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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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gekommen; und wie der Medizinalrath wirklich außer
sich gekommen vor Ungeduld, und nach Hause ge¬
gangen, seine Rapsodien gegen mich geschrieben, den
andern Tag wiedergekommen, und sie aus Rache dem
Robert auch vorgelesen -- ist das nicht Alles schön
vom Anfange bis zum Ende, mit Ausnahme der
Punktarmuth im langen Satze, welcher erst die
Hälfte seines Wegs zurückgelegt, die ich aber vor¬
setzlich mildthätig aufgenommen, um mich auf das
Polizei-Amt würdig vorzubereiten, und dann den
Medizinalrath, seine Vollpünktlichkeit nämlich, damit
homöopatisch zu heilen, und ihn dabei an das zu er¬
innern, was Horaz sagt in seiner Poeten-Kunst:
omne tulit punctum qui miscuit utile dulci,
welches auf Deutsch heißt für Frauenzimmer: Punkte
sind nützlich und angenehm, doch nicht zu viel und
nicht zu wenig? Und fragen Sie mich nicht, was
das Fragezeichen bedeute am Ende des Satzes, ich
habe es vergessen; und fragen Sie mich gar nichts,
bis ich mich ausgeruht, .... Jetzt fragen Sie,
aber nicht was Herr Pittschaft eigentlich will? denn
ich weiß es nicht. Er sagt: Ich wäre eine Leuchte,
und ein Prophet, und ein brennender Busch,
und ein Repräsentant der sieben fetten Kühe,
(Ach, hätten alle Volksvertreter nur solche fette
Committenten, dann brauchte man gar keine reprä¬
sentative Verfassungen!) und ein Dornbusch. Und

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gekommen; und wie der Medizinalrath wirklich außer
ſich gekommen vor Ungeduld, und nach Hauſe ge¬
gangen, ſeine Rapſodien gegen mich geſchrieben, den
andern Tag wiedergekommen, und ſie aus Rache dem
Robert auch vorgeleſen — iſt das nicht Alles ſchön
vom Anfange bis zum Ende, mit Ausnahme der
Punktarmuth im langen Satze, welcher erſt die
Hälfte ſeines Wegs zurückgelegt, die ich aber vor¬
ſetzlich mildthätig aufgenommen, um mich auf das
Polizei-Amt würdig vorzubereiten, und dann den
Medizinalrath, ſeine Vollpünktlichkeit nämlich, damit
homöopatiſch zu heilen, und ihn dabei an das zu er¬
innern, was Horaz ſagt in ſeiner Poeten-Kunſt:
omne tulit punctum qui miscuit utile dulci,
welches auf Deutſch heißt für Frauenzimmer: Punkte
ſind nützlich und angenehm, doch nicht zu viel und
nicht zu wenig? Und fragen Sie mich nicht, was
das Fragezeichen bedeute am Ende des Satzes, ich
habe es vergeſſen; und fragen Sie mich gar nichts,
bis ich mich ausgeruht, .... Jetzt fragen Sie,
aber nicht was Herr Pittſchaft eigentlich will? denn
ich weiß es nicht. Er ſagt: Ich wäre eine Leuchte,
und ein Prophet, und ein brennender Buſch,
und ein Repräſentant der ſieben fetten Kühe,
(Ach, hätten alle Volksvertreter nur ſolche fette
Committenten, dann brauchte man gar keine reprä¬
ſentative Verfaſſungen!) und ein Dornbuſch. Und

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[67/0081] gekommen; und wie der Medizinalrath wirklich außer ſich gekommen vor Ungeduld, und nach Hauſe ge¬ gangen, ſeine Rapſodien gegen mich geſchrieben, den andern Tag wiedergekommen, und ſie aus Rache dem Robert auch vorgeleſen — iſt das nicht Alles ſchön vom Anfange bis zum Ende, mit Ausnahme der Punktarmuth im langen Satze, welcher erſt die Hälfte ſeines Wegs zurückgelegt, die ich aber vor¬ ſetzlich mildthätig aufgenommen, um mich auf das Polizei-Amt würdig vorzubereiten, und dann den Medizinalrath, ſeine Vollpünktlichkeit nämlich, damit homöopatiſch zu heilen, und ihn dabei an das zu er¬ innern, was Horaz ſagt in ſeiner Poeten-Kunſt: omne tulit punctum qui miscuit utile dulci, welches auf Deutſch heißt für Frauenzimmer: Punkte ſind nützlich und angenehm, doch nicht zu viel und nicht zu wenig? Und fragen Sie mich nicht, was das Fragezeichen bedeute am Ende des Satzes, ich habe es vergeſſen; und fragen Sie mich gar nichts, bis ich mich ausgeruht, .... Jetzt fragen Sie, aber nicht was Herr Pittſchaft eigentlich will? denn ich weiß es nicht. Er ſagt: Ich wäre eine Leuchte, und ein Prophet, und ein brennender Buſch, und ein Repräſentant der ſieben fetten Kühe, (Ach, hätten alle Volksvertreter nur ſolche fette Committenten, dann brauchte man gar keine reprä¬ ſentative Verfaſſungen!) und ein Dornbuſch. Und 5*

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/81>, abgerufen am 21.11.2024.