schmachvollen Unterwerfung vorgezogen. Die Unglücklichen! Das Korps des Generals Ry¬ binski, das sich nach der preußischen Grenze zurückgezogen, ist dort im jammervollsten Zu¬ stande angekommen. Alle, die Mitglieder der National-Versammlung, Minister, Generale, Magistratspersonen, Offiziere, Soldaten, sogar die Weiber und Kinder, wanderten barfus durch den Koth, und sehr wenige hatten eine Kopf¬ bedeckung. Selbst der Generalissimus Rybinski hat weder Hut noch Mantel. Und als sie in solcher Erschöpfung das preußische Gebiet er¬ reicht, war die erste Sorge der preußischen Behörden, alle Minister und Senatoren in ein Kloster zu sperren, und dort mußten sie fünf¬ zehn Stunden ohne Nahrung zubringen! Und so ein Würzburger Professor, der im Schlaf¬ rocke am Kamin sitzt und Bier trinkend seine Reden ausarbeitet, sagt seinen Federgenossen, sie hätten lang genug gekämpft, Heldenmuth
ſchmachvollen Unterwerfung vorgezogen. Die Ungluͤcklichen! Das Korps des Generals Ry¬ binski, das ſich nach der preußiſchen Grenze zuruͤckgezogen, iſt dort im jammervollſten Zu¬ ſtande angekommen. Alle, die Mitglieder der National-Verſammlung, Miniſter, Generale, Magiſtratsperſonen, Offiziere, Soldaten, ſogar die Weiber und Kinder, wanderten barfus durch den Koth, und ſehr wenige hatten eine Kopf¬ bedeckung. Selbſt der Generaliſſimus Rybinski hat weder Hut noch Mantel. Und als ſie in ſolcher Erſchoͤpfung das preußiſche Gebiet er¬ reicht, war die erſte Sorge der preußiſchen Behoͤrden, alle Miniſter und Senatoren in ein Kloſter zu ſperren, und dort mußten ſie fuͤnf¬ zehn Stunden ohne Nahrung zubringen! Und ſo ein Wuͤrzburger Profeſſor, der im Schlaf¬ rocke am Kamin ſitzt und Bier trinkend ſeine Reden ausarbeitet, ſagt ſeinen Federgenoſſen, ſie haͤtten lang genug gekaͤmpft, Heldenmuth
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0138"n="124"/>ſchmachvollen Unterwerfung vorgezogen. Die<lb/>
Ungluͤcklichen! Das Korps des Generals Ry¬<lb/>
binski, das ſich nach der preußiſchen Grenze<lb/>
zuruͤckgezogen, iſt dort im jammervollſten Zu¬<lb/>ſtande angekommen. Alle, die Mitglieder der<lb/>
National-Verſammlung, Miniſter, Generale,<lb/>
Magiſtratsperſonen, Offiziere, Soldaten, ſogar<lb/>
die Weiber und Kinder, wanderten barfus durch<lb/>
den Koth, und ſehr wenige hatten eine Kopf¬<lb/>
bedeckung. Selbſt der Generaliſſimus Rybinski<lb/>
hat weder Hut noch Mantel. Und als ſie in<lb/>ſolcher Erſchoͤpfung das preußiſche Gebiet er¬<lb/>
reicht, war die erſte Sorge der preußiſchen<lb/>
Behoͤrden, alle Miniſter und Senatoren in ein<lb/>
Kloſter zu ſperren, und dort mußten ſie fuͤnf¬<lb/>
zehn Stunden ohne Nahrung zubringen! Und<lb/>ſo ein Wuͤrzburger Profeſſor, der im Schlaf¬<lb/>
rocke am Kamin ſitzt und Bier trinkend ſeine<lb/>
Reden ausarbeitet, ſagt ſeinen Federgenoſſen,<lb/>ſie haͤtten lang genug gekaͤmpft, Heldenmuth<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[124/0138]
ſchmachvollen Unterwerfung vorgezogen. Die
Ungluͤcklichen! Das Korps des Generals Ry¬
binski, das ſich nach der preußiſchen Grenze
zuruͤckgezogen, iſt dort im jammervollſten Zu¬
ſtande angekommen. Alle, die Mitglieder der
National-Verſammlung, Miniſter, Generale,
Magiſtratsperſonen, Offiziere, Soldaten, ſogar
die Weiber und Kinder, wanderten barfus durch
den Koth, und ſehr wenige hatten eine Kopf¬
bedeckung. Selbſt der Generaliſſimus Rybinski
hat weder Hut noch Mantel. Und als ſie in
ſolcher Erſchoͤpfung das preußiſche Gebiet er¬
reicht, war die erſte Sorge der preußiſchen
Behoͤrden, alle Miniſter und Senatoren in ein
Kloſter zu ſperren, und dort mußten ſie fuͤnf¬
zehn Stunden ohne Nahrung zubringen! Und
ſo ein Wuͤrzburger Profeſſor, der im Schlaf¬
rocke am Kamin ſitzt und Bier trinkend ſeine
Reden ausarbeitet, ſagt ſeinen Federgenoſſen,
ſie haͤtten lang genug gekaͤmpft, Heldenmuth
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/138>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.