ihrer vergebenen List. Das Vaterland herabwürdi¬ gen! Deutsches Volk beschimpfen! Hätte ich wirk¬ lich gethan, was sie durch ihre Ausrufer mich be¬ schuldigen lassen -- die Hände küßten sie mir dafür! Vaterland, Volk, Ehre, Schande, das sind den Ari¬ stokraten nur mythologische Geschöpfe, und sie hätten mich glücklichen Jäger bewundert, dem solche Fabel¬ thiere einmal wirklich in den Schuß gekommen, und der sie getroffen und dann abgethan. Ihr Vater¬ land ist der Hof; ihre Ehre ist in der Unterwürfig¬ keit des Volks; ihre Schande in dessen Freiheit, und das Volk ist nichts, ein Stuhl, ein Tisch, ein Ofen, das man weder schänden noch ehren kann. Vor solchen Menschen soll ich mich fürchten? Sie, ohne Herz und ohne Gott, was vermögen sie mir gegenüber, der ich liebe und glaube? Mit einem einzigen Worte durchbreche ich den Nebel ihrer Ver¬ läumdungen; mit einer einzigen Zeile zünde ich ihre Lügenbände an, und verbrenne sie zu Asche. Ich erwarte sie, wenn ich nach Deutschland komme.
Gestern las ich wieder in hiesigen Blättern von Mauthzerstörungen im Hessischen, ich weiß aber nicht, ob das die alten oder neuen Geschichten sind. Indessen wahrscheinlich das Erstere, da Sie mir in Ihren letzten Briefen von keinen spätern Vorfällen schreiben. Das sind recht traurige Verhältnisse, und am traurigsten ist, daß sich die Regierungen nicht zu
ihrer vergebenen Liſt. Das Vaterland herabwürdi¬ gen! Deutſches Volk beſchimpfen! Hätte ich wirk¬ lich gethan, was ſie durch ihre Ausrufer mich be¬ ſchuldigen laſſen — die Hände küßten ſie mir dafür! Vaterland, Volk, Ehre, Schande, das ſind den Ari¬ ſtokraten nur mythologiſche Geſchöpfe, und ſie hätten mich glücklichen Jäger bewundert, dem ſolche Fabel¬ thiere einmal wirklich in den Schuß gekommen, und der ſie getroffen und dann abgethan. Ihr Vater¬ land iſt der Hof; ihre Ehre iſt in der Unterwürfig¬ keit des Volks; ihre Schande in deſſen Freiheit, und das Volk iſt nichts, ein Stuhl, ein Tiſch, ein Ofen, das man weder ſchänden noch ehren kann. Vor ſolchen Menſchen ſoll ich mich fürchten? Sie, ohne Herz und ohne Gott, was vermögen ſie mir gegenüber, der ich liebe und glaube? Mit einem einzigen Worte durchbreche ich den Nebel ihrer Ver¬ läumdungen; mit einer einzigen Zeile zünde ich ihre Lügenbände an, und verbrenne ſie zu Aſche. Ich erwarte ſie, wenn ich nach Deutſchland komme.
Geſtern las ich wieder in hieſigen Blättern von Mauthzerſtörungen im Heſſiſchen, ich weiß aber nicht, ob das die alten oder neuen Geſchichten ſind. Indeſſen wahrſcheinlich das Erſtere, da Sie mir in Ihren letzten Briefen von keinen ſpätern Vorfällen ſchreiben. Das ſind recht traurige Verhältniſſe, und am traurigſten iſt, daß ſich die Regierungen nicht zu
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ihrer vergebenen Liſt. Das Vaterland herabwürdi¬
gen! Deutſches Volk beſchimpfen! Hätte ich wirk¬
lich gethan, was ſie durch ihre Ausrufer mich be¬
ſchuldigen laſſen — die Hände küßten ſie mir dafür!
Vaterland, Volk, Ehre, Schande, das ſind den Ari¬
ſtokraten nur mythologiſche Geſchöpfe, und ſie hätten
mich glücklichen Jäger bewundert, dem ſolche Fabel¬
thiere einmal wirklich in den Schuß gekommen, und
der ſie getroffen und dann abgethan. Ihr Vater¬
land iſt der Hof; ihre Ehre iſt in der Unterwürfig¬
keit des Volks; ihre Schande in deſſen Freiheit, und
das Volk iſt nichts, ein Stuhl, ein Tiſch, ein Ofen,
das man weder ſchänden noch ehren kann. Vor
ſolchen Menſchen ſoll ich mich fürchten? Sie,
ohne Herz und ohne Gott, was vermögen ſie mir
gegenüber, der ich liebe und glaube? Mit einem
einzigen Worte durchbreche ich den Nebel ihrer Ver¬
läumdungen; mit einer einzigen Zeile zünde ich ihre
Lügenbände an, und verbrenne ſie zu Aſche. Ich
erwarte ſie, wenn ich nach Deutſchland komme.
Geſtern las ich wieder in hieſigen Blättern
von Mauthzerſtörungen im Heſſiſchen, ich weiß aber
nicht, ob das die alten oder neuen Geſchichten ſind.
Indeſſen wahrſcheinlich das Erſtere, da Sie mir in
Ihren letzten Briefen von keinen ſpätern Vorfällen
ſchreiben. Das ſind recht traurige Verhältniſſe, und
am traurigſten iſt, daß ſich die Regierungen nicht zu
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/92>, abgerufen am 16.02.2025.
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