Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Abschnitt. [Gleich. 98]
verschiedenen Stellen des Gases verschieden sein, sollen aber
nicht merklich variiren, so lange die Coordinaten nicht um
Strecken variiren, die gross gegenüber der Wirkungssphäre
(der soeben mit s, s und s1 bezeichneten Strecken) sind.
Endlich schliessen wir auch den Fall nicht aus, dass das Gas
in sichtbarer Bewegung begriffen ist. Es kann jetzt weder
a priori die Annahme gemacht werden, dass alle Geschwindig-
keitsrichtungen gleich wahrscheinlich sind, noch dass die Ge-
schwindigkeitsvertheilung oder die Anzahl der Moleküle in der
Volumeneinheit an allen Stellen des Gases dieselbe, oder dass
sie von der Zeit unabhängig ist.

Wir fassen das Parallelepiped ins Auge, welches den In-
begriff aller Raumpunkte darstellt, deren Coordinaten zwischen
den Grenzen
97) x und x + d x, y und y + d y, z und z + d z
liegen. Wir setzen d o = d x d y d z und nennen dieses Parallel-
epiped immer das Parallelepiped d o.

Wir nehmen den früher erwähnten Principien gemäss an,
dass dieses Parallelepiped zwar unendlich klein ist, aber doch
noch sehr viele Moleküle enthält. Die Geschwindigkeit jedes
Moleküls m, das sich zur Zeit t in diesem Parallelepipede
befindet, wollen wir vom Coordinatenursprunge an auftragen
und den anderen Endpunkt C der betreffenden Geraden wieder
den Geschwindigkeitspunkt des betreffenden Moleküls nennen.
Seine rechtwinkligen Coordinaten sind gleich den Componenten
x, e, z der Geschwindigkeit des betreffenden Moleküls in den
Coordinatenrichtungen.

Wir wollen nun ein zweites rechtwinkliges Parallelepiped
construiren, welches alle Punkte umfasst, deren Coordinaten
zwischen den Grenzen
98) x und x + d x, e und e + d e, z und z + d z
liegen. Wir setzen sein Volumen
d x d e d z = d o
und nennen es das Parallelepiped d o. Die Moleküle m, welche
zur Zeit t im Parallelepipede d o, und deren Geschwindigkeits-
punkte gleichzeitig im Parallelepipede d o liegen, für welche
also die Coordinaten zwischen den Grenzen 97 und die Ge-
schwindigkeitscomponenten zwischen den Grenzen 98 liegen,

II. Abschnitt. [Gleich. 98]
verschiedenen Stellen des Gases verschieden sein, sollen aber
nicht merklich variiren, so lange die Coordinaten nicht um
Strecken variiren, die gross gegenüber der Wirkungssphäre
(der soeben mit σ, s und s1 bezeichneten Strecken) sind.
Endlich schliessen wir auch den Fall nicht aus, dass das Gas
in sichtbarer Bewegung begriffen ist. Es kann jetzt weder
a priori die Annahme gemacht werden, dass alle Geschwindig-
keitsrichtungen gleich wahrscheinlich sind, noch dass die Ge-
schwindigkeitsvertheilung oder die Anzahl der Moleküle in der
Volumeneinheit an allen Stellen des Gases dieselbe, oder dass
sie von der Zeit unabhängig ist.

Wir fassen das Parallelepiped ins Auge, welches den In-
begriff aller Raumpunkte darstellt, deren Coordinaten zwischen
den Grenzen
97) x und x + d x, y und y + d y, z und z + d z
liegen. Wir setzen d o = d x d y d z und nennen dieses Parallel-
epiped immer das Parallelepiped d o.

Wir nehmen den früher erwähnten Principien gemäss an,
dass dieses Parallelepiped zwar unendlich klein ist, aber doch
noch sehr viele Moleküle enthält. Die Geschwindigkeit jedes
Moleküls m, das sich zur Zeit t in diesem Parallelepipede
befindet, wollen wir vom Coordinatenursprunge an auftragen
und den anderen Endpunkt C der betreffenden Geraden wieder
den Geschwindigkeitspunkt des betreffenden Moleküls nennen.
Seine rechtwinkligen Coordinaten sind gleich den Componenten
ξ, η, ζ der Geschwindigkeit des betreffenden Moleküls in den
Coordinatenrichtungen.

Wir wollen nun ein zweites rechtwinkliges Parallelepiped
construiren, welches alle Punkte umfasst, deren Coordinaten
zwischen den Grenzen
98) ξ und ξ + d ξ, η und η + d η, ζ und ζ + d ζ
liegen. Wir setzen sein Volumen
d ξ d η d ζ = d ω
und nennen es das Parallelepiped d ω. Die Moleküle m, welche
zur Zeit t im Parallelepipede d o, und deren Geschwindigkeits-
punkte gleichzeitig im Parallelepipede d ω liegen, für welche
also die Coordinaten zwischen den Grenzen 97 und die Ge-
schwindigkeitscomponenten zwischen den Grenzen 98 liegen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0114" n="100"/><fw place="top" type="header">II. Abschnitt. [Gleich. 98]</fw><lb/>
verschiedenen Stellen des Gases verschieden sein, sollen aber<lb/>
nicht merklich variiren, so lange die Coordinaten nicht um<lb/>
Strecken variiren, die gross gegenüber der Wirkungssphäre<lb/>
(der soeben mit <hi rendition="#i">&#x03C3;, s</hi> und <hi rendition="#i">s</hi><hi rendition="#sub">1</hi> bezeichneten Strecken) sind.<lb/>
Endlich schliessen wir auch den Fall nicht aus, dass das Gas<lb/>
in sichtbarer Bewegung begriffen ist. Es kann jetzt weder<lb/>
a priori die Annahme gemacht werden, dass alle Geschwindig-<lb/>
keitsrichtungen gleich wahrscheinlich sind, noch dass die Ge-<lb/>
schwindigkeitsvertheilung oder die Anzahl der Moleküle in der<lb/>
Volumeneinheit an allen Stellen des Gases dieselbe, oder dass<lb/>
sie von der Zeit unabhängig ist.</p><lb/>
          <p>Wir fassen das Parallelepiped ins Auge, welches den In-<lb/>
begriff aller Raumpunkte darstellt, deren Coordinaten zwischen<lb/>
den Grenzen<lb/>
97) <hi rendition="#et"><hi rendition="#i">x</hi> und <hi rendition="#i">x</hi> + <hi rendition="#i">d x</hi>, <hi rendition="#i">y</hi> und <hi rendition="#i">y</hi> + <hi rendition="#i">d y</hi>, <hi rendition="#i">z</hi> und <hi rendition="#i">z</hi> + <hi rendition="#i">d z</hi></hi><lb/>
liegen. Wir setzen <hi rendition="#i">d o</hi> = <hi rendition="#i">d x d y d z</hi> und nennen dieses Parallel-<lb/>
epiped immer das Parallelepiped <hi rendition="#i">d o</hi>.</p><lb/>
          <p>Wir nehmen den früher erwähnten Principien gemäss an,<lb/>
dass dieses Parallelepiped zwar unendlich klein ist, aber doch<lb/>
noch sehr viele Moleküle enthält. Die Geschwindigkeit jedes<lb/>
Moleküls <hi rendition="#i">m</hi>, das sich zur Zeit <hi rendition="#i">t</hi> in diesem Parallelepipede<lb/>
befindet, wollen wir vom Coordinatenursprunge an auftragen<lb/>
und den anderen Endpunkt <hi rendition="#i">C</hi> der betreffenden Geraden wieder<lb/>
den Geschwindigkeitspunkt des betreffenden Moleküls nennen.<lb/>
Seine rechtwinkligen Coordinaten sind gleich den Componenten<lb/><hi rendition="#i">&#x03BE;, &#x03B7;, &#x03B6;</hi> der Geschwindigkeit des betreffenden Moleküls in den<lb/>
Coordinatenrichtungen.</p><lb/>
          <p>Wir wollen nun ein zweites rechtwinkliges Parallelepiped<lb/>
construiren, welches alle Punkte umfasst, deren Coordinaten<lb/>
zwischen den Grenzen<lb/>
98) <hi rendition="#et"><hi rendition="#i">&#x03BE;</hi> und <hi rendition="#i">&#x03BE;</hi> + <hi rendition="#i">d &#x03BE;</hi>, <hi rendition="#i">&#x03B7;</hi> und <hi rendition="#i">&#x03B7;</hi> + <hi rendition="#i">d &#x03B7;</hi>, <hi rendition="#i">&#x03B6;</hi> und <hi rendition="#i">&#x03B6;</hi> + <hi rendition="#i">d &#x03B6;</hi></hi><lb/>
liegen. Wir setzen sein Volumen<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">d &#x03BE; d &#x03B7; d &#x03B6;</hi> = <hi rendition="#i">d &#x03C9;</hi></hi><lb/>
und nennen es das Parallelepiped <hi rendition="#i">d &#x03C9;</hi>. Die Moleküle <hi rendition="#i">m</hi>, welche<lb/>
zur Zeit <hi rendition="#i">t</hi> im Parallelepipede <hi rendition="#i">d o</hi>, und deren Geschwindigkeits-<lb/>
punkte gleichzeitig im Parallelepipede <hi rendition="#i">d &#x03C9;</hi> liegen, für welche<lb/>
also die Coordinaten zwischen den Grenzen 97 und die Ge-<lb/>
schwindigkeitscomponenten zwischen den Grenzen 98 liegen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0114] II. Abschnitt. [Gleich. 98] verschiedenen Stellen des Gases verschieden sein, sollen aber nicht merklich variiren, so lange die Coordinaten nicht um Strecken variiren, die gross gegenüber der Wirkungssphäre (der soeben mit σ, s und s1 bezeichneten Strecken) sind. Endlich schliessen wir auch den Fall nicht aus, dass das Gas in sichtbarer Bewegung begriffen ist. Es kann jetzt weder a priori die Annahme gemacht werden, dass alle Geschwindig- keitsrichtungen gleich wahrscheinlich sind, noch dass die Ge- schwindigkeitsvertheilung oder die Anzahl der Moleküle in der Volumeneinheit an allen Stellen des Gases dieselbe, oder dass sie von der Zeit unabhängig ist. Wir fassen das Parallelepiped ins Auge, welches den In- begriff aller Raumpunkte darstellt, deren Coordinaten zwischen den Grenzen 97) x und x + d x, y und y + d y, z und z + d z liegen. Wir setzen d o = d x d y d z und nennen dieses Parallel- epiped immer das Parallelepiped d o. Wir nehmen den früher erwähnten Principien gemäss an, dass dieses Parallelepiped zwar unendlich klein ist, aber doch noch sehr viele Moleküle enthält. Die Geschwindigkeit jedes Moleküls m, das sich zur Zeit t in diesem Parallelepipede befindet, wollen wir vom Coordinatenursprunge an auftragen und den anderen Endpunkt C der betreffenden Geraden wieder den Geschwindigkeitspunkt des betreffenden Moleküls nennen. Seine rechtwinkligen Coordinaten sind gleich den Componenten ξ, η, ζ der Geschwindigkeit des betreffenden Moleküls in den Coordinatenrichtungen. Wir wollen nun ein zweites rechtwinkliges Parallelepiped construiren, welches alle Punkte umfasst, deren Coordinaten zwischen den Grenzen 98) ξ und ξ + d ξ, η und η + d η, ζ und ζ + d ζ liegen. Wir setzen sein Volumen d ξ d η d ζ = d ω und nennen es das Parallelepiped d ω. Die Moleküle m, welche zur Zeit t im Parallelepipede d o, und deren Geschwindigkeits- punkte gleichzeitig im Parallelepipede d ω liegen, für welche also die Coordinaten zwischen den Grenzen 97 und die Ge- schwindigkeitscomponenten zwischen den Grenzen 98 liegen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/114
Zitationshilfe: Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boltzmann_gastheorie01_1896/114>, abgerufen am 24.11.2024.