſchen Geographie muß man den Grund legen. Nun ſchwöre ich es Ihnen bei der heiligen Ignoranz, daß wenn ich jetzt auf der Stelle nach Cairo reiſen müßte, ich ganz genau den Weg wüßte, den ich zu nehmen; wenn aber nach dem Lande Reuß, müßte ich erſt hinüber und herüber im Poſtbuche nachſchla¬ gen. In welchem Theile von Deutſchland Gera liegt, oben, unten, rechts, links — ich weiß es wahrhaftig nicht. Aber ſo viel weiß ich, daß man Gera mit allen ſeinen Einwohnern in die Richelieu¬
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der verworrenen Geographie ihrer Länderlein, und
den Verzweigungen ihrer Familie! Das war ein
Linienwerk wie in der flachen Hand; man mußte
eine Zigeunerin ſeyn, um daraus klug zu werden.
Die Familienhäupter heißen alle Heinrich und ſich
von einander zu unterſcheiden, ſind ſie numerirt.
Der Eine heißt Heinrich XVIII., der Andere Hein¬
rich LX., der Dritte Heinrich LXIII., der Vierte
Heinrich LXX. Das Ein-Mal-Eins geht nicht
weiter, und das ſollten wir armen Kinder alle aus¬
wendig lernen für die nächſte Oſtern-Prüfung. Ich
lernte damals lieber die Geographie von Aegypten,
wo gerade Buonaparte durchzog. Wenn mein ſanfter
Lehrer, Doctor Schapper, mich in den Pyramiden
ertappte, ſagte er mit feiner Kindbetterin-Stimme:
das iſt auch nützlich; aber mit der vaterländiſchen
Geographie muß man den Grund legen. Nun
ſchwöre ich es Ihnen bei der heiligen Ignoranz,
daß wenn ich jetzt auf der Stelle nach Cairo reiſen
müßte, ich ganz genau den Weg wüßte, den ich zu
nehmen; wenn aber nach dem Lande Reuß, müßte
ich erſt hinüber und herüber im Poſtbuche nachſchla¬
gen. In welchem Theile von Deutſchland Gera
liegt, oben, unten, rechts, links — ich weiß es
wahrhaftig nicht. Aber ſo viel weiß ich, daß man
Gera mit allen ſeinen Einwohnern in die Richelieu¬
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/69>, abgerufen am 17.05.2024.
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