Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Musik scheint mir noch das Beste, was Rossini ge¬ Muſik ſcheint mir noch das Beſte, was Roſſini ge¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022" n="8"/> Muſik ſcheint mir noch das Beſte, was Roſſini ge¬<lb/> macht. Uebrigens bekümmerte ich mich nicht darum,<lb/> und ich glaube die Malibran auch nicht. Was aber<lb/> die Weiber ſchwache Nerven haben, wenn ſie nicht<lb/> präparirt ſind! Dieſe Malibran, die doch den gan¬<lb/> zen Abend ſo unerſchrocken durch Waſſer und Feuer<lb/> ging und alle Elemente aushielt, ohne zu zucken —<lb/> ich ſah ſie vor Schrecken zuſammenfahren wie ein<lb/> Schäfchen, als einmal hinter den Couliſſen etwas<lb/> wie ein Leuchter von der Decke herabſtürzte! .. Es<lb/> Ihnen proſaiſch zu wiederholen: die Malibran iſt die<lb/> größte Schauſpielerin, die ich je geſehen. In der<lb/> heftigſten Bewegung zeigte ſie jene wahre antike<lb/> Ruhe, die wir an den griechiſchen Tragödien bewun¬<lb/> dern, und welche wahrſcheinlich auch die Schauſpie¬<lb/> ler der Alten hatten. Darum, des rechten Maßes<lb/> ſich bewußt, ſpielt ſie auch mit einer Kühnheit, die<lb/> eine Andere ſich nicht erlauben dürfte. Sie klam¬<lb/> merte ſich flehend an den Mantel des wüthenden<lb/> Othello oder ihres erzürnten Vaters, ſie umſchnürt<lb/> ihre Hände mit den Falten des Kleides, ſie zerrt<lb/> daran — eine Linie weiter und es wäre lächerlich,<lb/> es ſähe aus, als wolle ſie ihnen die Kleider vom<lb/> Leibe reißen; aber ſie überſchreitet dieſe Linie nicht<lb/> und ſie iſt erhaben. Und ihr Geſang! Gibt es<lb/> denn mehr als eine Art, darf man den anders ſin¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0022]
Muſik ſcheint mir noch das Beſte, was Roſſini ge¬
macht. Uebrigens bekümmerte ich mich nicht darum,
und ich glaube die Malibran auch nicht. Was aber
die Weiber ſchwache Nerven haben, wenn ſie nicht
präparirt ſind! Dieſe Malibran, die doch den gan¬
zen Abend ſo unerſchrocken durch Waſſer und Feuer
ging und alle Elemente aushielt, ohne zu zucken —
ich ſah ſie vor Schrecken zuſammenfahren wie ein
Schäfchen, als einmal hinter den Couliſſen etwas
wie ein Leuchter von der Decke herabſtürzte! .. Es
Ihnen proſaiſch zu wiederholen: die Malibran iſt die
größte Schauſpielerin, die ich je geſehen. In der
heftigſten Bewegung zeigte ſie jene wahre antike
Ruhe, die wir an den griechiſchen Tragödien bewun¬
dern, und welche wahrſcheinlich auch die Schauſpie¬
ler der Alten hatten. Darum, des rechten Maßes
ſich bewußt, ſpielt ſie auch mit einer Kühnheit, die
eine Andere ſich nicht erlauben dürfte. Sie klam¬
merte ſich flehend an den Mantel des wüthenden
Othello oder ihres erzürnten Vaters, ſie umſchnürt
ihre Hände mit den Falten des Kleides, ſie zerrt
daran — eine Linie weiter und es wäre lächerlich,
es ſähe aus, als wolle ſie ihnen die Kleider vom
Leibe reißen; aber ſie überſchreitet dieſe Linie nicht
und ſie iſt erhaben. Und ihr Geſang! Gibt es
denn mehr als eine Art, darf man den anders ſin¬
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