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Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

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Liebes-Geschichte.

So unvergnüget und verdrießlich als sie sich noch
befand/ so erschreckete sie doch das Ubel ihres Ge-
mahls: Sie stund eilig auf/ und da sie in des Her-
tzogs sein Gemach sich begab/ fand sie ihn in solcher
Hitze/ und so verändert/ daß sie nicht begreiffen
kunte/ wie eine so kurtze Zeit dergleichen Verwan-
delung verursachen können. Seine Augen sahen
gantz matt und trübe/ und sein gantzes Gesicht hat-
te schon die stärcksten Kennzeichen des Fiebers in sich;
dieser Anblick bewoge die junge Hertzogin dermas-
sen/ daß sie sich neben das Bette niedersetzete/ und
weil sie kein Wort zu reden vermochte/ hefftig an zu
weinen fieng/ indem sie viel leichter Thränen als
Worte finden kunte.

Diese Zeichen der zärtlichen Empfindung kamen
dem Hertzog desto frembder vor/ indem er schon
meynete/ seine Gemahlin achtete ihn nicht mehr.
Jst es möglich Madame, sagte er zu ihr/ indem er ihr
die Hand reichete/ daß ihr noch vor einen Elenden
euch so interessiret/ dem ihr gestern soviel Anlaß ga-
bet sich zu kräncken/ und der euch mit eigenen Au-
gen hat mit Sachen beschäfftiget gesehen/ die ihm
gantz keinen Zweiffel wegen seines gewissen Unglücks
gelassen haben. Es ist mehr als zu möglich/ antwor-
tete sie/ daß ich mich um denjenigen annoch beküm-
mere/ der mich gar nichts mehr achtet. Jch weiß
nicht/ was ihr gesehen habet/ so mir eintzigen Vor-
wurff machen könte: aber dieses weiß ich wohl/
daß ich euch allezeit überzeugen will/ man könne mir
nichts vorwerffen/ als daß ich euch allzu hefftig liebe.

Ach/ Madame, fiel ihr Federic mit schwacher
Stimme in die Rede/ ihr liebet mich gar nicht so

sehr
Liebes-Geſchichte.

So unvergnuͤget und verdrießlich als ſie ſich noch
befand/ ſo erſchreckete ſie doch das Ubel ihres Ge-
mahls: Sie ſtund eilig auf/ und da ſie in des Her-
tzogs ſein Gemach ſich begab/ fand ſie ihn in ſolcher
Hitze/ und ſo veraͤndert/ daß ſie nicht begreiffen
kunte/ wie eine ſo kurtze Zeit dergleichen Verwan-
delung verurſachen koͤnnen. Seine Augen ſahen
gantz matt und truͤbe/ und ſein gantzes Geſicht hat-
te ſchon die ſtaͤrckſten Kennzeichen des Fiebers in ſich;
dieſer Anblick bewoge die junge Hertzogin dermaſ-
ſen/ daß ſie ſich neben das Bette niederſetzete/ und
weil ſie kein Wort zu reden vermochte/ hefftig an zu
weinen fieng/ indem ſie viel leichter Thraͤnen als
Worte finden kunte.

Dieſe Zeichen der zaͤrtlichen Empfindung kamen
dem Hertzog deſto frembder vor/ indem er ſchon
meynete/ ſeine Gemahlin achtete ihn nicht mehr.
Jſt es moͤglich Madame, ſagte er zu ihr/ indem er ihr
die Hand reichete/ daß ihr noch vor einen Elenden
euch ſo intereſſiret/ dem ihr geſtern ſoviel Anlaß ga-
bet ſich zu kraͤncken/ und der euch mit eigenen Au-
gen hat mit Sachen beſchaͤfftiget geſehen/ die ihm
gantz keinen Zweiffel wegen ſeines gewiſſen Ungluͤcks
gelaſſen haben. Es iſt mehr als zu moͤglich/ antwor-
tete ſie/ daß ich mich um denjenigen annoch bekuͤm-
mere/ der mich gar nichts mehr achtet. Jch weiß
nicht/ was ihr geſehen habet/ ſo mir eintzigen Vor-
wurff machen koͤnte: aber dieſes weiß ich wohl/
daß ich euch allezeit uͤberzeugen will/ man koͤnne mir
nichts vorwerffen/ als daß ich euch allzu hefftig liebe.

Ach/ Madame, fiel ihr Federic mit ſchwacher
Stimme in die Rede/ ihr liebet mich gar nicht ſo

ſehr
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[353/0385] Liebes-Geſchichte. So unvergnuͤget und verdrießlich als ſie ſich noch befand/ ſo erſchreckete ſie doch das Ubel ihres Ge- mahls: Sie ſtund eilig auf/ und da ſie in des Her- tzogs ſein Gemach ſich begab/ fand ſie ihn in ſolcher Hitze/ und ſo veraͤndert/ daß ſie nicht begreiffen kunte/ wie eine ſo kurtze Zeit dergleichen Verwan- delung verurſachen koͤnnen. Seine Augen ſahen gantz matt und truͤbe/ und ſein gantzes Geſicht hat- te ſchon die ſtaͤrckſten Kennzeichen des Fiebers in ſich; dieſer Anblick bewoge die junge Hertzogin dermaſ- ſen/ daß ſie ſich neben das Bette niederſetzete/ und weil ſie kein Wort zu reden vermochte/ hefftig an zu weinen fieng/ indem ſie viel leichter Thraͤnen als Worte finden kunte. Dieſe Zeichen der zaͤrtlichen Empfindung kamen dem Hertzog deſto frembder vor/ indem er ſchon meynete/ ſeine Gemahlin achtete ihn nicht mehr. Jſt es moͤglich Madame, ſagte er zu ihr/ indem er ihr die Hand reichete/ daß ihr noch vor einen Elenden euch ſo intereſſiret/ dem ihr geſtern ſoviel Anlaß ga- bet ſich zu kraͤncken/ und der euch mit eigenen Au- gen hat mit Sachen beſchaͤfftiget geſehen/ die ihm gantz keinen Zweiffel wegen ſeines gewiſſen Ungluͤcks gelaſſen haben. Es iſt mehr als zu moͤglich/ antwor- tete ſie/ daß ich mich um denjenigen annoch bekuͤm- mere/ der mich gar nichts mehr achtet. Jch weiß nicht/ was ihr geſehen habet/ ſo mir eintzigen Vor- wurff machen koͤnte: aber dieſes weiß ich wohl/ daß ich euch allezeit uͤberzeugen will/ man koͤnne mir nichts vorwerffen/ als daß ich euch allzu hefftig liebe. Ach/ Madame, fiel ihr Federic mit ſchwacher Stimme in die Rede/ ihr liebet mich gar nicht ſo ſehr

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/385>, abgerufen am 24.11.2024.