Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

könnten wir ja sparen. Sie hoben also das Geleit
auf, und ließen sich statt Geleitsgeld Zoll be¬
zahlen. An allen Ein- und Ausgängen des Landes
wurden Zollhäuser errichtet, und so oft da Waa¬
ren vorüberkamen, mußten sie den alten Raub und
das alte Geleit abkaufen, welche Abgabe man Zoll
nannte. Beklagte sich nun ein benachbarter Fürst,
daß man seine Untherthanen drücke, antwortete der
diesseitige: Herr Bruder, macht es mit meinen Unter¬
thanen, wie ich es mit den Eurigen mache; laßt Euch
auch Mauth von ihnen bezahlen; Schaafe wollen ge¬
schoren seyn, sonst gedeihen sie nicht."

"Jetzt werdet Ihr deutlich einsehen, daß Ihr
Ochsen seyd, wenn Ihr Euch über die Mauth be¬
klagt. Habt Ihr es nicht ehemals noch viel schlim¬
mer gehabt? Sonst wurdet Ihr beraubt und gemis¬
handelt; jetzt werden Euere Kisten mit Ordnung ge¬
öffnet, man nimmt Euch mit Höflichkeit Euer Geld
ab, und Ihr bekommt keine Schläge mehr. Zwar
werdet Ihr noch jetzt, wie zu den Zeiten der Raub¬
ritter, todt gemacht, wenn Ihr die Mauth nicht be¬
zahlen wollt und Euch zur Wehre setzt; Ihr werdet
aber nicht mehr wie damals todt gehauen, welches
grob war, sondern todt geschossen, welches viel höf¬
licher ist, und gar nicht wehe thut; und da Ihr auf
Befehl Eueres gnädigen Landesherrn todtgeschossen
werdet, so ist das noch eine Ehre für Euch. Wenn

könnten wir ja ſparen. Sie hoben alſo das Geleit
auf, und ließen ſich ſtatt Geleitsgeld Zoll be¬
zahlen. An allen Ein- und Ausgängen des Landes
wurden Zollhäuſer errichtet, und ſo oft da Waa¬
ren vorüberkamen, mußten ſie den alten Raub und
das alte Geleit abkaufen, welche Abgabe man Zoll
nannte. Beklagte ſich nun ein benachbarter Fürſt,
daß man ſeine Untherthanen drücke, antwortete der
dieſſeitige: Herr Bruder, macht es mit meinen Unter¬
thanen, wie ich es mit den Eurigen mache; laßt Euch
auch Mauth von ihnen bezahlen; Schaafe wollen ge¬
ſchoren ſeyn, ſonſt gedeihen ſie nicht.“

„Jetzt werdet Ihr deutlich einſehen, daß Ihr
Ochſen ſeyd, wenn Ihr Euch über die Mauth be¬
klagt. Habt Ihr es nicht ehemals noch viel ſchlim¬
mer gehabt? Sonſt wurdet Ihr beraubt und gemis¬
handelt; jetzt werden Euere Kiſten mit Ordnung ge¬
öffnet, man nimmt Euch mit Höflichkeit Euer Geld
ab, und Ihr bekommt keine Schläge mehr. Zwar
werdet Ihr noch jetzt, wie zu den Zeiten der Raub¬
ritter, todt gemacht, wenn Ihr die Mauth nicht be¬
zahlen wollt und Euch zur Wehre ſetzt; Ihr werdet
aber nicht mehr wie damals todt gehauen, welches
grob war, ſondern todt geſchoſſen, welches viel höf¬
licher iſt, und gar nicht wehe thut; und da Ihr auf
Befehl Eueres gnädigen Landesherrn todtgeſchoſſen
werdet, ſo iſt das noch eine Ehre für Euch. Wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0101" n="87"/>
könnten wir ja &#x017F;paren. Sie hoben al&#x017F;o das Geleit<lb/>
auf, und ließen &#x017F;ich &#x017F;tatt <hi rendition="#g">Geleitsgeld Zoll</hi> be¬<lb/>
zahlen. An allen Ein- und Ausgängen des Landes<lb/>
wurden <hi rendition="#g">Zollhäu&#x017F;er</hi> errichtet, und &#x017F;o oft da Waa¬<lb/>
ren vorüberkamen, mußten &#x017F;ie den alten Raub und<lb/>
das alte Geleit abkaufen, welche Abgabe man Zoll<lb/>
nannte. Beklagte &#x017F;ich nun ein benachbarter Für&#x017F;t,<lb/>
daß man &#x017F;eine Untherthanen drücke, antwortete der<lb/>
die&#x017F;&#x017F;eitige: Herr Bruder, macht es mit meinen Unter¬<lb/>
thanen, wie ich es mit den Eurigen mache; laßt Euch<lb/>
auch Mauth von ihnen bezahlen; Schaafe wollen ge¬<lb/>
&#x017F;choren &#x017F;eyn, &#x017F;on&#x017F;t gedeihen &#x017F;ie nicht.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jetzt werdet Ihr deutlich ein&#x017F;ehen, daß Ihr<lb/>
Och&#x017F;en &#x017F;eyd, wenn Ihr Euch über die Mauth be¬<lb/>
klagt. Habt Ihr es nicht ehemals noch viel &#x017F;chlim¬<lb/>
mer gehabt? Son&#x017F;t wurdet Ihr beraubt und gemis¬<lb/>
handelt; jetzt werden Euere Ki&#x017F;ten mit Ordnung ge¬<lb/>
öffnet, man nimmt Euch mit Höflichkeit Euer Geld<lb/>
ab, und Ihr bekommt keine Schläge mehr. Zwar<lb/>
werdet Ihr noch jetzt, wie zu den Zeiten der Raub¬<lb/>
ritter, todt gemacht, wenn Ihr die Mauth nicht be¬<lb/>
zahlen wollt und Euch zur Wehre &#x017F;etzt; Ihr werdet<lb/>
aber nicht mehr wie damals todt gehauen, welches<lb/>
grob war, &#x017F;ondern todt ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, welches viel höf¬<lb/>
licher i&#x017F;t, und gar nicht wehe thut; und da Ihr auf<lb/>
Befehl Eueres gnädigen Landesherrn todtge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en<lb/>
werdet, &#x017F;o i&#x017F;t das noch eine Ehre für Euch. Wenn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0101] könnten wir ja ſparen. Sie hoben alſo das Geleit auf, und ließen ſich ſtatt Geleitsgeld Zoll be¬ zahlen. An allen Ein- und Ausgängen des Landes wurden Zollhäuſer errichtet, und ſo oft da Waa¬ ren vorüberkamen, mußten ſie den alten Raub und das alte Geleit abkaufen, welche Abgabe man Zoll nannte. Beklagte ſich nun ein benachbarter Fürſt, daß man ſeine Untherthanen drücke, antwortete der dieſſeitige: Herr Bruder, macht es mit meinen Unter¬ thanen, wie ich es mit den Eurigen mache; laßt Euch auch Mauth von ihnen bezahlen; Schaafe wollen ge¬ ſchoren ſeyn, ſonſt gedeihen ſie nicht.“ „Jetzt werdet Ihr deutlich einſehen, daß Ihr Ochſen ſeyd, wenn Ihr Euch über die Mauth be¬ klagt. Habt Ihr es nicht ehemals noch viel ſchlim¬ mer gehabt? Sonſt wurdet Ihr beraubt und gemis¬ handelt; jetzt werden Euere Kiſten mit Ordnung ge¬ öffnet, man nimmt Euch mit Höflichkeit Euer Geld ab, und Ihr bekommt keine Schläge mehr. Zwar werdet Ihr noch jetzt, wie zu den Zeiten der Raub¬ ritter, todt gemacht, wenn Ihr die Mauth nicht be¬ zahlen wollt und Euch zur Wehre ſetzt; Ihr werdet aber nicht mehr wie damals todt gehauen, welches grob war, ſondern todt geſchoſſen, welches viel höf¬ licher iſt, und gar nicht wehe thut; und da Ihr auf Befehl Eueres gnädigen Landesherrn todtgeſchoſſen werdet, ſo iſt das noch eine Ehre für Euch. Wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/101
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/101>, abgerufen am 21.11.2024.