Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833."wandelbaren Sonne." Und noch mehrere Dinge Es ist wie ein Wunder! Tausendmale habe „wandelbaren Sonne.“ Und noch mehrere Dinge Es iſt wie ein Wunder! Tauſendmale habe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0153" n="139"/> „<hi rendition="#g">wandelbaren</hi> Sonne.“ Und noch mehrere Dinge<lb/> ſolcher Art ſpricht der Freund, auf welche ich Dinge<lb/> meiner Art erwiedern will.</p><lb/> <p>Es iſt wie ein Wunder! Tauſendmale habe<lb/> ich es erfahren, und doch bleibt es mir ewig neu.<lb/> Die Einen werfen mir vor, daß ich ein Jude ſey;<lb/> die Andern verzeihen mir es; der Dritte lobt mich<lb/> gar darfür; aber Alle denken daran. Sie ſind wie<lb/> gebannt in dieſem magiſchen Judenkreiſe, es kann<lb/> keiner hinaus. Auch weiß ich recht gut, woher der<lb/> böſe Zauber kömmt. Die armen Deutſchen! Im<lb/> unterſten Geſchoſſe wohnend, gedrückt von den ſieben<lb/> Stockwerken der höhern Stände, erleichtert es ihr<lb/> ängſtliches Gefühl von Menſchen zu ſprechen, die<lb/> noch tiefer als ſie ſelbſt, die im Keller wohnen.<lb/> Keine Juden zu ſeyn, tröſtet ſie dafür, daß ſie nicht<lb/> einmal Hofräthe ſind. Nein, daß ich ein Jude ge¬<lb/> boren, das hat mich nie erbittert gegen die Deut¬<lb/> ſchen, das hat mich nie verblendet. Ich wäre ja<lb/> nicht werth, das Licht der Sonne zu genießen, wenn<lb/> ich die große Gnade, die mir Gott erzeigt, mich zu¬<lb/> gleich ein Deutſcher und ein Jude werden zu laſſen,<lb/> mit ſchnödem Murren bezahlte — wegen eines Spot¬<lb/> tes, den ich immer verachtet, wegen Leiden, die ich<lb/> längſt verſchmerzt. Nein, ich weiß das unverdiente<lb/> Glück zu ſchätzen, zugleich ein Deutſcher und ein<lb/> Jude zu ſeyn, nach allen Tugenden der Deutſchen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [139/0153]
„wandelbaren Sonne.“ Und noch mehrere Dinge
ſolcher Art ſpricht der Freund, auf welche ich Dinge
meiner Art erwiedern will.
Es iſt wie ein Wunder! Tauſendmale habe
ich es erfahren, und doch bleibt es mir ewig neu.
Die Einen werfen mir vor, daß ich ein Jude ſey;
die Andern verzeihen mir es; der Dritte lobt mich
gar darfür; aber Alle denken daran. Sie ſind wie
gebannt in dieſem magiſchen Judenkreiſe, es kann
keiner hinaus. Auch weiß ich recht gut, woher der
böſe Zauber kömmt. Die armen Deutſchen! Im
unterſten Geſchoſſe wohnend, gedrückt von den ſieben
Stockwerken der höhern Stände, erleichtert es ihr
ängſtliches Gefühl von Menſchen zu ſprechen, die
noch tiefer als ſie ſelbſt, die im Keller wohnen.
Keine Juden zu ſeyn, tröſtet ſie dafür, daß ſie nicht
einmal Hofräthe ſind. Nein, daß ich ein Jude ge¬
boren, das hat mich nie erbittert gegen die Deut¬
ſchen, das hat mich nie verblendet. Ich wäre ja
nicht werth, das Licht der Sonne zu genießen, wenn
ich die große Gnade, die mir Gott erzeigt, mich zu¬
gleich ein Deutſcher und ein Jude werden zu laſſen,
mit ſchnödem Murren bezahlte — wegen eines Spot¬
tes, den ich immer verachtet, wegen Leiden, die ich
längſt verſchmerzt. Nein, ich weiß das unverdiente
Glück zu ſchätzen, zugleich ein Deutſcher und ein
Jude zu ſeyn, nach allen Tugenden der Deutſchen
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