Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.könnte ich das auch begreifen. Aber in einem So heimlich wurde das Gericht gehalten, daß könnte ich das auch begreifen. Aber in einem So heimlich wurde das Gericht gehalten, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0204" n="192"/> könnte ich das auch begreifen. Aber in einem<lb/> heimlichen Gerichte, vor Richtern, vor gelehrten und<lb/> gebildeten Männern, die das alle eben ſo gut wiſſen<lb/> als Welcker, aber es entweder nicht beachten wollen<lb/> oder nicht beachten dürfen, fünf Stunden zu ſprechen,<lb/> das zeigt große Schwäche an. Fünf Stunden!<lb/> Erinnern Sie ſich noch, was ich Ihnen vorigen<lb/> Winter geſchrieben: wie hier einer der Geſchwornen,<lb/> auch bei einem unbedeutenden Preßprozeße, nach<lb/> dem der Advokat des Angeſchuldigten ſchon<lb/> anderthalb Stunden geſprochen, plötzlich aufſtand<lb/> und rief: haltet ein, ſonſt rührt mich der Schlag,<lb/> und wie er nach Hauſe ging und ihn wirklich der<lb/> Schlag gerührt? Nun wahrlich, wäre ich einer von<lb/> Welckers Richtern geweſen und der Schlag hätte<lb/> mich verſchont, hätte ich fromm die Hände gefaltet,<lb/> die Augen zur Erde gerichtet und gebetet: „o du<lb/> heiliger Rhadamantus da unten ſtärke mich, daß ich<lb/> gerecht bleibe, denn es gelüſtet mich ſehr, den armen<lb/> unſchuldigen Mann der da vor mir ſteht, für jede<lb/> Stunde die er geſprochen, auf ein Jahr zum Ge¬<lb/> fängniß zu verurtheilen!</p><lb/> <p>So heimlich wurde das Gericht gehalten, daß<lb/> man Wachen außen vor die Fenſter ſtellte, aus<lb/> Furcht es möchte jemand horchen. Welcker wurde<lb/> freigeſprochen und Abends brachten die Bürger<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0204]
könnte ich das auch begreifen. Aber in einem
heimlichen Gerichte, vor Richtern, vor gelehrten und
gebildeten Männern, die das alle eben ſo gut wiſſen
als Welcker, aber es entweder nicht beachten wollen
oder nicht beachten dürfen, fünf Stunden zu ſprechen,
das zeigt große Schwäche an. Fünf Stunden!
Erinnern Sie ſich noch, was ich Ihnen vorigen
Winter geſchrieben: wie hier einer der Geſchwornen,
auch bei einem unbedeutenden Preßprozeße, nach
dem der Advokat des Angeſchuldigten ſchon
anderthalb Stunden geſprochen, plötzlich aufſtand
und rief: haltet ein, ſonſt rührt mich der Schlag,
und wie er nach Hauſe ging und ihn wirklich der
Schlag gerührt? Nun wahrlich, wäre ich einer von
Welckers Richtern geweſen und der Schlag hätte
mich verſchont, hätte ich fromm die Hände gefaltet,
die Augen zur Erde gerichtet und gebetet: „o du
heiliger Rhadamantus da unten ſtärke mich, daß ich
gerecht bleibe, denn es gelüſtet mich ſehr, den armen
unſchuldigen Mann der da vor mir ſteht, für jede
Stunde die er geſprochen, auf ein Jahr zum Ge¬
fängniß zu verurtheilen!
So heimlich wurde das Gericht gehalten, daß
man Wachen außen vor die Fenſter ſtellte, aus
Furcht es möchte jemand horchen. Welcker wurde
freigeſprochen und Abends brachten die Bürger
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