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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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Gestern am achtzehnten Oktober, am Jahres¬
tage der Leipziger Schlacht und der Befreiung
Deutschlands, fing es mich zu frieren an, und da
ließ ich zum erstenmale Feuer machen. Jetzt brennt
es so schön hell im Kamine, daß mir die Augen
übergehen. Der Preis des Holzes ist ungeheuer.
Man kann berechnen, wie viel einem jedes Scheit
kostet; die Asche ist wie geschmolzenes Silber. Da¬
bei gedachte ich wieder mit Rührung meines, nicht
theuern, sondern im Gegentheile wohlfeilen Vater¬
landes. Als meine Wirthin mich seufzen hörte und
sah, wie ich aus Oekonomie die Hände über den
Kopf zusammenschlug, tröstete sie mich mit den Wor¬
ten: mais c'est tout ce qu'il y a de plus beau
en bois
! Diese kleine Frau gibt einem die schön¬
sten Redensarten, aber sie sind kostspielig. Den
Miethpreis der Zimmer, den ich zu hoch fand, her¬
abzustimmen, gelang aller meiner Beredsamkeit nicht.
Sie widerlegte mich mit der unwiderleglichen Bemer¬
kung: Der englische Ort sei doch ganz aller¬
liebst -- mais vous avez un lieu anglais qui est
charmant
. Die reichen Engländer setzen viel Ge¬
wicht darauf, und der arme Deutsche muß das mit
bezahlen.

Ich habe mit einigen deutschen Zeitungs-Redak¬
teuren Verbindungen angeknüpft, um eine Correspon¬
denz zu übernehmen, die mir das allerschönste Holz

Geſtern am achtzehnten Oktober, am Jahres¬
tage der Leipziger Schlacht und der Befreiung
Deutſchlands, fing es mich zu frieren an, und da
ließ ich zum erſtenmale Feuer machen. Jetzt brennt
es ſo ſchön hell im Kamine, daß mir die Augen
übergehen. Der Preis des Holzes iſt ungeheuer.
Man kann berechnen, wie viel einem jedes Scheit
koſtet; die Aſche iſt wie geſchmolzenes Silber. Da¬
bei gedachte ich wieder mit Rührung meines, nicht
theuern, ſondern im Gegentheile wohlfeilen Vater¬
landes. Als meine Wirthin mich ſeufzen hörte und
ſah, wie ich aus Oekonomie die Hände über den
Kopf zuſammenſchlug, tröſtete ſie mich mit den Wor¬
ten: mais c'est tout ce qu'il y a de plus beau
en bois
! Dieſe kleine Frau gibt einem die ſchön¬
ſten Redensarten, aber ſie ſind koſtſpielig. Den
Miethpreis der Zimmer, den ich zu hoch fand, her¬
abzuſtimmen, gelang aller meiner Beredſamkeit nicht.
Sie widerlegte mich mit der unwiderleglichen Bemer¬
kung: Der engliſche Ort ſei doch ganz aller¬
liebſt — mais vous avez un lieu anglais qui est
charmant
. Die reichen Engländer ſetzen viel Ge¬
wicht darauf, und der arme Deutſche muß das mit
bezahlen.

Ich habe mit einigen deutſchen Zeitungs-Redak¬
teuren Verbindungen angeknüpft, um eine Correſpon¬
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[66/0080] Geſtern am achtzehnten Oktober, am Jahres¬ tage der Leipziger Schlacht und der Befreiung Deutſchlands, fing es mich zu frieren an, und da ließ ich zum erſtenmale Feuer machen. Jetzt brennt es ſo ſchön hell im Kamine, daß mir die Augen übergehen. Der Preis des Holzes iſt ungeheuer. Man kann berechnen, wie viel einem jedes Scheit koſtet; die Aſche iſt wie geſchmolzenes Silber. Da¬ bei gedachte ich wieder mit Rührung meines, nicht theuern, ſondern im Gegentheile wohlfeilen Vater¬ landes. Als meine Wirthin mich ſeufzen hörte und ſah, wie ich aus Oekonomie die Hände über den Kopf zuſammenſchlug, tröſtete ſie mich mit den Wor¬ ten: mais c'est tout ce qu'il y a de plus beau en bois! Dieſe kleine Frau gibt einem die ſchön¬ ſten Redensarten, aber ſie ſind koſtſpielig. Den Miethpreis der Zimmer, den ich zu hoch fand, her¬ abzuſtimmen, gelang aller meiner Beredſamkeit nicht. Sie widerlegte mich mit der unwiderleglichen Bemer¬ kung: Der engliſche Ort ſei doch ganz aller¬ liebſt — mais vous avez un lieu anglais qui est charmant. Die reichen Engländer ſetzen viel Ge¬ wicht darauf, und der arme Deutſche muß das mit bezahlen. Ich habe mit einigen deutſchen Zeitungs-Redak¬ teuren Verbindungen angeknüpft, um eine Correſpon¬ denz zu übernehmen, die mir das allerſchönſte Holz

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/80>, abgerufen am 22.12.2024.