Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

der Bürger-Canaille einmal loskomme. So eine
Hofzeitung, die hat doch eine ganz andere Art und
Sprache, und noch in ihrem Morgenanzug von Lösch¬
papier ist sie reizender, als eine bürgerliche Abend¬
zeitung in ihrem Velinkleide. Ihr Zorn ist zarter
champagner Schaum; ihr Spott, Prickeln auf der
Zunge, das mehr schmeichelt als wehe thut; und ihr
Unmuth, ein trübes Wölkchen über der Sonne, an
seinem Rande von ihrem Liebesblick gefärbt. Sie
straft durch Vergebung und schweigt wenn sie verach¬
tet. Und alle, die einer so lieben, gnädigen Hof¬
zeitung nahe kommen, werden übergossen von ihrem
Rosenschimmer, verzuckert, waren sie vorher noch so
bitter; und fein, artig und gewandt, waren sie frü¬
her die plumpsten Grobiane und die schwerfälligsten
Tölpel gewesen. Seht den ehrlichen Münch und
den ehrlichen Lindner. Es sind, wie allgemein be¬
kannt, ehrliche und brave Männer; es sind aber
eben Bürgersleute, gerade aber knorrig, treu aber
knurrig. Doch wie hat sie die Hofzeitung umgewan¬
delt! Wie fein sind sie geworden, seitdem sie daran
arbeiten! In diese Schule müßt Ihr gehen, Ihr
Meyer, Ihr Würmer, Ihr Heringe, Ihr Roberts,
Ihr Pittschaft, und wie Ihr sonst alle heißen möget.
Dieser Stuttgarter Hofzeitung haben meine Briefe
aus Paris auch nicht gefallen; aber wie fein giebt
sie das zu verstehen! Und wendet nicht ein: ja die

IV. 13

der Bürger-Canaille einmal loskomme. So eine
Hofzeitung, die hat doch eine ganz andere Art und
Sprache, und noch in ihrem Morgenanzug von Löſch¬
papier iſt ſie reizender, als eine bürgerliche Abend¬
zeitung in ihrem Velinkleide. Ihr Zorn iſt zarter
champagner Schaum; ihr Spott, Prickeln auf der
Zunge, das mehr ſchmeichelt als wehe thut; und ihr
Unmuth, ein trübes Wölkchen über der Sonne, an
ſeinem Rande von ihrem Liebesblick gefärbt. Sie
ſtraft durch Vergebung und ſchweigt wenn ſie verach¬
tet. Und alle, die einer ſo lieben, gnädigen Hof¬
zeitung nahe kommen, werden übergoſſen von ihrem
Roſenſchimmer, verzuckert, waren ſie vorher noch ſo
bitter; und fein, artig und gewandt, waren ſie frü¬
her die plumpſten Grobiane und die ſchwerfälligſten
Tölpel geweſen. Seht den ehrlichen Münch und
den ehrlichen Lindner. Es ſind, wie allgemein be¬
kannt, ehrliche und brave Männer; es ſind aber
eben Bürgersleute, gerade aber knorrig, treu aber
knurrig. Doch wie hat ſie die Hofzeitung umgewan¬
delt! Wie fein ſind ſie geworden, ſeitdem ſie daran
arbeiten! In dieſe Schule müßt Ihr gehen, Ihr
Meyer, Ihr Würmer, Ihr Heringe, Ihr Roberts,
Ihr Pittſchaft, und wie Ihr ſonſt alle heißen möget.
Dieſer Stuttgarter Hofzeitung haben meine Briefe
aus Paris auch nicht gefallen; aber wie fein giebt
ſie das zu verſtehen! Und wendet nicht ein: ja die

IV. 13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0207" n="193"/>
der Bürger-Canaille einmal loskomme. So eine<lb/>
Hofzeitung, die hat doch eine ganz andere Art und<lb/>
Sprache, und noch in ihrem Morgenanzug von Lö&#x017F;ch¬<lb/>
papier i&#x017F;t &#x017F;ie reizender, als eine bürgerliche Abend¬<lb/>
zeitung in ihrem Velinkleide. Ihr Zorn i&#x017F;t zarter<lb/>
champagner Schaum; ihr Spott, Prickeln auf der<lb/>
Zunge, das mehr &#x017F;chmeichelt als wehe thut; und ihr<lb/>
Unmuth, ein trübes Wölkchen über der Sonne, an<lb/>
&#x017F;einem Rande von ihrem Liebesblick gefärbt. Sie<lb/>
&#x017F;traft durch Vergebung und &#x017F;chweigt wenn &#x017F;ie verach¬<lb/>
tet. Und alle, die einer &#x017F;o lieben, gnädigen Hof¬<lb/>
zeitung nahe kommen, werden übergo&#x017F;&#x017F;en von ihrem<lb/>
Ro&#x017F;en&#x017F;chimmer, verzuckert, waren &#x017F;ie vorher noch &#x017F;o<lb/>
bitter; und fein, artig und gewandt, waren &#x017F;ie frü¬<lb/>
her die plump&#x017F;ten Grobiane und die &#x017F;chwerfällig&#x017F;ten<lb/>
Tölpel gewe&#x017F;en. Seht den ehrlichen <hi rendition="#g">Münch</hi> und<lb/>
den ehrlichen <hi rendition="#g">Lindner</hi>. Es &#x017F;ind, wie allgemein be¬<lb/>
kannt, ehrliche und brave Männer; es &#x017F;ind aber<lb/>
eben Bürgersleute, gerade aber knorrig, treu aber<lb/>
knurrig. Doch wie hat &#x017F;ie die Hofzeitung umgewan¬<lb/>
delt! Wie fein &#x017F;ind &#x017F;ie geworden, &#x017F;eitdem &#x017F;ie daran<lb/>
arbeiten! In die&#x017F;e Schule müßt Ihr gehen, Ihr<lb/>
Meyer, Ihr Würmer, Ihr Heringe, Ihr Roberts,<lb/>
Ihr Pitt&#x017F;chaft, und wie Ihr &#x017F;on&#x017F;t alle heißen möget.<lb/>
Die&#x017F;er Stuttgarter Hofzeitung haben meine Briefe<lb/>
aus Paris auch nicht gefallen; aber wie fein giebt<lb/>
&#x017F;ie das zu ver&#x017F;tehen! Und wendet nicht ein: ja die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">IV</hi>. 13<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0207] der Bürger-Canaille einmal loskomme. So eine Hofzeitung, die hat doch eine ganz andere Art und Sprache, und noch in ihrem Morgenanzug von Löſch¬ papier iſt ſie reizender, als eine bürgerliche Abend¬ zeitung in ihrem Velinkleide. Ihr Zorn iſt zarter champagner Schaum; ihr Spott, Prickeln auf der Zunge, das mehr ſchmeichelt als wehe thut; und ihr Unmuth, ein trübes Wölkchen über der Sonne, an ſeinem Rande von ihrem Liebesblick gefärbt. Sie ſtraft durch Vergebung und ſchweigt wenn ſie verach¬ tet. Und alle, die einer ſo lieben, gnädigen Hof¬ zeitung nahe kommen, werden übergoſſen von ihrem Roſenſchimmer, verzuckert, waren ſie vorher noch ſo bitter; und fein, artig und gewandt, waren ſie frü¬ her die plumpſten Grobiane und die ſchwerfälligſten Tölpel geweſen. Seht den ehrlichen Münch und den ehrlichen Lindner. Es ſind, wie allgemein be¬ kannt, ehrliche und brave Männer; es ſind aber eben Bürgersleute, gerade aber knorrig, treu aber knurrig. Doch wie hat ſie die Hofzeitung umgewan¬ delt! Wie fein ſind ſie geworden, ſeitdem ſie daran arbeiten! In dieſe Schule müßt Ihr gehen, Ihr Meyer, Ihr Würmer, Ihr Heringe, Ihr Roberts, Ihr Pittſchaft, und wie Ihr ſonſt alle heißen möget. Dieſer Stuttgarter Hofzeitung haben meine Briefe aus Paris auch nicht gefallen; aber wie fein giebt ſie das zu verſtehen! Und wendet nicht ein: ja die IV. 13

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/207
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/207>, abgerufen am 25.11.2024.