Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.hören, was ich nicht Lust habe zu hören, muß spre¬ -- Was sagen Sie zu Antwerpen? Ist es hören, was ich nicht Luſt habe zu hören, muß ſpre¬ — Was ſagen Sie zu Antwerpen? Iſt es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0096" n="82"/> hören, was ich nicht Luſt habe zu hören, muß ſpre¬<lb/> chen, wenn ich nicht Luſt habe zu ſprechen, und<lb/> muß ſchweigen, wenn ich reden möchte. Sie iſt eine<lb/> wahre Krämerei, die ſogenannte geſellſchaftliche Un¬<lb/> terhaltung. Was man in Centnern eingekauft, ſetzt<lb/> man lothweiſe ab. Wie ſelten trifft man einen<lb/> Menſchen, mit dem man <hi rendition="#g">en gros</hi> ſprechen kann!<lb/> Wem, wie mir, ſeine Meinungen zugleich Geſin¬<lb/> nungen ſind, wem der Kopf nur die Pairskammer<lb/> iſt, das Herz aber die volksthümlichere Deputirten¬<lb/> kammer, der kann ſich nicht in Geſellſchaften behag¬<lb/> lich fühlen, wo der ariſtokratiſche Geiſt allein Geſetze<lb/> gibt. Drei, höchſtens fünf Freunde, oder dann<lb/> Markt oder ein Buch — ſo liebe ich es. Das iſt<lb/> die Philoſophie meiner Trägheit. Dazu kömmt noch,<lb/> daß ich, wie gewöhnlich auf meinen Reiſen, ohne<lb/> alle Empfehlungsbriefe hierher gekommen. Zwar<lb/> braucht man ſie in Paris weniger als an andern<lb/> Orten, hier wird man leicht von einem Bekannten<lb/> zu einem Unbekannten geführt und ſo geht es ſchnell<lb/> fort; aber ſich vorſtellen zu laſſen, mit anhören zu<lb/> müſſen, <hi rendition="#g">wer</hi> und <hi rendition="#g">was</hi> man iſt, ſich unverdient,<lb/> und was noch ſchlimmer, ſich verdient loben zu<lb/> hören — das thut einem doch gar zu kurios!</p><lb/> <p>— Was ſagen Sie zu Antwerpen? Iſt es<lb/> nicht ein Jammer, daß einem das Herz blutet? Iſt<lb/> je ſo eine Schändlichkeit begangen worden? ....<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0096]
hören, was ich nicht Luſt habe zu hören, muß ſpre¬
chen, wenn ich nicht Luſt habe zu ſprechen, und
muß ſchweigen, wenn ich reden möchte. Sie iſt eine
wahre Krämerei, die ſogenannte geſellſchaftliche Un¬
terhaltung. Was man in Centnern eingekauft, ſetzt
man lothweiſe ab. Wie ſelten trifft man einen
Menſchen, mit dem man en gros ſprechen kann!
Wem, wie mir, ſeine Meinungen zugleich Geſin¬
nungen ſind, wem der Kopf nur die Pairskammer
iſt, das Herz aber die volksthümlichere Deputirten¬
kammer, der kann ſich nicht in Geſellſchaften behag¬
lich fühlen, wo der ariſtokratiſche Geiſt allein Geſetze
gibt. Drei, höchſtens fünf Freunde, oder dann
Markt oder ein Buch — ſo liebe ich es. Das iſt
die Philoſophie meiner Trägheit. Dazu kömmt noch,
daß ich, wie gewöhnlich auf meinen Reiſen, ohne
alle Empfehlungsbriefe hierher gekommen. Zwar
braucht man ſie in Paris weniger als an andern
Orten, hier wird man leicht von einem Bekannten
zu einem Unbekannten geführt und ſo geht es ſchnell
fort; aber ſich vorſtellen zu laſſen, mit anhören zu
müſſen, wer und was man iſt, ſich unverdient,
und was noch ſchlimmer, ſich verdient loben zu
hören — das thut einem doch gar zu kurios!
— Was ſagen Sie zu Antwerpen? Iſt es
nicht ein Jammer, daß einem das Herz blutet? Iſt
je ſo eine Schändlichkeit begangen worden? ....
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