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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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gegen Rang- und Beamtenstolz. Nun kann zwar
eine geschickte Hand von solchem ausgedroschenen
Stroh artige Sachen flechten, Hüte, Körbe und an¬
dere Spielereien; aber in der todten Briefen ist es
rohes Lagerstroh geblieben, es gerade in den Stall
zu werfen; und nicht aus Liebe zur Gleichheit eifert
der hohe Herr gegen den lächerlichen Dienerstolz
der Deutschen, sondern aus adligem Hochmuthe. Er
will, daß nicht Amt oder Titel, sondern Geburt al¬
lein den Rang in der bürgerlichen Gesellschaft be¬
stimme. Dann kommt eine Satire gegen die Ber¬
liner Mystiker, die wahrlich eine bessere verdient
hätten. Da wird das ganze Alphabet durchgeklatscht
und hundert Anekdötchen erzählt. Braucht es mehr
in dem preßzahmen Berlin, um Aufmerksamkeit zu
erwecken? Und den Verstorbenen trieb die Preßfrei¬
heit noch weiter -- er sagt es gerade heraus: Der
Graf Brühl in Berlin, der General-Direktor der
Schauspiele, zu seiner Zeit der zweite Mann im
preußischen Staate -- kostümire auf dem Theater die
Tempelritter ganz falsch, wie er sich aus dem Grab¬
steine eines Templers, den er in Irland gesehen,
vollkommen überzeugt habe! Der Verfasser soll ein
Fürst seyn; das ist schön. Da unsere bürgerlichen
Schriftsteller nun einmal keine Leute von Welt wer¬
den wollen, so bleibt, diesen näher zu kommen, nichts

gegen Rang- und Beamtenſtolz. Nun kann zwar
eine geſchickte Hand von ſolchem ausgedroſchenen
Stroh artige Sachen flechten, Hüte, Körbe und an¬
dere Spielereien; aber in der todten Briefen iſt es
rohes Lagerſtroh geblieben, es gerade in den Stall
zu werfen; und nicht aus Liebe zur Gleichheit eifert
der hohe Herr gegen den lächerlichen Dienerſtolz
der Deutſchen, ſondern aus adligem Hochmuthe. Er
will, daß nicht Amt oder Titel, ſondern Geburt al¬
lein den Rang in der bürgerlichen Geſellſchaft be¬
ſtimme. Dann kommt eine Satire gegen die Ber¬
liner Myſtiker, die wahrlich eine beſſere verdient
hätten. Da wird das ganze Alphabet durchgeklatſcht
und hundert Anekdötchen erzählt. Braucht es mehr
in dem preßzahmen Berlin, um Aufmerkſamkeit zu
erwecken? Und den Verſtorbenen trieb die Preßfrei¬
heit noch weiter — er ſagt es gerade heraus: Der
Graf Brühl in Berlin, der General-Direktor der
Schauſpiele, zu ſeiner Zeit der zweite Mann im
preußiſchen Staate — koſtümire auf dem Theater die
Tempelritter ganz falſch, wie er ſich aus dem Grab¬
ſteine eines Templers, den er in Irland geſehen,
vollkommen überzeugt habe! Der Verfaſſer ſoll ein
Fürſt ſeyn; das iſt ſchön. Da unſere bürgerlichen
Schriftſteller nun einmal keine Leute von Welt wer¬
den wollen, ſo bleibt, dieſen näher zu kommen, nichts

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[39/0053] gegen Rang- und Beamtenſtolz. Nun kann zwar eine geſchickte Hand von ſolchem ausgedroſchenen Stroh artige Sachen flechten, Hüte, Körbe und an¬ dere Spielereien; aber in der todten Briefen iſt es rohes Lagerſtroh geblieben, es gerade in den Stall zu werfen; und nicht aus Liebe zur Gleichheit eifert der hohe Herr gegen den lächerlichen Dienerſtolz der Deutſchen, ſondern aus adligem Hochmuthe. Er will, daß nicht Amt oder Titel, ſondern Geburt al¬ lein den Rang in der bürgerlichen Geſellſchaft be¬ ſtimme. Dann kommt eine Satire gegen die Ber¬ liner Myſtiker, die wahrlich eine beſſere verdient hätten. Da wird das ganze Alphabet durchgeklatſcht und hundert Anekdötchen erzählt. Braucht es mehr in dem preßzahmen Berlin, um Aufmerkſamkeit zu erwecken? Und den Verſtorbenen trieb die Preßfrei¬ heit noch weiter — er ſagt es gerade heraus: Der Graf Brühl in Berlin, der General-Direktor der Schauſpiele, zu ſeiner Zeit der zweite Mann im preußiſchen Staate — koſtümire auf dem Theater die Tempelritter ganz falſch, wie er ſich aus dem Grab¬ ſteine eines Templers, den er in Irland geſehen, vollkommen überzeugt habe! Der Verfaſſer ſoll ein Fürſt ſeyn; das iſt ſchön. Da unſere bürgerlichen Schriftſteller nun einmal keine Leute von Welt wer¬ den wollen, ſo bleibt, dieſen näher zu kommen, nichts

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/53>, abgerufen am 05.12.2024.