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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

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liert, kann sie auf hundert Wegen wieder fin¬
den. Sein ganzes Leben ist öffentlich, das
Feld der Thaten steht ihm frei. Aber die Frau,
deren Schande der Welt gezeigt worden, wie
kann sie je die Ehre wieder finden? Je auf¬
richtiger ihre spätere Tugend, je inniger ihre
spätere Reue ist, je verborgener wird sie sich
halten, und die Welt, die ihre Schuld erfuhr,
erfährt ihre Buße nie. Wenn man den Grei¬
sen und Minderjährigen den Pranger erläßt,
sollte man um so mehr die Frauen damit ver¬
schonen, welche die Schwäche des Alters und
der Kindheit in sich vereinigen. Habe ich
nicht Recht, oder verdiente ich wegen meiner
Meynung von den Frauen selbst an den Pran¬
ger gestellt zu werden?

Der Präfekt von Lyon hat eine Prokla¬
mation erlassen, die, wie folgt, beginnt:
"Lyonnais! Quittez votre deuil et revetez
vos habits de fete, S. A. R. le duc d'Or¬

liert, kann ſie auf hundert Wegen wieder fin¬
den. Sein ganzes Leben iſt oͤffentlich, das
Feld der Thaten ſteht ihm frei. Aber die Frau,
deren Schande der Welt gezeigt worden, wie
kann ſie je die Ehre wieder finden? Je auf¬
richtiger ihre ſpaͤtere Tugend, je inniger ihre
ſpaͤtere Reue iſt, je verborgener wird ſie ſich
halten, und die Welt, die ihre Schuld erfuhr,
erfaͤhrt ihre Buße nie. Wenn man den Grei¬
ſen und Minderjaͤhrigen den Pranger erlaͤßt,
ſollte man um ſo mehr die Frauen damit ver¬
ſchonen, welche die Schwaͤche des Alters und
der Kindheit in ſich vereinigen. Habe ich
nicht Recht, oder verdiente ich wegen meiner
Meynung von den Frauen ſelbſt an den Pran¬
ger geſtellt zu werden?

Der Praͤfekt von Lyon hat eine Prokla¬
mation erlaſſen, die, wie folgt, beginnt:
„Lyonnais! Quittez votre deuil et revêtez
vos habits de fête, S. A. R. le duc d'Or¬

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[236/0250] liert, kann ſie auf hundert Wegen wieder fin¬ den. Sein ganzes Leben iſt oͤffentlich, das Feld der Thaten ſteht ihm frei. Aber die Frau, deren Schande der Welt gezeigt worden, wie kann ſie je die Ehre wieder finden? Je auf¬ richtiger ihre ſpaͤtere Tugend, je inniger ihre ſpaͤtere Reue iſt, je verborgener wird ſie ſich halten, und die Welt, die ihre Schuld erfuhr, erfaͤhrt ihre Buße nie. Wenn man den Grei¬ ſen und Minderjaͤhrigen den Pranger erlaͤßt, ſollte man um ſo mehr die Frauen damit ver¬ ſchonen, welche die Schwaͤche des Alters und der Kindheit in ſich vereinigen. Habe ich nicht Recht, oder verdiente ich wegen meiner Meynung von den Frauen ſelbſt an den Pran¬ ger geſtellt zu werden? Der Praͤfekt von Lyon hat eine Prokla¬ mation erlaſſen, die, wie folgt, beginnt: „Lyonnais! Quittez votre deuil et revêtez vos habits de fête, S. A. R. le duc d'Or¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/250>, abgerufen am 21.11.2024.