war alles gut und einträglich. Doch entging den armen Savoyarden die Theilnahme und das Soustück der Hausbewohner, die in den obern Stocken wohnten, und nicht gerade am Fenster lagen. Jetzt aber haben sie die Affen abgerichtet, an langen Stricken festgehalten, die Häuser hinaufzuklettern, auf den Geländern der Balkone herum zu spazieren, vor das Fen¬ ster zu springen, und an die Scheiben zu klo¬ pfen. Diese geniale Industrie ist höchst ergötz¬ lich. Doch muß ich sagen, daß es oft eine unangenehme Ueberraschung für die Leute im Zimmer seyn mag. Denken Sie sich, eine junge schöne Dame säße auf dem Sopha ne¬ ben ihrem Vetter, durchblätterte mit ihm les feuilles d'automne von Hugo, und wäre sehr zerstreut -- und jetzt pochte plötzlich ein garstiger Affe an das Fenster und guckte neu¬ gierig und spöttisch in das Zimmer hinein -- das wäre ja ein größerer Schrecken, als wenn
war alles gut und eintraͤglich. Doch entging den armen Savoyarden die Theilnahme und das Souſtuͤck der Hausbewohner, die in den obern Stocken wohnten, und nicht gerade am Fenſter lagen. Jetzt aber haben ſie die Affen abgerichtet, an langen Stricken feſtgehalten, die Haͤuſer hinaufzuklettern, auf den Gelaͤndern der Balkone herum zu ſpazieren, vor das Fen¬ ſter zu ſpringen, und an die Scheiben zu klo¬ pfen. Dieſe geniale Induſtrie iſt hoͤchſt ergoͤtz¬ lich. Doch muß ich ſagen, daß es oft eine unangenehme Ueberraſchung fuͤr die Leute im Zimmer ſeyn mag. Denken Sie ſich, eine junge ſchoͤne Dame ſaͤße auf dem Sopha ne¬ ben ihrem Vetter, durchblaͤtterte mit ihm les feuilles d'automne von Hugo, und waͤre ſehr zerſtreut — und jetzt pochte ploͤtzlich ein garſtiger Affe an das Fenſter und guckte neu¬ gierig und ſpoͤttiſch in das Zimmer hinein — das waͤre ja ein groͤßerer Schrecken, als wenn
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war alles gut und eintraͤglich. Doch entging
den armen Savoyarden die Theilnahme und
das Souſtuͤck der Hausbewohner, die in den
obern Stocken wohnten, und nicht gerade am
Fenſter lagen. Jetzt aber haben ſie die Affen
abgerichtet, an langen Stricken feſtgehalten,
die Haͤuſer hinaufzuklettern, auf den Gelaͤndern
der Balkone herum zu ſpazieren, vor das Fen¬
ſter zu ſpringen, und an die Scheiben zu klo¬
pfen. Dieſe geniale Induſtrie iſt hoͤchſt ergoͤtz¬
lich. Doch muß ich ſagen, daß es oft eine
unangenehme Ueberraſchung fuͤr die Leute im
Zimmer ſeyn mag. Denken Sie ſich, eine
junge ſchoͤne Dame ſaͤße auf dem Sopha ne¬
ben ihrem Vetter, durchblaͤtterte mit ihm
les feuilles d'automne von Hugo, und waͤre
ſehr zerſtreut — und jetzt pochte ploͤtzlich ein
garſtiger Affe an das Fenſter und guckte neu¬
gierig und ſpoͤttiſch in das Zimmer hinein —
das waͤre ja ein groͤßerer Schrecken, als wenn
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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