Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_053.001 § 42. Metrik und Rhythmik. pbo_053.015 *) pbo_053.024 Nicht nach Höhe und Tiefe ("Hochton und Tiefton"), was nichts pbo_053.025 weniger als ein unterscheidendes Merkmal unserer Rhythmisirung bedeutet, da pbo_053.026 es für den Rhythmus an sich nicht in Frage kommt. Nur auf Metrik oder pbo_053.027 Dynamik kann sich selbständiger Rhythmus gründen. (Vgl. des Verf. Grundz. pbo_053.028 d. Syst. der artikul. Phonetik. Anm. 40.) **) pbo_053.029
Hebung und Senkung in unserem Gebrauch, gegen den der pbo_053.030 Griechen (arsis und thesis) gehalten, bezeichnet das Entgegengesetzte. Jm pbo_053.031 Griechischen und Lateinischen dachte man sich die Messung durch Hebung pbo_053.032 und Senkung des Fußes ausgedrückt. Der niedergesetzte Fuß bedeutete alsdann pbo_053.033 den Ruhepunkt, die lange Silbe, der aufgehobene den flüchtigen Moment, pbo_053.034 die kurze Silbe. Aber dynamisch, nach dem Kraftaufwand bemessen, pbo_053.001 § 42. Metrik und Rhythmik. pbo_053.015 *) pbo_053.024 Nicht nach Höhe und Tiefe („Hochton und Tiefton“), was nichts pbo_053.025 weniger als ein unterscheidendes Merkmal unserer Rhythmisirung bedeutet, da pbo_053.026 es für den Rhythmus an sich nicht in Frage kommt. Nur auf Metrik oder pbo_053.027 Dynamik kann sich selbständiger Rhythmus gründen. (Vgl. des Verf. Grundz. pbo_053.028 d. Syst. der artikul. Phonetik. Anm. 40.) **) pbo_053.029
Hebung und Senkung in unserem Gebrauch, gegen den der pbo_053.030 Griechen (ἄρσις und θέσις) gehalten, bezeichnet das Entgegengesetzte. Jm pbo_053.031 Griechischen und Lateinischen dachte man sich die Messung durch Hebung pbo_053.032 und Senkung des Fußes ausgedrückt. Der niedergesetzte Fuß bedeutete alsdann pbo_053.033 den Ruhepunkt, die lange Silbe, der aufgehobene den flüchtigen Moment, pbo_053.034 die kurze Silbe. Aber dynamisch, nach dem Kraftaufwand bemessen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0057" n="53"/><lb n="pbo_053.001"/> sich das innere Streben nach der Gleichreihigkeit des Takts, <lb n="pbo_053.002"/> wenigstens in dem ersten Ansatz zur Gegenüberstellung je zweier <lb n="pbo_053.003"/> zeitlich begrenzter Glieder (<hi rendition="#g">Parallelismus</hi>). Jn dieser <lb n="pbo_053.004"/> Weise haben wir uns nun den Ansatz aller Metrik zu denken: <lb n="pbo_053.005"/> nicht also, daß von streng gleichmäßigen Einzelgliedern <lb n="pbo_053.006"/> (Schritten) der Vers <hi rendition="#g">aufgebaut</hi> wurde, sondern so, daß in <lb n="pbo_053.007"/> parallele Reihen die gleiche Gliederung immer mehr <hi rendition="#g">hinein-</hi> <lb n="pbo_053.008"/> gebaut ward. Daß nun auf diesem Wege der zur Begleitung <lb n="pbo_053.009"/> durch das Lied einladende Tanz mit seinem Gleichschritt den <lb n="pbo_053.010"/> Ausbau der Gliederung begünstigt haben wird, liegt zu Tage. <lb n="pbo_053.011"/> Man denke an die große Bedeutung der <hi rendition="#g">chorischen</hi> (Reigen-) <lb n="pbo_053.012"/> Poesie bei dem wie für alle Kunst, so auch für die Metrik <lb n="pbo_053.013"/> wichtigsten Volke, den Griechen.</p> <lb n="pbo_053.014"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 42. Metrik und Rhythmik.</hi> </head> <p><lb n="pbo_053.015"/> Wir sprechen nach griechischem Gebrauch noch von <hi rendition="#g">Metrik <lb n="pbo_053.016"/> (Meß</hi> kunst) als dem Prinzip der Verskunst, obwohl man im <lb n="pbo_053.017"/> Deutschen durch die gröbere Natur der Sprache gezwungen, <lb n="pbo_053.018"/> nur mehr im allgemeinen auf bloße dynamische Rhythmik <lb n="pbo_053.019"/> (Taktierung nach Stärke und Schwäche<note corresp="PBO_053_*" place="foot" n="*)"><lb n="pbo_053.024"/><hi rendition="#g">Nicht</hi> nach <hi rendition="#g">Höhe</hi> und <hi rendition="#g">Tiefe</hi> („Hochton und Tiefton“), was nichts <lb n="pbo_053.025"/> weniger als ein unterscheidendes Merkmal unserer Rhythmisirung bedeutet, da <lb n="pbo_053.026"/> es für den Rhythmus an sich nicht in Frage kommt. Nur auf Metrik oder <lb n="pbo_053.027"/> Dynamik kann sich selbständiger Rhythmus gründen. (Vgl. des Verf. Grundz. <lb n="pbo_053.028"/> d. Syst. der artikul. Phonetik. Anm. 40.)</note> eine Verskunst gründen <lb n="pbo_053.020"/> könnte. Wir können lediglich nach dem Wechsel der <hi rendition="#g">betonten</hi> <lb n="pbo_053.021"/> und <hi rendition="#g">unbetonten, stärker</hi> und <hi rendition="#g">schwächer</hi> betonten Wortsilben <lb n="pbo_053.022"/> die Gliederung der Takte, guten und schlechten Taktteil <lb n="pbo_053.023"/> (nach „Hebung und Senkung“ der Stimmkraft<note corresp="PBO_053_**" xml:id="pbo_fn_053_2a" n="**)" place="foot" next="#pbo_fn_053_2b"><lb n="pbo_053.029"/><hi rendition="#g">Hebung</hi> und <hi rendition="#g">Senkung</hi> in unserem Gebrauch, gegen den der <lb n="pbo_053.030"/> Griechen <hi rendition="#i">(</hi>ἄρσις und θέσις<hi rendition="#i">)</hi> gehalten, bezeichnet das Entgegengesetzte. Jm <lb n="pbo_053.031"/> Griechischen und Lateinischen dachte man sich die <hi rendition="#g">Messung</hi> durch Hebung <lb n="pbo_053.032"/> und Senkung des Fußes ausgedrückt. Der niedergesetzte Fuß bedeutete alsdann <lb n="pbo_053.033"/> den Ruhepunkt, die lange Silbe, der aufgehobene den flüchtigen Moment, <lb n="pbo_053.034"/> die kurze Silbe. Aber dynamisch, nach dem <hi rendition="#g">Kraftaufwand</hi> bemessen,</note> bestimmen. </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0057]
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sich das innere Streben nach der Gleichreihigkeit des Takts, pbo_053.002
wenigstens in dem ersten Ansatz zur Gegenüberstellung je zweier pbo_053.003
zeitlich begrenzter Glieder (Parallelismus). Jn dieser pbo_053.004
Weise haben wir uns nun den Ansatz aller Metrik zu denken: pbo_053.005
nicht also, daß von streng gleichmäßigen Einzelgliedern pbo_053.006
(Schritten) der Vers aufgebaut wurde, sondern so, daß in pbo_053.007
parallele Reihen die gleiche Gliederung immer mehr hinein- pbo_053.008
gebaut ward. Daß nun auf diesem Wege der zur Begleitung pbo_053.009
durch das Lied einladende Tanz mit seinem Gleichschritt den pbo_053.010
Ausbau der Gliederung begünstigt haben wird, liegt zu Tage. pbo_053.011
Man denke an die große Bedeutung der chorischen (Reigen-) pbo_053.012
Poesie bei dem wie für alle Kunst, so auch für die Metrik pbo_053.013
wichtigsten Volke, den Griechen.
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§ 42. Metrik und Rhythmik. pbo_053.015
Wir sprechen nach griechischem Gebrauch noch von Metrik pbo_053.016
(Meß kunst) als dem Prinzip der Verskunst, obwohl man im pbo_053.017
Deutschen durch die gröbere Natur der Sprache gezwungen, pbo_053.018
nur mehr im allgemeinen auf bloße dynamische Rhythmik pbo_053.019
(Taktierung nach Stärke und Schwäche *) eine Verskunst gründen pbo_053.020
könnte. Wir können lediglich nach dem Wechsel der betonten pbo_053.021
und unbetonten, stärker und schwächer betonten Wortsilben pbo_053.022
die Gliederung der Takte, guten und schlechten Taktteil pbo_053.023
(nach „Hebung und Senkung“ der Stimmkraft **) bestimmen.
*) pbo_053.024
Nicht nach Höhe und Tiefe („Hochton und Tiefton“), was nichts pbo_053.025
weniger als ein unterscheidendes Merkmal unserer Rhythmisirung bedeutet, da pbo_053.026
es für den Rhythmus an sich nicht in Frage kommt. Nur auf Metrik oder pbo_053.027
Dynamik kann sich selbständiger Rhythmus gründen. (Vgl. des Verf. Grundz. pbo_053.028
d. Syst. der artikul. Phonetik. Anm. 40.)
**) pbo_053.029
Hebung und Senkung in unserem Gebrauch, gegen den der pbo_053.030
Griechen (ἄρσις und θέσις) gehalten, bezeichnet das Entgegengesetzte. Jm pbo_053.031
Griechischen und Lateinischen dachte man sich die Messung durch Hebung pbo_053.032
und Senkung des Fußes ausgedrückt. Der niedergesetzte Fuß bedeutete alsdann pbo_053.033
den Ruhepunkt, die lange Silbe, der aufgehobene den flüchtigen Moment, pbo_053.034
die kurze Silbe. Aber dynamisch, nach dem Kraftaufwand bemessen,
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