Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.wäret Ihr besser; wären ihrer nur so viele als Ihr Sie sagen: Die Franzosen erschienen mir als wäret Ihr beſſer; wären ihrer nur ſo viele als Ihr Sie ſagen: Die Franzoſen erſchienen mir als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0155" n="141"/> wäret Ihr beſſer; wären ihrer nur ſo viele als Ihr<lb/> ſeyd, dann wären ſie beſſer als Ihr. Ihr ſeyd<lb/> dreißig Millionen Deutſche, und zählet nur für drei¬<lb/> ßig in der Welt; gebet uns dreißig Millionen Juden,<lb/> und die Welt zählte nicht neben ihnen. Ihr habt<lb/> den Juden die Luft genommen; aber das hat ſie<lb/> vor Fäulniß bewahrt. Ihr habt ihnen das Salz des<lb/> Haſſes in ihr Herz geſtreut; aber das hat ihr<lb/> Herz friſch erhalten. Ihr habt ſie den ganzen lan¬<lb/> gen Winter in einen tiefen Keller geſperrt, und das<lb/> Kellerloch mit Miſt verſtopft; aber Ihr, frei dem<lb/> Froſte blosgeſtellt, ſeyd halb erfroren. Wenn der<lb/> Frühling kömmt, wollen wir ſehen, wer früher grünt,<lb/> der Jude oder der Chriſt. —</p><lb/> <p>Sie ſagen: Die Franzoſen erſchienen mir als<lb/> Rieſen, und die Deutſchen ſtellte ich als Zwerge ne¬<lb/> ben ſie. Soll man da lachen oder trauern? Wem<lb/> ſoll man begegnen? Was ſoll man beantworten?<lb/> Unverſtand und Misverſtand ſind Zwillingsbrüder,<lb/> und es iſt ſchwer, ſie von einander zu unterſcheiden,<lb/> für jeden, der nicht ihr Vater iſt. Wo habt Ihr<lb/> klugen Leute denn das herausgeleſen, daß ich die<lb/> Franzoſen als Rieſen anſtaune, und die Deutſchen<lb/> als Zwerge verachte? Wenn ich den Reichthum<lb/> jenes ſchlechten Banquiers, die Geſundheit jenes<lb/> dummen Bauers, die Gelehrſamkeit jenes Göttinger<lb/> Profeſſors preiſe, und mich glücklich ſchätze, ſolche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0155]
wäret Ihr beſſer; wären ihrer nur ſo viele als Ihr
ſeyd, dann wären ſie beſſer als Ihr. Ihr ſeyd
dreißig Millionen Deutſche, und zählet nur für drei¬
ßig in der Welt; gebet uns dreißig Millionen Juden,
und die Welt zählte nicht neben ihnen. Ihr habt
den Juden die Luft genommen; aber das hat ſie
vor Fäulniß bewahrt. Ihr habt ihnen das Salz des
Haſſes in ihr Herz geſtreut; aber das hat ihr
Herz friſch erhalten. Ihr habt ſie den ganzen lan¬
gen Winter in einen tiefen Keller geſperrt, und das
Kellerloch mit Miſt verſtopft; aber Ihr, frei dem
Froſte blosgeſtellt, ſeyd halb erfroren. Wenn der
Frühling kömmt, wollen wir ſehen, wer früher grünt,
der Jude oder der Chriſt. —
Sie ſagen: Die Franzoſen erſchienen mir als
Rieſen, und die Deutſchen ſtellte ich als Zwerge ne¬
ben ſie. Soll man da lachen oder trauern? Wem
ſoll man begegnen? Was ſoll man beantworten?
Unverſtand und Misverſtand ſind Zwillingsbrüder,
und es iſt ſchwer, ſie von einander zu unterſcheiden,
für jeden, der nicht ihr Vater iſt. Wo habt Ihr
klugen Leute denn das herausgeleſen, daß ich die
Franzoſen als Rieſen anſtaune, und die Deutſchen
als Zwerge verachte? Wenn ich den Reichthum
jenes ſchlechten Banquiers, die Geſundheit jenes
dummen Bauers, die Gelehrſamkeit jenes Göttinger
Profeſſors preiſe, und mich glücklich ſchätze, ſolche
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