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Bogatzky, Carl Heinrich von: Güldenes Schatz-Kästlein der Kinder GOttes, deren Schatz im Himmel ist. Halle, 1755.

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Durch Demuth achtet euch unter einander einer den andern höher,
denn sich selbst.
Phil. 2, 3. Einer trage des andern Last - Ein
ieglicher aber prüfe sein selbst Werk, und alsdenn wird er an ihm sel-
ber Ruhm haben, und nicht an einemandern.
Gal. 6, 2. 3. 4. Hielten
wir uns in Demuth für die Elendesten, so würden wir alles Widrige, auch die
Last und Schwachheit der andern tragen, und denken: GOtt muß doch am
allermeisten an mir tragen. Siehest du nun des Nächsten Fehler, so vergiß
deiner selbst nicht, du kanst vielleicht in andern Dingen schwächer seyn; darum
richte nicht gleich, vielweniger sag es andern, sondern sage es GOtt, das sey das
erste, und alsdenn suche ihm mit Sanftmuth zu rechte zu helfen. Ja siehe lie-
ber deinen Nächsten auf der guten, dich aber auf der schlimmen Seiten an, ob
du vielleicht ihn entschuldigen, dich aber beschuldigen könnest. Will dir sein
Widriges dennoch immer wieder ins Herz kommen, so laß dirs nur recht hin-
ein konunen, daß du dich zwischen GOtt und ihn stellest, und in Liebe herzlich
für ihn betest. Dazu gehöret mehr, als zum Splitterrichten. Richten ist
leicht, aber wie stehts um die Liebe? Wie ums Beten und Bessern?

HERR, laß des Nächsten Last mich tragen, und nicht genau nach
Splittern fragen.
Gib Kraft, für ieden bald zu beten, wenn ich ihn seh was übertreten.

Durch Demuth achtet euch unter einander einer den andeꝛn höher,
denn ſich ſelbſt.
Phil. 2, 3. Einer trage des andern Laſt – Ein
ieglicher aber prüfe ſein ſelbſt Werk, und alsdenn wird er an ihm ſel-
ber Ruhm haben, und nicht an einemandern.
Gal. 6, 2. 3. 4. Hielten
wir uns in Demuth für die Elendeſten, ſo würden wir alles Widrige, auch die
Laſt und Schwachheit der andern tragen, und denken: GOtt muß doch am
allermeiſten an mir tragen. Sieheſt du nun des Nächſten Fehler, ſo vergiß
deiner ſelbſt nicht, du kanſt vielleicht in andern Dingen ſchwächer ſeyn; darum
richte nicht gleich, vielweniger ſag es andern, ſondern ſage es GOtt, das ſey das
erſte, und alsdenn ſuche ihm mit Sanftmuth zu rechte zu helfen. Ja ſiehe lie-
ber deinen Nächſten auf der guten, dich aber auf der ſchlimmen Seiten an, ob
du vielleicht ihn entſchuldigen, dich aber beſchuldigen könneſt. Will dir ſein
Widriges dennoch immer wieder ins Herz kommen, ſo laß dirs nur recht hin-
ein konunen, daß du dich zwiſchen GOtt und ihn ſtelleſt, und in Liebe herzlich
für ihn beteſt. Dazu gehöret mehr, als zum Splitterrichten. Richten iſt
leicht, aber wie ſtehts um die Liebe? Wie ums Beten und Beſſern?

HERR, laß des Nächſten Laſt mich tragen, und nicht genau nach
Splittern fragen.
Gib Kraft, für ieden bald zu beten, wenn ich ihn ſeh was übertreten.
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[312/0328] 8. Nov. Durch Demuth achtet euch unter einander einer den andeꝛn höher, denn ſich ſelbſt. Phil. 2, 3. Einer trage des andern Laſt – Ein ieglicher aber prüfe ſein ſelbſt Werk, und alsdenn wird er an ihm ſel- ber Ruhm haben, und nicht an einemandern. Gal. 6, 2. 3. 4. Hielten wir uns in Demuth für die Elendeſten, ſo würden wir alles Widrige, auch die Laſt und Schwachheit der andern tragen, und denken: GOtt muß doch am allermeiſten an mir tragen. Sieheſt du nun des Nächſten Fehler, ſo vergiß deiner ſelbſt nicht, du kanſt vielleicht in andern Dingen ſchwächer ſeyn; darum richte nicht gleich, vielweniger ſag es andern, ſondern ſage es GOtt, das ſey das erſte, und alsdenn ſuche ihm mit Sanftmuth zu rechte zu helfen. Ja ſiehe lie- ber deinen Nächſten auf der guten, dich aber auf der ſchlimmen Seiten an, ob du vielleicht ihn entſchuldigen, dich aber beſchuldigen könneſt. Will dir ſein Widriges dennoch immer wieder ins Herz kommen, ſo laß dirs nur recht hin- ein konunen, daß du dich zwiſchen GOtt und ihn ſtelleſt, und in Liebe herzlich für ihn beteſt. Dazu gehöret mehr, als zum Splitterrichten. Richten iſt leicht, aber wie ſtehts um die Liebe? Wie ums Beten und Beſſern? HERR, laß des Nächſten Laſt mich tragen, und nicht genau nach Splittern fragen. Gib Kraft, für ieden bald zu beten, wenn ich ihn ſeh was übertreten.

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Zitationshilfe: Bogatzky, Carl Heinrich von: Güldenes Schatz-Kästlein der Kinder GOttes, deren Schatz im Himmel ist. Halle, 1755, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bogatzky_gueldenes_1739/328>, abgerufen am 24.11.2024.