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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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dringt durch Stein und Eisen und bleibt in einem
Misthaufen stecken. Nichts erwarte ich von dieser
Schafheerde. Was wir in den letzten Zeiten gesehen,
das war die bekannte Drehkrankheit. Woher kommt
dieser Lakaien-Charakter der Deutschen? -- Ich weiß
es nicht; aber sie waren immer so gewesen. Man
glaubt, das Volk stamme aus Asien. Vielleicht wa¬
ren sie dort eine Art Paria-Kaste, die es endlich nicht
mehr aushalten konnte und wegzog. Aber der Hund,
der sich von der Kette losreißt, bleibt immer Hund,
er wechselt nur den Herrn. Die alten Deutschen
waren zwar freier, aber nicht frei gesinnter als die
heutigen. Wer nicht viel hat, kann nicht viel be¬
steuert werden, und die alten Deutschen waren rohe
Wilde; ohne leiblichen, ohne geistigen Besitz. Aber
was sie hatten, gaben sie immer hin für ihre An¬
führer, die sie freiwillig suchten. Sie lebten und
starben für sie, und zu Hause verwürfelten sie ihren
eignen Leib, wenn sie kein Geld mehr zu verlieren
hatten. Dienstbarkeit, Trunkenheit, Spielsucht, das
sind die Tugenden unserer Ahnen. Ich erinnere mich
aus meinen Schuljahren eines Deklamations-Gedichts,
das fing so an: Die alten Deutschen waren nicht
schmeidig wie der Aal -- doch Löwen in Gefahren
-- und Lämmer beim Pokal. -- Geschmeidig sind
wir noch heute nicht; Löwen sind wir noch in Ge¬

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dringt durch Stein und Eiſen und bleibt in einem
Miſthaufen ſtecken. Nichts erwarte ich von dieſer
Schafheerde. Was wir in den letzten Zeiten geſehen,
das war die bekannte Drehkrankheit. Woher kommt
dieſer Lakaien-Charakter der Deutſchen? — Ich weiß
es nicht; aber ſie waren immer ſo geweſen. Man
glaubt, das Volk ſtamme aus Aſien. Vielleicht wa¬
ren ſie dort eine Art Paria-Kaſte, die es endlich nicht
mehr aushalten konnte und wegzog. Aber der Hund,
der ſich von der Kette losreißt, bleibt immer Hund,
er wechſelt nur den Herrn. Die alten Deutſchen
waren zwar freier, aber nicht frei geſinnter als die
heutigen. Wer nicht viel hat, kann nicht viel be¬
ſteuert werden, und die alten Deutſchen waren rohe
Wilde; ohne leiblichen, ohne geiſtigen Beſitz. Aber
was ſie hatten, gaben ſie immer hin für ihre An¬
führer, die ſie freiwillig ſuchten. Sie lebten und
ſtarben für ſie, und zu Hauſe verwürfelten ſie ihren
eignen Leib, wenn ſie kein Geld mehr zu verlieren
hatten. Dienſtbarkeit, Trunkenheit, Spielſucht, das
ſind die Tugenden unſerer Ahnen. Ich erinnere mich
aus meinen Schuljahren eines Deklamations-Gedichts,
das fing ſo an: Die alten Deutſchen waren nicht
ſchmeidig wie der Aal — doch Löwen in Gefahren
— und Lämmer beim Pokal. — Geſchmeidig ſind
wir noch heute nicht; Löwen ſind wir noch in Ge¬

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[3/0017] dringt durch Stein und Eiſen und bleibt in einem Miſthaufen ſtecken. Nichts erwarte ich von dieſer Schafheerde. Was wir in den letzten Zeiten geſehen, das war die bekannte Drehkrankheit. Woher kommt dieſer Lakaien-Charakter der Deutſchen? — Ich weiß es nicht; aber ſie waren immer ſo geweſen. Man glaubt, das Volk ſtamme aus Aſien. Vielleicht wa¬ ren ſie dort eine Art Paria-Kaſte, die es endlich nicht mehr aushalten konnte und wegzog. Aber der Hund, der ſich von der Kette losreißt, bleibt immer Hund, er wechſelt nur den Herrn. Die alten Deutſchen waren zwar freier, aber nicht frei geſinnter als die heutigen. Wer nicht viel hat, kann nicht viel be¬ ſteuert werden, und die alten Deutſchen waren rohe Wilde; ohne leiblichen, ohne geiſtigen Beſitz. Aber was ſie hatten, gaben ſie immer hin für ihre An¬ führer, die ſie freiwillig ſuchten. Sie lebten und ſtarben für ſie, und zu Hauſe verwürfelten ſie ihren eignen Leib, wenn ſie kein Geld mehr zu verlieren hatten. Dienſtbarkeit, Trunkenheit, Spielſucht, das ſind die Tugenden unſerer Ahnen. Ich erinnere mich aus meinen Schuljahren eines Deklamations-Gedichts, das fing ſo an: Die alten Deutſchen waren nicht ſchmeidig wie der Aal — doch Löwen in Gefahren — und Lämmer beim Pokal. — Geſchmeidig ſind wir noch heute nicht; Löwen ſind wir noch in Ge¬ 1*

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/17>, abgerufen am 21.11.2024.