Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bohrer, Bertha: Die Lehrerinnen und das Frauenstimmrecht. Berlin, 1911 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 9).

Bild:
<< vorherige Seite

Die Lehrerinnen waren im Anfang der bürgerlichen Frauenbewegung
ihre eifrigsten und tüchtigsten Vorkämpferinnen. Seitdem haben sich je¬
doch die Zeiten sehr geändert im Hinblick auf die Verhältnisse in der
Frauenbewegung, deren Prinzipien, Ziele und Probleme, so wie auch die
Stellung der Lehrerinnen. Diese ist eine völlig andere geworden, sagen
wir einmal, um es kurz zu bezeichnen, eine viel verantwortlichere als
früher, da sie sich in dem großen Staatsgetriebe eingereiht haben oder
im Begriff sind, sich einzufügen. Derweil treten aber die verschiedensten
Standesaufgaben an sie heran, die sie zwingen, ihr Augenmerk in erster
Linie auf ihre Ausbildung zu richten, sie haben sich starke Organisationen
zu schaffen, um im Staatsleben ihre Rechte durchzusetzen, um ferner
dem Konkurrenzkampf mit dem Mann gewachsen zu sein und vieles
andere mehr.

Darin liegt vielleicht der Hauptgrund, daß die Lehrerinnen sich im
allgemeinen in der Frauenbewegung nicht mehr wie früher als erste
Pionierinnen zeigen und daß sie der notwendig gewordenen politischen
Frauenbewegung etwas abwartend gegenüber stehen.

Einen Beweis dafür bildet die geringe Anteilnahme der Lehrerinnen
an der Stimmrechtsbewegung, Verkennung der Ziele der Stimmrechts-
bewegung, Unkenntnis der politischen Frauenbewegung, ein Mangel, die
politischen Verhältnisse unseres Vaterlandes zu überschauen, das alles trägt
wohl dazu bei, daß die Lehrerinnen sich im allgemeinen noch so wenig
mit der Stimmrechtsfrage befaßt haben.

Natürlich wird die Stellung der Lehrerinnen zu dieser so wichtigen
Frage mit der Zeit eine andere werden müssen, wenn anders die Lehrerin
nicht ins Hintertreffen kommen oder sogar hemmend wirken will.

Was will die Stimmrechtsbewegung?

Sie will den Frauen, und zwar allen Frauen ohne Aus-
nahme, zur Erlangung ihrer vollen staatsbürgerlichen Rechte
verhelfen, damit sie im Jnteresse einer gesunden Fortent-
wicklung unseres Volkes auch imstande sind, ihre vollen staats-
bürgerlichen Pflichten zu erfüllen.

Die Lehrerinnen waren im Anfang der bürgerlichen Frauenbewegung
ihre eifrigsten und tüchtigsten Vorkämpferinnen. Seitdem haben sich je¬
doch die Zeiten sehr geändert im Hinblick auf die Verhältnisse in der
Frauenbewegung, deren Prinzipien, Ziele und Probleme, so wie auch die
Stellung der Lehrerinnen. Diese ist eine völlig andere geworden, sagen
wir einmal, um es kurz zu bezeichnen, eine viel verantwortlichere als
früher, da sie sich in dem großen Staatsgetriebe eingereiht haben oder
im Begriff sind, sich einzufügen. Derweil treten aber die verschiedensten
Standesaufgaben an sie heran, die sie zwingen, ihr Augenmerk in erster
Linie auf ihre Ausbildung zu richten, sie haben sich starke Organisationen
zu schaffen, um im Staatsleben ihre Rechte durchzusetzen, um ferner
dem Konkurrenzkampf mit dem Mann gewachsen zu sein und vieles
andere mehr.

Darin liegt vielleicht der Hauptgrund, daß die Lehrerinnen sich im
allgemeinen in der Frauenbewegung nicht mehr wie früher als erste
Pionierinnen zeigen und daß sie der notwendig gewordenen politischen
Frauenbewegung etwas abwartend gegenüber stehen.

Einen Beweis dafür bildet die geringe Anteilnahme der Lehrerinnen
an der Stimmrechtsbewegung, Verkennung der Ziele der Stimmrechts-
bewegung, Unkenntnis der politischen Frauenbewegung, ein Mangel, die
politischen Verhältnisse unseres Vaterlandes zu überschauen, das alles trägt
wohl dazu bei, daß die Lehrerinnen sich im allgemeinen noch so wenig
mit der Stimmrechtsfrage befaßt haben.

Natürlich wird die Stellung der Lehrerinnen zu dieser so wichtigen
Frage mit der Zeit eine andere werden müssen, wenn anders die Lehrerin
nicht ins Hintertreffen kommen oder sogar hemmend wirken will.

Was will die Stimmrechtsbewegung?

Sie will den Frauen, und zwar allen Frauen ohne Aus-
nahme, zur Erlangung ihrer vollen staatsbürgerlichen Rechte
verhelfen, damit sie im Jnteresse einer gesunden Fortent-
wicklung unseres Volkes auch imstande sind, ihre vollen staats-
bürgerlichen Pflichten zu erfüllen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0004" n="[1]"/>
      <p>Die Lehrerinnen waren im Anfang der bürgerlichen Frauenbewegung<lb/>
ihre eifrigsten und tüchtigsten Vorkämpferinnen. Seitdem haben sich je¬<lb/>
doch die Zeiten sehr geändert im Hinblick auf die Verhältnisse in der<lb/>
Frauenbewegung, deren Prinzipien, Ziele und Probleme, so wie auch die<lb/>
Stellung der Lehrerinnen. Diese ist eine völlig andere geworden, sagen<lb/>
wir einmal, um es kurz zu bezeichnen, eine viel verantwortlichere als<lb/>
früher, da sie sich in dem großen Staatsgetriebe eingereiht haben oder<lb/>
im Begriff sind, sich einzufügen. Derweil treten aber die verschiedensten<lb/>
Standesaufgaben an sie heran, die sie zwingen, ihr Augenmerk in erster<lb/>
Linie auf ihre Ausbildung zu richten, sie haben sich starke Organisationen<lb/>
zu schaffen, um im Staatsleben ihre Rechte durchzusetzen, um ferner<lb/>
dem Konkurrenzkampf mit dem Mann gewachsen zu sein und vieles<lb/>
andere mehr.</p><lb/>
      <p>Darin liegt vielleicht der Hauptgrund, daß die Lehrerinnen sich im<lb/>
allgemeinen in der Frauenbewegung nicht mehr wie früher als erste<lb/>
Pionierinnen zeigen und daß sie der notwendig gewordenen politischen<lb/>
Frauenbewegung etwas abwartend gegenüber stehen.</p><lb/>
      <p>Einen Beweis dafür bildet die geringe Anteilnahme der Lehrerinnen<lb/>
an der Stimmrechtsbewegung, Verkennung der Ziele der Stimmrechts-<lb/>
bewegung, Unkenntnis der politischen Frauenbewegung, ein Mangel, die<lb/>
politischen Verhältnisse unseres Vaterlandes zu überschauen, das alles trägt<lb/>
wohl dazu bei, daß die Lehrerinnen sich im allgemeinen noch so wenig<lb/>
mit der Stimmrechtsfrage befaßt haben.</p><lb/>
      <p>Natürlich wird die Stellung der Lehrerinnen zu dieser so wichtigen<lb/>
Frage mit der Zeit eine andere werden müssen, wenn anders die Lehrerin<lb/>
nicht ins Hintertreffen kommen oder sogar hemmend wirken will.</p><lb/>
      <p>Was will die Stimmrechtsbewegung?</p><lb/>
      <p> <hi rendition="#g"> Sie will den Frauen, und zwar allen Frauen ohne Aus-<lb/>
nahme, zur Erlangung ihrer vollen staatsbürgerlichen Rechte<lb/>
verhelfen, damit sie im Jnteresse einer gesunden Fortent-<lb/>
wicklung unseres Volkes auch imstande sind, ihre vollen staats-<lb/>
bürgerlichen Pflichten zu erfüllen.</hi> </p><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[1]/0004] Die Lehrerinnen waren im Anfang der bürgerlichen Frauenbewegung ihre eifrigsten und tüchtigsten Vorkämpferinnen. Seitdem haben sich je¬ doch die Zeiten sehr geändert im Hinblick auf die Verhältnisse in der Frauenbewegung, deren Prinzipien, Ziele und Probleme, so wie auch die Stellung der Lehrerinnen. Diese ist eine völlig andere geworden, sagen wir einmal, um es kurz zu bezeichnen, eine viel verantwortlichere als früher, da sie sich in dem großen Staatsgetriebe eingereiht haben oder im Begriff sind, sich einzufügen. Derweil treten aber die verschiedensten Standesaufgaben an sie heran, die sie zwingen, ihr Augenmerk in erster Linie auf ihre Ausbildung zu richten, sie haben sich starke Organisationen zu schaffen, um im Staatsleben ihre Rechte durchzusetzen, um ferner dem Konkurrenzkampf mit dem Mann gewachsen zu sein und vieles andere mehr. Darin liegt vielleicht der Hauptgrund, daß die Lehrerinnen sich im allgemeinen in der Frauenbewegung nicht mehr wie früher als erste Pionierinnen zeigen und daß sie der notwendig gewordenen politischen Frauenbewegung etwas abwartend gegenüber stehen. Einen Beweis dafür bildet die geringe Anteilnahme der Lehrerinnen an der Stimmrechtsbewegung, Verkennung der Ziele der Stimmrechts- bewegung, Unkenntnis der politischen Frauenbewegung, ein Mangel, die politischen Verhältnisse unseres Vaterlandes zu überschauen, das alles trägt wohl dazu bei, daß die Lehrerinnen sich im allgemeinen noch so wenig mit der Stimmrechtsfrage befaßt haben. Natürlich wird die Stellung der Lehrerinnen zu dieser so wichtigen Frage mit der Zeit eine andere werden müssen, wenn anders die Lehrerin nicht ins Hintertreffen kommen oder sogar hemmend wirken will. Was will die Stimmrechtsbewegung? Sie will den Frauen, und zwar allen Frauen ohne Aus- nahme, zur Erlangung ihrer vollen staatsbürgerlichen Rechte verhelfen, damit sie im Jnteresse einer gesunden Fortent- wicklung unseres Volkes auch imstande sind, ihre vollen staats- bürgerlichen Pflichten zu erfüllen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-12-13T13:13:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-12-13T13:13:46Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bohrer_lehrerinnen_1911
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bohrer_lehrerinnen_1911/4
Zitationshilfe: Bohrer, Bertha: Die Lehrerinnen und das Frauenstimmrecht. Berlin, 1911 (= Schriften des Preußischen Landesvereins für Frauenstimmrecht, Bd. 9), S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohrer_lehrerinnen_1911/4>, abgerufen am 23.11.2024.