gefehlt, diesem adeligen Vergnügen völlig ein aristokratisches Ansehn zu geben. Zwischen den Akten habe ich, wie es die jungen Leute pflegen, in alle Logen hineingesehen. (Sie erinnern sich, daß die Logenthüren Fenster ha¬ ben.) Die Pracht und der Geschmack der weiblichen Anzüge gewährte wirklich einen herr¬ lichen Anblick, selbst männlichen, alten und schon beschäftigten Augen, wie die meinen. Aber beim Ausgange aus dem Theater ließ ich alle die geputzten Damen die Musterung passiren, und es fanden sich nicht zwei schöne Gesichter darunter, -- wahrhaftig nicht zwei!
Sagen Sie mir, was hat das für einen Grund, daß in der letzten Zeit der Frankfur¬ ter Senat einige außergewöhnliche Heiraths¬ erlaubnisse ertheilt? Ist das contagiös oder miasmatisch? Auf jeden Fall ist es eine Ko¬ meten-artige Erscheinung und Vorläufer der Cholera. Der Senat und der gesetzgebende
gefehlt, dieſem adeligen Vergnuͤgen voͤllig ein ariſtokratiſches Anſehn zu geben. Zwiſchen den Akten habe ich, wie es die jungen Leute pflegen, in alle Logen hineingeſehen. (Sie erinnern ſich, daß die Logenthuͤren Fenſter ha¬ ben.) Die Pracht und der Geſchmack der weiblichen Anzuͤge gewaͤhrte wirklich einen herr¬ lichen Anblick, ſelbſt maͤnnlichen, alten und ſchon beſchaͤftigten Augen, wie die meinen. Aber beim Ausgange aus dem Theater ließ ich alle die geputzten Damen die Muſterung paſſiren, und es fanden ſich nicht zwei ſchoͤne Geſichter darunter, — wahrhaftig nicht zwei!
Sagen Sie mir, was hat das fuͤr einen Grund, daß in der letzten Zeit der Frankfur¬ ter Senat einige außergewoͤhnliche Heiraths¬ erlaubniſſe ertheilt? Iſt das contagioͤs oder miasmatiſch? Auf jeden Fall iſt es eine Ko¬ meten-artige Erſcheinung und Vorlaͤufer der Cholera. Der Senat und der geſetzgebende
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gefehlt, dieſem adeligen Vergnuͤgen voͤllig ein
ariſtokratiſches Anſehn zu geben. Zwiſchen
den Akten habe ich, wie es die jungen Leute
pflegen, in alle Logen hineingeſehen. (Sie
erinnern ſich, daß die Logenthuͤren Fenſter ha¬
ben.) Die Pracht und der Geſchmack der
weiblichen Anzuͤge gewaͤhrte wirklich einen herr¬
lichen Anblick, ſelbſt maͤnnlichen, alten und
ſchon beſchaͤftigten Augen, wie die meinen.
Aber beim Ausgange aus dem Theater ließ
ich alle die geputzten Damen die Muſterung
paſſiren, und es fanden ſich nicht zwei ſchoͤne
Geſichter darunter, — wahrhaftig nicht zwei!
Sagen Sie mir, was hat das fuͤr einen
Grund, daß in der letzten Zeit der Frankfur¬
ter Senat einige außergewoͤhnliche Heiraths¬
erlaubniſſe ertheilt? Iſt das contagioͤs oder
miasmatiſch? Auf jeden Fall iſt es eine Ko¬
meten-artige Erſcheinung und Vorlaͤufer der
Cholera. Der Senat und der geſetzgebende
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/90>, abgerufen am 21.11.2024.
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