"Bildung ihm den Gedanken der Gewaltthätigkeit ge¬ "nommen haben. Keine Parthei, kein Mensch glaubt "innerlich an den Bestand der gegenwärtigen Ord¬ "nung der Dinge -- für eine Regierung die aller¬ "gefährlichste Stimmung. Die Quasi-Legitimität, "sich für stark, entschlossen, unerschrocken ausgebend; "Willkühr für Kraft, den unverschämtesten Gesetzes¬ "bruch für Gesetzlichkeit haltend, gibt über die Prin¬ "zipien nach und verträgt sich mit Allem was ihr "Furcht macht. Sie erhält sich nur, durch das vor¬ "gehaltene Schreckbild einer noch schlimmern Zukunft "als sie selbst ist; sie stellt sich als eine traurige "Nothwendigkeit dar und sagt: (sonderbarer Anspruch "auf das öffentliche Vertrauen!) ich bin immer "noch besser, als das was kommen wird. "Das ist so ausgemacht nicht."
"Vierzigjährige Stürme haben die stärksten "Seelen niedergeworfen; die Gefühllosigkeit ist groß, "der Egoismus fast allgemein; man duckt sich um un¬ "bemerkt zu bleiben und sich in Frieden durchzubrin¬ "gen. Wie nach einer Schlacht die Leichen die Luft "verderben, so bleiben nach jeder Revolution ange¬ "fressene Menschen übrig, die Alles mit ihrem Eiter "beschmutzen."
"Die Freiheit ist nirgends mehr als in den "Herzen einiger Wenigen, die würdig sind ihr eine
„Bildung ihm den Gedanken der Gewaltthätigkeit ge¬ „nommen haben. Keine Parthei, kein Menſch glaubt „innerlich an den Beſtand der gegenwärtigen Ord¬ „nung der Dinge — für eine Regierung die aller¬ „gefährlichſte Stimmung. Die Quaſi-Legitimität, „ſich für ſtark, entſchloſſen, unerſchrocken ausgebend; „Willkühr für Kraft, den unverſchämteſten Geſetzes¬ „bruch für Geſetzlichkeit haltend, gibt über die Prin¬ „zipien nach und verträgt ſich mit Allem was ihr „Furcht macht. Sie erhält ſich nur, durch das vor¬ „gehaltene Schreckbild einer noch ſchlimmern Zukunft „als ſie ſelbſt iſt; ſie ſtellt ſich als eine traurige „Nothwendigkeit dar und ſagt: (ſonderbarer Anſpruch „auf das öffentliche Vertrauen!) ich bin immer „noch beſſer, als das was kommen wird. „Das iſt ſo ausgemacht nicht.“
„Vierzigjährige Stürme haben die ſtärkſten „Seelen niedergeworfen; die Gefühlloſigkeit iſt groß, „der Egoismus faſt allgemein; man duckt ſich um un¬ „bemerkt zu bleiben und ſich in Frieden durchzubrin¬ „gen. Wie nach einer Schlacht die Leichen die Luft „verderben, ſo bleiben nach jeder Revolution ange¬ „freſſene Menſchen übrig, die Alles mit ihrem Eiter „beſchmutzen.“
„Die Freiheit iſt nirgends mehr als in den „Herzen einiger Wenigen, die würdig ſind ihr eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0218"n="206"/>„Bildung ihm den Gedanken der Gewaltthätigkeit ge¬<lb/>„nommen haben. Keine Parthei, kein Menſch glaubt<lb/>„innerlich an den Beſtand der gegenwärtigen Ord¬<lb/>„nung der Dinge — für eine Regierung die aller¬<lb/>„gefährlichſte Stimmung. Die Quaſi-Legitimität,<lb/>„ſich für ſtark, entſchloſſen, unerſchrocken ausgebend;<lb/>„Willkühr für Kraft, den unverſchämteſten Geſetzes¬<lb/>„bruch für Geſetzlichkeit haltend, gibt über die Prin¬<lb/>„zipien nach und verträgt ſich mit Allem was ihr<lb/>„Furcht macht. Sie erhält ſich nur, durch das vor¬<lb/>„gehaltene Schreckbild einer noch ſchlimmern Zukunft<lb/>„als ſie ſelbſt iſt; ſie ſtellt ſich als eine traurige<lb/>„Nothwendigkeit dar und ſagt: (ſonderbarer Anſpruch<lb/>„auf das öffentliche Vertrauen!) <hirendition="#g">ich bin immer<lb/>„noch beſſer</hi>, <hirendition="#g">als das was kommen wird</hi>.<lb/>„Das iſt ſo ausgemacht nicht.“</p><lb/><p>„Vierzigjährige Stürme haben die ſtärkſten<lb/>„Seelen niedergeworfen; die Gefühlloſigkeit iſt groß,<lb/>„der Egoismus faſt allgemein; man duckt ſich um un¬<lb/>„bemerkt zu bleiben und ſich in Frieden durchzubrin¬<lb/>„gen. Wie nach einer Schlacht die Leichen die Luft<lb/>„verderben, ſo bleiben nach jeder Revolution ange¬<lb/>„freſſene Menſchen übrig, die Alles mit ihrem Eiter<lb/>„beſchmutzen.“</p><lb/><p>„Die Freiheit iſt nirgends mehr als in den<lb/>„Herzen einiger Wenigen, die würdig ſind ihr eine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[206/0218]
„Bildung ihm den Gedanken der Gewaltthätigkeit ge¬
„nommen haben. Keine Parthei, kein Menſch glaubt
„innerlich an den Beſtand der gegenwärtigen Ord¬
„nung der Dinge — für eine Regierung die aller¬
„gefährlichſte Stimmung. Die Quaſi-Legitimität,
„ſich für ſtark, entſchloſſen, unerſchrocken ausgebend;
„Willkühr für Kraft, den unverſchämteſten Geſetzes¬
„bruch für Geſetzlichkeit haltend, gibt über die Prin¬
„zipien nach und verträgt ſich mit Allem was ihr
„Furcht macht. Sie erhält ſich nur, durch das vor¬
„gehaltene Schreckbild einer noch ſchlimmern Zukunft
„als ſie ſelbſt iſt; ſie ſtellt ſich als eine traurige
„Nothwendigkeit dar und ſagt: (ſonderbarer Anſpruch
„auf das öffentliche Vertrauen!) ich bin immer
„noch beſſer, als das was kommen wird.
„Das iſt ſo ausgemacht nicht.“
„Vierzigjährige Stürme haben die ſtärkſten
„Seelen niedergeworfen; die Gefühlloſigkeit iſt groß,
„der Egoismus faſt allgemein; man duckt ſich um un¬
„bemerkt zu bleiben und ſich in Frieden durchzubrin¬
„gen. Wie nach einer Schlacht die Leichen die Luft
„verderben, ſo bleiben nach jeder Revolution ange¬
„freſſene Menſchen übrig, die Alles mit ihrem Eiter
„beſchmutzen.“
„Die Freiheit iſt nirgends mehr als in den
„Herzen einiger Wenigen, die würdig ſind ihr eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/218>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.