Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Die zwei jungen Leute, welche eines Mordver¬
suches gegen den König angeklagt waren, sind gestern
Abend frei gesprochen worden. Ich müßte noch
Holz auf vier Wochen haben, um mich gehörig über
alle die Schändlichkeiten der geheimen Polizei aus¬
zusprechen, die bei dieser Gelegenheit wieder an den
Tag gekommen. Sie werden die Verhandlungen in
den Zeitungen lesen. Wie wohl muß sich ein
Deutscher in einem Lande fühlen, wo er unter dem
Schutze des Volkes steht, und wo ihn weder die
giftigen Blicke noch die Fußtritte eines erboßten
Königs erreichen können! Wahrlich in Frankreich
fühlt sich selbst ein Verbrecher im Kerker freier,
als in Baiern ein Unschuldiger selbst in der Freiheit.
Der französischen Regierung war es natürlich nicht
darum zu thun, zwei unschuldige junge Leute auf
das Schaffot zu bringen -- von dieser Grausamkeit
ist sie weit entfernt, und noch entfernter ist sie von
jener Pedanterie, die in Deutschland den Despo¬
tismus so furchtbar macht. Die Angeklagten wären,


Die zwei jungen Leute, welche eines Mordver¬
ſuches gegen den König angeklagt waren, ſind geſtern
Abend frei geſprochen worden. Ich müßte noch
Holz auf vier Wochen haben, um mich gehörig über
alle die Schändlichkeiten der geheimen Polizei aus¬
zuſprechen, die bei dieſer Gelegenheit wieder an den
Tag gekommen. Sie werden die Verhandlungen in
den Zeitungen leſen. Wie wohl muß ſich ein
Deutſcher in einem Lande fühlen, wo er unter dem
Schutze des Volkes ſteht, und wo ihn weder die
giftigen Blicke noch die Fußtritte eines erboßten
Königs erreichen können! Wahrlich in Frankreich
fühlt ſich ſelbſt ein Verbrecher im Kerker freier,
als in Baiern ein Unſchuldiger ſelbſt in der Freiheit.
Der franzöſiſchen Regierung war es natürlich nicht
darum zu thun, zwei unſchuldige junge Leute auf
das Schaffot zu bringen — von dieſer Grauſamkeit
iſt ſie weit entfernt, und noch entfernter iſt ſie von
jener Pedanterie, die in Deutſchland den Despo¬
tismus ſo furchtbar macht. Die Angeklagten wären,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0242" n="230"/>
        <div>
          <dateline rendition="#right">Dien&#x017F;tag, den 19. März.</dateline><lb/>
          <p>Die zwei jungen Leute, welche eines Mordver¬<lb/>
&#x017F;uches gegen den König angeklagt waren, &#x017F;ind ge&#x017F;tern<lb/>
Abend frei ge&#x017F;prochen worden. Ich müßte noch<lb/>
Holz auf vier Wochen haben, um mich gehörig über<lb/>
alle die Schändlichkeiten der geheimen Polizei aus¬<lb/>
zu&#x017F;prechen, die bei die&#x017F;er Gelegenheit wieder an den<lb/>
Tag gekommen. Sie werden die Verhandlungen in<lb/>
den Zeitungen le&#x017F;en. Wie wohl muß &#x017F;ich ein<lb/>
Deut&#x017F;cher in einem Lande fühlen, wo er unter dem<lb/>
Schutze des Volkes &#x017F;teht, und wo ihn weder die<lb/>
giftigen Blicke noch die Fußtritte eines erboßten<lb/>
Königs erreichen können! Wahrlich in Frankreich<lb/>
fühlt &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ein Verbrecher im Kerker freier,<lb/>
als in Baiern ein Un&#x017F;chuldiger &#x017F;elb&#x017F;t in der Freiheit.<lb/>
Der franzö&#x017F;i&#x017F;chen Regierung war es natürlich nicht<lb/>
darum zu thun, zwei un&#x017F;chuldige junge Leute auf<lb/>
das Schaffot zu bringen &#x2014; von die&#x017F;er Grau&#x017F;amkeit<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie weit entfernt, und noch entfernter i&#x017F;t &#x017F;ie von<lb/>
jener Pedanterie, die in Deut&#x017F;chland den Despo¬<lb/>
tismus &#x017F;o furchtbar macht. Die Angeklagten wären,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0242] Dienſtag, den 19. März. Die zwei jungen Leute, welche eines Mordver¬ ſuches gegen den König angeklagt waren, ſind geſtern Abend frei geſprochen worden. Ich müßte noch Holz auf vier Wochen haben, um mich gehörig über alle die Schändlichkeiten der geheimen Polizei aus¬ zuſprechen, die bei dieſer Gelegenheit wieder an den Tag gekommen. Sie werden die Verhandlungen in den Zeitungen leſen. Wie wohl muß ſich ein Deutſcher in einem Lande fühlen, wo er unter dem Schutze des Volkes ſteht, und wo ihn weder die giftigen Blicke noch die Fußtritte eines erboßten Königs erreichen können! Wahrlich in Frankreich fühlt ſich ſelbſt ein Verbrecher im Kerker freier, als in Baiern ein Unſchuldiger ſelbſt in der Freiheit. Der franzöſiſchen Regierung war es natürlich nicht darum zu thun, zwei unſchuldige junge Leute auf das Schaffot zu bringen — von dieſer Grauſamkeit iſt ſie weit entfernt, und noch entfernter iſt ſie von jener Pedanterie, die in Deutſchland den Despo¬ tismus ſo furchtbar macht. Die Angeklagten wären,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/242
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/242>, abgerufen am 23.11.2024.