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Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.

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Vorwort.

"Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichniss!"

Schon oft wurde mir nahe gelegt, ein Lehrbuch über Gas-
theorie zu schreiben. Speciell erinnere ich mich der energischen
Aufforderung Prof. Wroblewski's hierzu bei der Wiener Welt-
ausstellung 1873. Als ich diesem gegenüber wenig Lust zeigte,
ein Lehrbuch zu schreiben, da ich ohnedies nicht wisse, wie
bald mir die Augen den Dienst versagen würden, antwortete
er trocken: "Ein Grund mehr, sich zu beeilen!" Jetzt, da ich
diese Rücksicht nicht mehr nehme, scheint der Zeitpunkt für ein
solches Lehrbuch weniger geeignet, als damals. Denn erstens ist
in Deutschland die Gastheorie, ich möchte sagen, aus der Mode
gekommen; zweitens erschien soeben O. E Meyer's bekanntes
Lehrbuch in zweiter Auflage und widmet Kirchhoff in seinen
Vorlesungen über Wärmelehre einen längeren Abschnitt der
Gastheorie. Jedoch verfolgt das Meyer'sche Buch, so an-
erkannt vortrefflich es für Chemiker und Studirende der
physikalischen Chemie ist, völlig andere Zwecke. Das Kirch-
hoff's
che Werk aber verräth zwar in Auswahl und Darstellung
den Meister, doch ist es nur ein posthum gedrucktes Vor-
lesungsheft über Wärmetheorie, das die Gastheorie als An-
hang behandelt, kein einigermaassen umfassenderes Lehrbuch.
Ja ich gestehe offen, dass gerade einerseits das Interesse,
welches Kirchhoff der Gastheorie entgegenbringt, andererseits
die vielen Lücken, die er bei der Kürze seiner Darstellung
lässt, mich zur Publication des vorliegenden Werkchens, das
ebenfalls aus Vorlesungen an der Münchener und Wiener
Universität entstanden ist, ermunterten.

Ich habe darin vor Allem die bahnbrechenden Arbeiten
von Clausius und Maxwell übersichtlich wiederzugeben ge-

Vorwort.

„Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichniss!“

Schon oft wurde mir nahe gelegt, ein Lehrbuch über Gas-
theorie zu schreiben. Speciell erinnere ich mich der energischen
Aufforderung Prof. Wroblewski’s hierzu bei der Wiener Welt-
ausstellung 1873. Als ich diesem gegenüber wenig Lust zeigte,
ein Lehrbuch zu schreiben, da ich ohnedies nicht wisse, wie
bald mir die Augen den Dienst versagen würden, antwortete
er trocken: „Ein Grund mehr, sich zu beeilen!“ Jetzt, da ich
diese Rücksicht nicht mehr nehme, scheint der Zeitpunkt für ein
solches Lehrbuch weniger geeignet, als damals. Denn erstens ist
in Deutschland die Gastheorie, ich möchte sagen, aus der Mode
gekommen; zweitens erschien soeben O. E Meyer’s bekanntes
Lehrbuch in zweiter Auflage und widmet Kirchhoff in seinen
Vorlesungen über Wärmelehre einen längeren Abschnitt der
Gastheorie. Jedoch verfolgt das Meyer’sche Buch, so an-
erkannt vortrefflich es für Chemiker und Studirende der
physikalischen Chemie ist, völlig andere Zwecke. Das Kirch-
hoff’s
che Werk aber verräth zwar in Auswahl und Darstellung
den Meister, doch ist es nur ein posthum gedrucktes Vor-
lesungsheft über Wärmetheorie, das die Gastheorie als An-
hang behandelt, kein einigermaassen umfassenderes Lehrbuch.
Ja ich gestehe offen, dass gerade einerseits das Interesse,
welches Kirchhoff der Gastheorie entgegenbringt, andererseits
die vielen Lücken, die er bei der Kürze seiner Darstellung
lässt, mich zur Publication des vorliegenden Werkchens, das
ebenfalls aus Vorlesungen an der Münchener und Wiener
Universität entstanden ist, ermunterten.

Ich habe darin vor Allem die bahnbrechenden Arbeiten
von Clausius und Maxwell übersichtlich wiederzugeben ge-

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Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/11>, abgerufen am 21.11.2024.