Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

heimer Zeitung von den Heidelberger Studenten noch
niemals Prügel bekommen.

-- Soviel ich das undeutlich geschriebene Motto
aus dem Tacitus lesen kann, heißt es in deutscher
Uebersetzung ohngefähr wie folgt: "Nicht blos gegen
"die Schriftsteller, sondern auch gegen deren Werke,
"wurde auf Befehl der Triumviren mit Erbitterung
"verfahren, und die Denkmäler der erhabensten Geister
"wurden auf dem Forum verbrannt -- als könnten
"durch Feuer die Klagen des römischen Volks, die Frei¬
"heit des Senats und das Gefühl des ganzen Men¬
"schengeschlechts vernichtet werden!"


Nicht auf Myrons Kuh wurden zu ihrer Zeit so
viele Epigramme gemacht, als in Deutschland seit eini¬
gen Monaten auf mich gemacht wurden! Und es sind
nicht blos kleine Schaumuster von Witz, von Fingers¬
länge, wie jene griechischen waren; sondern es sind
ganze lange, breite, schwere Witzstücke, woran drei
Blei hängen, das bekannte Fabrikzeichen der deutschen
Satyre. Es ist aber merkwürdig, was ich bei den
Fabrikanten Kredit habe! Sie schicken mir ihre Waare
unbestellt, unverlangt, und scheinen ganz unbekümmert,
ob ich sie einmal bezahlen werde oder nicht. Aber
ich bezahle sie -- ehrlich währt am längsten.

Ein solches Witzstück erhielt ich gestern in meinem

heimer Zeitung von den Heidelberger Studenten noch
niemals Prügel bekommen.

— Soviel ich das undeutlich geſchriebene Motto
aus dem Tacitus leſen kann, heißt es in deutſcher
Ueberſetzung ohngefähr wie folgt: „Nicht blos gegen
„die Schriftſteller, ſondern auch gegen deren Werke,
„wurde auf Befehl der Triumviren mit Erbitterung
„verfahren, und die Denkmäler der erhabenſten Geiſter
„wurden auf dem Forum verbrannt — als könnten
„durch Feuer die Klagen des römiſchen Volks, die Frei¬
„heit des Senats und das Gefühl des ganzen Men¬
„ſchengeſchlechts vernichtet werden!“


Nicht auf Myrons Kuh wurden zu ihrer Zeit ſo
viele Epigramme gemacht, als in Deutſchland ſeit eini¬
gen Monaten auf mich gemacht wurden! Und es ſind
nicht blos kleine Schaumuſter von Witz, von Fingers¬
länge, wie jene griechiſchen waren; ſondern es ſind
ganze lange, breite, ſchwere Witzſtücke, woran drei
Blei hängen, das bekannte Fabrikzeichen der deutſchen
Satyre. Es iſt aber merkwürdig, was ich bei den
Fabrikanten Kredit habe! Sie ſchicken mir ihre Waare
unbeſtellt, unverlangt, und ſcheinen ganz unbekümmert,
ob ich ſie einmal bezahlen werde oder nicht. Aber
ich bezahle ſie — ehrlich währt am längſten.

Ein ſolches Witzſtück erhielt ich geſtern in meinem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0260" n="246"/>
heimer Zeitung von den Heidelberger Studenten noch<lb/>
niemals Prügel bekommen.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Soviel ich das undeutlich ge&#x017F;chriebene Motto<lb/>
aus dem Tacitus le&#x017F;en kann, heißt es in deut&#x017F;cher<lb/>
Ueber&#x017F;etzung ohngefähr wie folgt: &#x201E;Nicht blos gegen<lb/>
&#x201E;die Schrift&#x017F;teller, &#x017F;ondern auch gegen deren Werke,<lb/>
&#x201E;wurde auf Befehl der Triumviren mit Erbitterung<lb/>
&#x201E;verfahren, und die Denkmäler der erhaben&#x017F;ten Gei&#x017F;ter<lb/>
&#x201E;wurden auf dem Forum verbrannt &#x2014; als könnten<lb/>
&#x201E;durch Feuer die Klagen des römi&#x017F;chen Volks, die Frei¬<lb/>
&#x201E;heit des Senats und das Gefühl des ganzen Men¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;chenge&#x017F;chlechts vernichtet werden!&#x201C;</p><lb/>
        </div>
        <div>
          <dateline> <hi rendition="#right">Mittwoch, den 7. März.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Nicht auf Myrons Kuh wurden zu ihrer Zeit &#x017F;o<lb/>
viele Epigramme gemacht, als in Deut&#x017F;chland &#x017F;eit eini¬<lb/>
gen Monaten auf mich gemacht wurden! Und es &#x017F;ind<lb/>
nicht blos kleine Schaumu&#x017F;ter von Witz, von Fingers¬<lb/>
länge, wie jene griechi&#x017F;chen waren; &#x017F;ondern es &#x017F;ind<lb/>
ganze lange, breite, &#x017F;chwere Witz&#x017F;tücke, woran drei<lb/>
Blei hängen, das bekannte Fabrikzeichen der deut&#x017F;chen<lb/>
Satyre. Es i&#x017F;t aber merkwürdig, was ich bei den<lb/>
Fabrikanten Kredit habe! Sie &#x017F;chicken mir ihre Waare<lb/>
unbe&#x017F;tellt, unverlangt, und &#x017F;cheinen ganz unbekümmert,<lb/>
ob ich &#x017F;ie einmal bezahlen werde oder nicht. Aber<lb/>
ich bezahle &#x017F;ie &#x2014; ehrlich währt am läng&#x017F;ten.</p><lb/>
          <p>Ein &#x017F;olches Witz&#x017F;tück erhielt ich ge&#x017F;tern in meinem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0260] heimer Zeitung von den Heidelberger Studenten noch niemals Prügel bekommen. — Soviel ich das undeutlich geſchriebene Motto aus dem Tacitus leſen kann, heißt es in deutſcher Ueberſetzung ohngefähr wie folgt: „Nicht blos gegen „die Schriftſteller, ſondern auch gegen deren Werke, „wurde auf Befehl der Triumviren mit Erbitterung „verfahren, und die Denkmäler der erhabenſten Geiſter „wurden auf dem Forum verbrannt — als könnten „durch Feuer die Klagen des römiſchen Volks, die Frei¬ „heit des Senats und das Gefühl des ganzen Men¬ „ſchengeſchlechts vernichtet werden!“ Mittwoch, den 7. März. Nicht auf Myrons Kuh wurden zu ihrer Zeit ſo viele Epigramme gemacht, als in Deutſchland ſeit eini¬ gen Monaten auf mich gemacht wurden! Und es ſind nicht blos kleine Schaumuſter von Witz, von Fingers¬ länge, wie jene griechiſchen waren; ſondern es ſind ganze lange, breite, ſchwere Witzſtücke, woran drei Blei hängen, das bekannte Fabrikzeichen der deutſchen Satyre. Es iſt aber merkwürdig, was ich bei den Fabrikanten Kredit habe! Sie ſchicken mir ihre Waare unbeſtellt, unverlangt, und ſcheinen ganz unbekümmert, ob ich ſie einmal bezahlen werde oder nicht. Aber ich bezahle ſie — ehrlich währt am längſten. Ein ſolches Witzſtück erhielt ich geſtern in meinem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/260
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/260>, abgerufen am 21.11.2024.