Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

fen, Euch aus dem Schlafe zu rütteln. Als der
große Friedrich in seinen hohen Jahren schlafbegierig
geworden, da, seiner Fürstenpflicht eingedenk, befahl
er seinem Kammerdiener, ihn früh zu wecken und
wenn er nicht gleich das Bett verließe, ihm die
Decke vom Leibe wegzuziehen. Er murrte immer
über die Gewalt; aber war er einmal munter ge¬
worden, dann lobte er seinen Diener. Trinkt nur
erst Eueren Kaffee, und dann werdet Ihr es mir
danken, daß ich Euch die Bettdecke vom Leibe weg¬
gezogen. Die Zeit wird kommen, wo Ihr alle meine
Vorwürfe ungerecht gemacht; und dann werdet Ihr
die Ersten seyn, es zu gestehn, daß sie einst gerecht
gewesen. --

Sie verlangen, ich solle ihnen die Bahn be¬
zeichnen
, auf welcher sie vorwärts zu schreiten
haben
. Wenn ich ein Narr wäre! Ich weiß oft
nicht: spottet Ihr über Euch selbst, oder wollt Ihr
mich zum Besten haben? Wie? Soll ich Euch
Bücher schreiben? Soll ich reden von Preßfreiheit
und Censur, ja nicht zu vergessen die Caution; von
öffentlichen Gerichten; von Geschwornen; von Ab¬
schaffung des Neubruchszehenten, des Blutzehenten,
und anderer Teufelszehnten; von Aufhebung der
Frohnden und Zünften; von Aufhebung der Univer¬
sitäts-Gilden; von persönlicher Freiheit; von einem
gemeinschaftlichen deutschen Gesetzbuche; von gleichem

fen, Euch aus dem Schlafe zu rütteln. Als der
große Friedrich in ſeinen hohen Jahren ſchlafbegierig
geworden, da, ſeiner Fürſtenpflicht eingedenk, befahl
er ſeinem Kammerdiener, ihn früh zu wecken und
wenn er nicht gleich das Bett verließe, ihm die
Decke vom Leibe wegzuziehen. Er murrte immer
über die Gewalt; aber war er einmal munter ge¬
worden, dann lobte er ſeinen Diener. Trinkt nur
erſt Eueren Kaffee, und dann werdet Ihr es mir
danken, daß ich Euch die Bettdecke vom Leibe weg¬
gezogen. Die Zeit wird kommen, wo Ihr alle meine
Vorwürfe ungerecht gemacht; und dann werdet Ihr
die Erſten ſeyn, es zu geſtehn, daß ſie einſt gerecht
geweſen. —

Sie verlangen, ich ſolle ihnen die Bahn be¬
zeichnen
, auf welcher ſie vorwärts zu ſchreiten
haben
. Wenn ich ein Narr wäre! Ich weiß oft
nicht: ſpottet Ihr über Euch ſelbſt, oder wollt Ihr
mich zum Beſten haben? Wie? Soll ich Euch
Bücher ſchreiben? Soll ich reden von Preßfreiheit
und Cenſur, ja nicht zu vergeſſen die Caution; von
öffentlichen Gerichten; von Geſchwornen; von Ab¬
ſchaffung des Neubruchszehenten, des Blutzehenten,
und anderer Teufelszehnten; von Aufhebung der
Frohnden und Zünften; von Aufhebung der Univer¬
ſitäts-Gilden; von perſönlicher Freiheit; von einem
gemeinſchaftlichen deutſchen Geſetzbuche; von gleichem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0160" n="146"/>
fen, Euch aus dem Schlafe zu rütteln. Als der<lb/>
große Friedrich in &#x017F;einen hohen Jahren &#x017F;chlafbegierig<lb/>
geworden, da, &#x017F;einer Für&#x017F;tenpflicht eingedenk, befahl<lb/>
er &#x017F;einem Kammerdiener, ihn früh zu wecken und<lb/>
wenn er nicht gleich das Bett verließe, ihm die<lb/>
Decke vom Leibe wegzuziehen. Er murrte immer<lb/>
über die Gewalt; aber war er einmal munter ge¬<lb/>
worden, dann lobte er &#x017F;einen Diener. Trinkt nur<lb/>
er&#x017F;t Eueren Kaffee, und dann werdet Ihr es mir<lb/>
danken, daß ich Euch die Bettdecke vom Leibe weg¬<lb/>
gezogen. Die Zeit wird kommen, wo Ihr alle meine<lb/>
Vorwürfe ungerecht gemacht; und dann werdet Ihr<lb/>
die Er&#x017F;ten &#x017F;eyn, es zu ge&#x017F;tehn, daß &#x017F;ie ein&#x017F;t gerecht<lb/>
gewe&#x017F;en. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Sie verlangen, ich &#x017F;olle ihnen <hi rendition="#g">die Bahn be¬<lb/>
zeichnen</hi>, auf welcher &#x017F;ie <hi rendition="#g">vorwärts zu &#x017F;chreiten<lb/>
haben</hi>. Wenn ich ein Narr wäre! Ich weiß oft<lb/>
nicht: &#x017F;pottet Ihr über Euch &#x017F;elb&#x017F;t, oder wollt Ihr<lb/>
mich zum Be&#x017F;ten haben? Wie? Soll ich Euch<lb/>
Bücher &#x017F;chreiben? Soll ich reden von Preßfreiheit<lb/>
und Cen&#x017F;ur, ja nicht zu verge&#x017F;&#x017F;en die Caution; von<lb/>
öffentlichen Gerichten; von Ge&#x017F;chwornen; von Ab¬<lb/>
&#x017F;chaffung des Neubruchszehenten, des Blutzehenten,<lb/>
und anderer Teufelszehnten; von Aufhebung der<lb/>
Frohnden und Zünften; von Aufhebung der Univer¬<lb/>
&#x017F;itäts-Gilden; von per&#x017F;önlicher Freiheit; von einem<lb/>
gemein&#x017F;chaftlichen deut&#x017F;chen Ge&#x017F;etzbuche; von gleichem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0160] fen, Euch aus dem Schlafe zu rütteln. Als der große Friedrich in ſeinen hohen Jahren ſchlafbegierig geworden, da, ſeiner Fürſtenpflicht eingedenk, befahl er ſeinem Kammerdiener, ihn früh zu wecken und wenn er nicht gleich das Bett verließe, ihm die Decke vom Leibe wegzuziehen. Er murrte immer über die Gewalt; aber war er einmal munter ge¬ worden, dann lobte er ſeinen Diener. Trinkt nur erſt Eueren Kaffee, und dann werdet Ihr es mir danken, daß ich Euch die Bettdecke vom Leibe weg¬ gezogen. Die Zeit wird kommen, wo Ihr alle meine Vorwürfe ungerecht gemacht; und dann werdet Ihr die Erſten ſeyn, es zu geſtehn, daß ſie einſt gerecht geweſen. — Sie verlangen, ich ſolle ihnen die Bahn be¬ zeichnen, auf welcher ſie vorwärts zu ſchreiten haben. Wenn ich ein Narr wäre! Ich weiß oft nicht: ſpottet Ihr über Euch ſelbſt, oder wollt Ihr mich zum Beſten haben? Wie? Soll ich Euch Bücher ſchreiben? Soll ich reden von Preßfreiheit und Cenſur, ja nicht zu vergeſſen die Caution; von öffentlichen Gerichten; von Geſchwornen; von Ab¬ ſchaffung des Neubruchszehenten, des Blutzehenten, und anderer Teufelszehnten; von Aufhebung der Frohnden und Zünften; von Aufhebung der Univer¬ ſitäts-Gilden; von perſönlicher Freiheit; von einem gemeinſchaftlichen deutſchen Geſetzbuche; von gleichem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/160
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/160>, abgerufen am 21.11.2024.