so oft ausläßt. Was der Kunstfreund an sol¬ cher Puppen-Architektur so Erquickliches finden mochte, daß er noch nach vielen Jahren sich damit beschäftigt, wäre ganz unerklärlich, wenn man Goethes Charakter nicht kennte. Des Le¬ bens Behaglichkeit war ihm das Leben selbst. Darum ist ihm nichts klein, was diesen Kreis berührte, darum ist ihm alles klein, was von diesem Kreise ablag.
1805.
Und in diesem Büchelchen auch, wie in den größten und bedeutendsten Werken Goethes, trat mir was mich immer beleidigt, halb lächerlich, halb ärgerlich entgegen. Zuvörderst die holländi¬ sche Reinlichkeit des Styls, die jeden Zim¬ merboden mit gekräuselten Sande bedeckt, und oft die Bäume vor den Häusern mit Oelfarbe anstreicht. Dann die aufgenöthigte Ruhe, das Bleigewicht, das Goethe an jede Empfindung,
ſo oft auslaͤßt. Was der Kunſtfreund an ſol¬ cher Puppen-Architektur ſo Erquickliches finden mochte, daß er noch nach vielen Jahren ſich damit beſchaͤftigt, waͤre ganz unerklaͤrlich, wenn man Goethes Charakter nicht kennte. Des Le¬ bens Behaglichkeit war ihm das Leben ſelbſt. Darum iſt ihm nichts klein, was dieſen Kreis beruͤhrte, darum iſt ihm alles klein, was von dieſem Kreiſe ablag.
1805.
Und in dieſem Buͤchelchen auch, wie in den groͤßten und bedeutendſten Werken Goethes, trat mir was mich immer beleidigt, halb laͤcherlich, halb aͤrgerlich entgegen. Zuvoͤrderſt die hollaͤndi¬ ſche Reinlichkeit des Styls, die jeden Zim¬ merboden mit gekraͤuſelten Sande bedeckt, und oft die Baͤume vor den Haͤuſern mit Oelfarbe anſtreicht. Dann die aufgenoͤthigte Ruhe, das Bleigewicht, das Goethe an jede Empfindung,
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ſo oft auslaͤßt. Was der Kunſtfreund an ſol¬
cher Puppen-Architektur ſo Erquickliches finden
mochte, daß er noch nach vielen Jahren ſich
damit beſchaͤftigt, waͤre ganz unerklaͤrlich, wenn
man Goethes Charakter nicht kennte. Des Le¬
bens Behaglichkeit war ihm das Leben ſelbſt.
Darum iſt ihm nichts klein, was dieſen Kreis
beruͤhrte, darum iſt ihm alles klein, was von
dieſem Kreiſe ablag.
1805.
Und in dieſem Buͤchelchen auch, wie in den
groͤßten und bedeutendſten Werken Goethes, trat
mir was mich immer beleidigt, halb laͤcherlich,
halb aͤrgerlich entgegen. Zuvoͤrderſt die hollaͤndi¬
ſche Reinlichkeit des Styls, die jeden Zim¬
merboden mit gekraͤuſelten Sande bedeckt, und
oft die Baͤume vor den Haͤuſern mit Oelfarbe
anſtreicht. Dann die aufgenoͤthigte Ruhe, das
Bleigewicht, das Goethe an jede Empfindung,
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/61>, abgerufen am 21.11.2024.
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