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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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der kommen, und mir das Maaß von einer Monti-
rung nehmen. Alle andern Beythaten folgten in
Kurzem. Da stand ich nun gestiefelt und gespornt,
nagelfunkelneu vom Scheitel bis an die Sohlen:
Ein hübscher bordirter Hut, samtene Halsbinde, ein
grüner Frack, weiß tüche ne Weste und Hosen, neue
Stiefel, nebst zwey Paar Schuhen; alles so nett an-
gepaßt - - Sackerlot! Da bildet' ich mir kein kaltes
Kraut ein. Und mein Herr reitzte mich noch dazu,
nur ein wenig stolz zu thun: "Ollrich"! sagte er:
"Wenn du die Stadt auf und ab gehst, mußt du
"hübsch gravitätisch marschieren - - den Kopf recht in
"die Höhe, den Hut ein wenig aufs eine Ohr".
Mit eigner Hand gürtete er mir einen Ballast an
die Seite. Als ich so das erstemal über die Strasse
gieng, war's mir, als ob ganz Schaffhausen mein
wäre. Auch rückte alles den Hut vor mir. Die Leuth'
im Haus begegneten mir wie einem Herrn. Wir
hatten in unserm Gasthof hübsch meublirte Zimmer,
und ich selber ein ganz artiges. Ich sah aus meinem
Fenster alle Stunden des Tags das frohe Gewim-
mel der durchs Schiffthor aus- und eingehnden
Menschen, Pferdten, Wagen, Kutschen und Chai-
sen; und, was mir nicht wenig schmeichelte -- man
sah und bemerkte auch mich. Mein Herr, der mir
bald so gut war als ob ich sein eigener Sohn wäre,
lehrte mich frisiren; frisierte mich Anfangs selbst,
und flocht mir einen tüchtigen Haarzopf. Ich hatte
nichts zu thun, als ihn bey Tisch zu serviren, seine
Kleider auszuklopfen, mit ihm spatzieren zu fahren,

der kommen, und mir das Maaß von einer Monti-
rung nehmen. Alle andern Beythaten folgten in
Kurzem. Da ſtand ich nun geſtiefelt und geſpornt,
nagelfunkelneu vom Scheitel bis an die Sohlen:
Ein huͤbſcher bordirter Hut, ſamtene Halsbinde, ein
gruͤner Frack, weiß tuͤche ne Weſte und Hoſen, neue
Stiefel, nebſt zwey Paar Schuhen; alles ſo nett an-
gepaßt ‒ - Sackerlot! Da bildet’ ich mir kein kaltes
Kraut ein. Und mein Herr reitzte mich noch dazu,
nur ein wenig ſtolz zu thun: „Ollrich„! ſagte er:
„Wenn du die Stadt auf und ab gehſt, mußt du
„huͤbſch gravitaͤtiſch marſchieren ‒ - den Kopf recht in
„die Hoͤhe, den Hut ein wenig aufs eine Ohr„.
Mit eigner Hand guͤrtete er mir einen Ballaſt an
die Seite. Als ich ſo das erſtemal uͤber die Straſſe
gieng, war’s mir, als ob ganz Schaffhauſen mein
waͤre. Auch ruͤckte alles den Hut vor mir. Die Leuth’
im Haus begegneten mir wie einem Herrn. Wir
hatten in unſerm Gaſthof huͤbſch meublirte Zimmer,
und ich ſelber ein ganz artiges. Ich ſah aus meinem
Fenſter alle Stunden des Tags das frohe Gewim-
mel der durchs Schiffthor aus- und eingehnden
Menſchen, Pferdten, Wagen, Kutſchen und Chai-
ſen; und, was mir nicht wenig ſchmeichelte — man
ſah und bemerkte auch mich. Mein Herr, der mir
bald ſo gut war als ob ich ſein eigener Sohn waͤre,
lehrte mich friſiren; friſierte mich Anfangs ſelbſt,
und flocht mir einen tuͤchtigen Haarzopf. Ich hatte
nichts zu thun, als ihn bey Tiſch zu ſerviren, ſeine
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[93/0109] der kommen, und mir das Maaß von einer Monti- rung nehmen. Alle andern Beythaten folgten in Kurzem. Da ſtand ich nun geſtiefelt und geſpornt, nagelfunkelneu vom Scheitel bis an die Sohlen: Ein huͤbſcher bordirter Hut, ſamtene Halsbinde, ein gruͤner Frack, weiß tuͤche ne Weſte und Hoſen, neue Stiefel, nebſt zwey Paar Schuhen; alles ſo nett an- gepaßt ‒ - Sackerlot! Da bildet’ ich mir kein kaltes Kraut ein. Und mein Herr reitzte mich noch dazu, nur ein wenig ſtolz zu thun: „Ollrich„! ſagte er: „Wenn du die Stadt auf und ab gehſt, mußt du „huͤbſch gravitaͤtiſch marſchieren ‒ - den Kopf recht in „die Hoͤhe, den Hut ein wenig aufs eine Ohr„. Mit eigner Hand guͤrtete er mir einen Ballaſt an die Seite. Als ich ſo das erſtemal uͤber die Straſſe gieng, war’s mir, als ob ganz Schaffhauſen mein waͤre. Auch ruͤckte alles den Hut vor mir. Die Leuth’ im Haus begegneten mir wie einem Herrn. Wir hatten in unſerm Gaſthof huͤbſch meublirte Zimmer, und ich ſelber ein ganz artiges. Ich ſah aus meinem Fenſter alle Stunden des Tags das frohe Gewim- mel der durchs Schiffthor aus- und eingehnden Menſchen, Pferdten, Wagen, Kutſchen und Chai- ſen; und, was mir nicht wenig ſchmeichelte — man ſah und bemerkte auch mich. Mein Herr, der mir bald ſo gut war als ob ich ſein eigener Sohn waͤre, lehrte mich friſiren; friſierte mich Anfangs ſelbſt, und flocht mir einen tuͤchtigen Haarzopf. Ich hatte nichts zu thun, als ihn bey Tiſch zu ſerviren, ſeine Kleider auszuklopfen, mit ihm ſpatzieren zu fahren,

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/109>, abgerufen am 23.11.2024.