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Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.

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§ 24. Wirksamkeit der Mythologien.

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Doch muß eine Mythologie lebendig sein, wenn sie auch pbo_032.003
nur poetisch wirksam sein soll. Daher zeigt die christliche pbo_032.004
Symbolik mit ihren Engeln und Teufeln, Heiligen und Büßern, pbo_032.005
dem Heiland mit den Seinen in der höchsten Glorie, poetische pbo_032.006
Lebenskraft (Schluß des "Faust"), namentlich mit Unterstützung pbo_032.007
der Musik, während die alten heidnischen Mythologien heute leicht pbo_032.008
einen leblosen, gekünstelten Eindruck machen. Mit der Wiedererweckung pbo_032.009
der Antike in der Renaissancezeit wurde von Dichtern, pbo_032.010
Gelehrten und Künstlern um die Wette auch die klassische pbo_032.011
Mythologie des Olymps*) für Jahrhunderte zu einer Art pbo_032.012
Scheinleben neu erweckt. Dies ging nur an, weil in jener pbo_032.013
Zeit mit den alten Dichtern und Philosophen auch eine alte pbo_032.014
Sprache, das klassische Latein, in den Lebensverkehr der Gesellschaft pbo_032.015
aufgenommen wurde. Mit der Reaktion dagegen pbo_032.016
im 17. und 18. Jahrhundert verlor auch der Olymp langsam pbo_032.017
wieder seine stehende Geltung in Dichtung und bildender Kunst. pbo_032.018
Goethe hat davon nur etwa Amor, Luna und die Musen in pbo_032.019
seiner Dichtung übrig behalten.

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§ 25. Vorteile der klassischen Mythologie.

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Der Gedanke, die antike Mythologie in der Dichtung pbo_032.022
durch die nordische als eine germanische und daher heimische**) pbo_032.023
zu ersetzen (wie er z. B. Klopstock sogar zur Umarbeitung pbo_032.024
seiner Oden veranlaßte***) kann in verschiedener Hinsicht nicht

*) pbo_032.025
Vergl. Sammlung Göschen Nr. 27. Griechische und Römische pbo_032.026
Mythologie.
**) pbo_032.027
Vergl. Sammlung Göschen Nr. 15. Deutsche Mythologie.
***) pbo_032.028
Man vergleiche (Wingolf 1. und 2. Fassung): pbo_032.029
1)
Wie Hebe kühn und jugendlich ungestüm, pbo_032.030
Wie mit dem goldnen Köcher Latonas Sohn, pbo_032.031
Unsterblich sing ich, meine Freunde pbo_032.032
Feiernd in mächtigen Dithyramben.
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Der Gedanke, die antike Mythologie in der Dichtung pbo_032.022
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Vergl. Sammlung Göschen Nr. 27. Griechische und Römische pbo_032.026
Mythologie.
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[32/0036] pbo_032.001 § 24. Wirksamkeit der Mythologien. pbo_032.002 Doch muß eine Mythologie lebendig sein, wenn sie auch pbo_032.003 nur poetisch wirksam sein soll. Daher zeigt die christliche pbo_032.004 Symbolik mit ihren Engeln und Teufeln, Heiligen und Büßern, pbo_032.005 dem Heiland mit den Seinen in der höchsten Glorie, poetische pbo_032.006 Lebenskraft (Schluß des „Faust“), namentlich mit Unterstützung pbo_032.007 der Musik, während die alten heidnischen Mythologien heute leicht pbo_032.008 einen leblosen, gekünstelten Eindruck machen. Mit der Wiedererweckung pbo_032.009 der Antike in der Renaissancezeit wurde von Dichtern, pbo_032.010 Gelehrten und Künstlern um die Wette auch die klassische pbo_032.011 Mythologie des Olymps *) für Jahrhunderte zu einer Art pbo_032.012 Scheinleben neu erweckt. Dies ging nur an, weil in jener pbo_032.013 Zeit mit den alten Dichtern und Philosophen auch eine alte pbo_032.014 Sprache, das klassische Latein, in den Lebensverkehr der Gesellschaft pbo_032.015 aufgenommen wurde. Mit der Reaktion dagegen pbo_032.016 im 17. und 18. Jahrhundert verlor auch der Olymp langsam pbo_032.017 wieder seine stehende Geltung in Dichtung und bildender Kunst. pbo_032.018 Goethe hat davon nur etwa Amor, Luna und die Musen in pbo_032.019 seiner Dichtung übrig behalten. pbo_032.020 § 25. Vorteile der klassischen Mythologie. pbo_032.021 Der Gedanke, die antike Mythologie in der Dichtung pbo_032.022 durch die nordische als eine germanische und daher heimische **) pbo_032.023 zu ersetzen (wie er z. B. Klopstock sogar zur Umarbeitung pbo_032.024 seiner Oden veranlaßte ***) kann in verschiedener Hinsicht nicht *) pbo_032.025 Vergl. Sammlung Göschen Nr. 27. Griechische und Römische pbo_032.026 Mythologie. **) pbo_032.027 Vergl. Sammlung Göschen Nr. 15. Deutsche Mythologie. ***) pbo_032.028 Man vergleiche (Wingolf 1. und 2. Fassung): pbo_032.029 1)Wie Hebe kühn und jugendlich ungestüm, pbo_032.030 Wie mit dem goldnen Köcher Latonas Sohn, pbo_032.031 Unsterblich sing ich, meine Freunde pbo_032.032 Feiernd in mächtigen Dithyramben.

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Zitationshilfe: Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/36>, abgerufen am 24.11.2024.