Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.Er sagt: "Ich habe Hunger und Durst nach Ruhe; Er ſagt: „Ich habe Hunger und Durſt nach Ruhe; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <div> <p><pb facs="#f0193" n="181"/> Er ſagt: „Ich habe Hunger und Durſt nach Ruhe;<lb/> „es kann mir keiner läſtiger ſein als ich es mir ſelbſt<lb/> „bin; aber ich ſuche mich mit meiner eignen Achtung<lb/> „von der Welt zurückzuziehen: man ſehe ſich vor<lb/> „welche Geſellſchaft man in der Einſamkeit wähle.“<lb/> Nun, warum hat er nicht gleich das erſtemal als er<lb/> Paris verließ ſeine Selbſtachtung mitgenommen?<lb/> Wie vergißt man dreimal ſein Paket zu machen?<lb/> Ja, die Berry iſt unterdeſſen gefangen worden!<lb/> Nun was geht ihn die Herzogin an? Man höre,<lb/> „meine <hi rendition="#g">Denkſchrift über das Leben und den</hi><lb/> „<hi rendition="#g">Tod des Herzogs von Berry</hi>, in die Haare<lb/> „der Wittwe gewickelt, die jetzt im Kerker ſchmachtet,<lb/> „liegt bei dem Herzen, das Louvel dem Herzen Hein¬<lb/> „richs <hi rendition="#aq">IV</hi>. noch ähnlicher machte. Ich habe dieſe<lb/> „<hi rendition="#g">ausgezeichnete Ehre</hi> (<hi rendition="#aq">insigne honneur</hi>) nicht<lb/> „vergeſſen, die im gegenwärtigen Augenblicke die Be¬<lb/> „zahlung fordert; ich fühle lebhaft meine Schuld.“<lb/> Das iſt artig. Ich ließe es mir ſelbſt gut gefallen,<lb/> wenn eine ſchöne Witte ihr langes ſeidnes Haar um<lb/> meine Schriften flechtete; aber ſie hineinlegen in die<lb/> Todesurne, zu dem Herzen ihres Mannes — nichts<lb/> da! Man kann nicht wiſſen, ob ſie nicht eine Wittwe<lb/> von Epheſus iſt, die nach vier Wochen die Haare<lb/> wieder herausnimmt, ſie ihrem neuen Liebhaber zu<lb/> ſchenken, und dann meine Schriften allein verfaulen<lb/> läßt bei dem Herzen des geliebten Todten. Nichts<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [181/0193]
Er ſagt: „Ich habe Hunger und Durſt nach Ruhe;
„es kann mir keiner läſtiger ſein als ich es mir ſelbſt
„bin; aber ich ſuche mich mit meiner eignen Achtung
„von der Welt zurückzuziehen: man ſehe ſich vor
„welche Geſellſchaft man in der Einſamkeit wähle.“
Nun, warum hat er nicht gleich das erſtemal als er
Paris verließ ſeine Selbſtachtung mitgenommen?
Wie vergißt man dreimal ſein Paket zu machen?
Ja, die Berry iſt unterdeſſen gefangen worden!
Nun was geht ihn die Herzogin an? Man höre,
„meine Denkſchrift über das Leben und den
„Tod des Herzogs von Berry, in die Haare
„der Wittwe gewickelt, die jetzt im Kerker ſchmachtet,
„liegt bei dem Herzen, das Louvel dem Herzen Hein¬
„richs IV. noch ähnlicher machte. Ich habe dieſe
„ausgezeichnete Ehre (insigne honneur) nicht
„vergeſſen, die im gegenwärtigen Augenblicke die Be¬
„zahlung fordert; ich fühle lebhaft meine Schuld.“
Das iſt artig. Ich ließe es mir ſelbſt gut gefallen,
wenn eine ſchöne Witte ihr langes ſeidnes Haar um
meine Schriften flechtete; aber ſie hineinlegen in die
Todesurne, zu dem Herzen ihres Mannes — nichts
da! Man kann nicht wiſſen, ob ſie nicht eine Wittwe
von Epheſus iſt, die nach vier Wochen die Haare
wieder herausnimmt, ſie ihrem neuen Liebhaber zu
ſchenken, und dann meine Schriften allein verfaulen
läßt bei dem Herzen des geliebten Todten. Nichts
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