Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Vierzehnter Brief.

Louis Philipp, der gute Friedensrichter, hat
seine Gerichtsdiener, nachdem sie jetzt den König von
Holland ausgepfändet, gleich wieder aus Belgien zu¬
rückgerufen. Ich fange an zu glauben, der Mann
ist ein Philister. Es wäre merkwürdig! Ist er
kein Bösewicht, oder ist er nicht wahnsinnig, ist er
ein Philister. Seine königlichen Vorfahren, durch
viele Jahrhunderte, waren der Reihe nach, einige
groß, die meisten klein; manchmal gut, öfter schlecht;
viele leer, die meisten unmäßig. Aber so glatt ge¬
strichen, wie ein Scheffel Hafer, gleich diesem Louis
Philipp, war noch kein französischer König. Die
Andern hatten ihre Leidenschaften, sie hatten ihre
Krankheiten; aber diese Leidenschaft der Ruhe, dieses
Ordnungsfieber hatte keiner von ihnen. O Gott!
mußte ich das noch erleben, daß die Könige Hofräthe

Vierzehnter Brief.

Louis Philipp, der gute Friedensrichter, hat
ſeine Gerichtsdiener, nachdem ſie jetzt den König von
Holland ausgepfändet, gleich wieder aus Belgien zu¬
rückgerufen. Ich fange an zu glauben, der Mann
iſt ein Philiſter. Es wäre merkwürdig! Iſt er
kein Böſewicht, oder iſt er nicht wahnſinnig, iſt er
ein Philiſter. Seine königlichen Vorfahren, durch
viele Jahrhunderte, waren der Reihe nach, einige
groß, die meiſten klein; manchmal gut, öfter ſchlecht;
viele leer, die meiſten unmäßig. Aber ſo glatt ge¬
ſtrichen, wie ein Scheffel Hafer, gleich dieſem Louis
Philipp, war noch kein franzöſiſcher König. Die
Andern hatten ihre Leidenſchaften, ſie hatten ihre
Krankheiten; aber dieſe Leidenſchaft der Ruhe, dieſes
Ordnungsfieber hatte keiner von ihnen. O Gott!
mußte ich das noch erleben, daß die Könige Hofräthe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0164" n="[152]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Vierzehnter Brief.</hi><lb/>
          </head>
          <dateline rendition="#right">Paris, Sonntag, den 30. Dezember 1832.</dateline><lb/>
          <p>Louis Philipp, der gute Friedensrichter, hat<lb/>
&#x017F;eine Gerichtsdiener, nachdem &#x017F;ie jetzt den König von<lb/>
Holland ausgepfändet, gleich wieder aus Belgien zu¬<lb/>
rückgerufen. Ich fange an zu glauben, der Mann<lb/>
i&#x017F;t ein Phili&#x017F;ter. Es wäre merkwürdig! I&#x017F;t er<lb/>
kein Bö&#x017F;ewicht, oder i&#x017F;t er nicht wahn&#x017F;innig, i&#x017F;t er<lb/>
ein Phili&#x017F;ter. Seine königlichen Vorfahren, durch<lb/>
viele Jahrhunderte, waren der Reihe nach, einige<lb/>
groß, die mei&#x017F;ten klein; manchmal gut, öfter &#x017F;chlecht;<lb/>
viele leer, die mei&#x017F;ten unmäßig. Aber &#x017F;o glatt ge¬<lb/>
&#x017F;trichen, wie ein Scheffel Hafer, gleich die&#x017F;em Louis<lb/>
Philipp, war noch kein franzö&#x017F;i&#x017F;cher König. Die<lb/>
Andern hatten ihre Leiden&#x017F;chaften, &#x017F;ie hatten ihre<lb/>
Krankheiten; aber die&#x017F;e Leiden&#x017F;chaft der Ruhe, die&#x017F;es<lb/>
Ordnungsfieber hatte keiner von ihnen. O Gott!<lb/>
mußte ich das noch erleben, daß die Könige Hofräthe<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[152]/0164] Vierzehnter Brief. Paris, Sonntag, den 30. Dezember 1832. Louis Philipp, der gute Friedensrichter, hat ſeine Gerichtsdiener, nachdem ſie jetzt den König von Holland ausgepfändet, gleich wieder aus Belgien zu¬ rückgerufen. Ich fange an zu glauben, der Mann iſt ein Philiſter. Es wäre merkwürdig! Iſt er kein Böſewicht, oder iſt er nicht wahnſinnig, iſt er ein Philiſter. Seine königlichen Vorfahren, durch viele Jahrhunderte, waren der Reihe nach, einige groß, die meiſten klein; manchmal gut, öfter ſchlecht; viele leer, die meiſten unmäßig. Aber ſo glatt ge¬ ſtrichen, wie ein Scheffel Hafer, gleich dieſem Louis Philipp, war noch kein franzöſiſcher König. Die Andern hatten ihre Leidenſchaften, ſie hatten ihre Krankheiten; aber dieſe Leidenſchaft der Ruhe, dieſes Ordnungsfieber hatte keiner von ihnen. O Gott! mußte ich das noch erleben, daß die Könige Hofräthe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/164
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. [152]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/164>, abgerufen am 27.11.2024.