dacht' ich, was soll das? Ist ja nicht enmal ein Wirthshaus. Wie ich so staunte, kam ein Soldat, Christian Zittemann, und nahm mich mit sich auf seine Stube, wo sich schon zwey andre Martis- söhne befanden. Nun gieng's an ein Wundern und Ausfragen: Wer ich sey, woher ich komme, u. d. gl. Noch konnt' ich ihre Sprache nicht recht verstehen. Ich antwortete kurz: Ich komme aus der Schweitz, und sey Sr. Excellenz, des Herrn Lieutenant Mar- konis, Laquai: Die Sergeanten hätten mich hieher gewiesen; ich möchte aber lieber wissen, ob mein Herr schon in Berlin angekommen sey, und wo er wohne. Hier fiengen die Kerls ein Gelächter an, daß ich hätte wainen mögen; und keiner wollte das geringste von einer solchen Excellenz wissen. Mitt- lerweile trug man eine stockdicke Erbsekost auf. Ich aß mit wenigem Appetit davon. Wir waren kaum fertig, als ein alter hagerer Kerl ins Zimmer trat, dem ich doch bald ansah, daß er mehr als Gemei- ner seyn müsse. Es war ein Feldweibel. Er hatte eine Soldatenmontur auf dem Arm, die er über den Tisch ausspreitete, ein Sechsgroschenstück dazu legte, und sagte: "Das ist vor dich, mein Sohn! "Gleich werd' ich dir noch ein Commißbrodt brin- "gen". "Was? vor mich", versetzt ich: "Von "wem, wozu"? "Ey! Deine Montirung und "Traktament, Bursche! Was gilt's da Fragens? "Bist ja ein Recrute". "Wie, was? Rekrute"? erwiedert' ich: "Behüte Gott! da ist mir nie kein "Sinn daran kommen. Nein! in meinem Leben
dacht’ ich, was ſoll das? Iſt ja nicht enmal ein Wirthshaus. Wie ich ſo ſtaunte, kam ein Soldat, Chriſtian Zittemann, und nahm mich mit ſich auf ſeine Stube, wo ſich ſchon zwey andre Martis- ſoͤhne befanden. Nun gieng’s an ein Wundern und Ausfragen: Wer ich ſey, woher ich komme, u. d. gl. Noch konnt’ ich ihre Sprache nicht recht verſtehen. Ich antwortete kurz: Ich komme aus der Schweitz, und ſey Sr. Excellenz, des Herrn Lieutenant Mar- konis, Laquai: Die Sergeanten haͤtten mich hieher gewieſen; ich moͤchte aber lieber wiſſen, ob mein Herr ſchon in Berlin angekommen ſey, und wo er wohne. Hier fiengen die Kerls ein Gelaͤchter an, daß ich haͤtte wainen moͤgen; und keiner wollte das geringſte von einer ſolchen Excellenz wiſſen. Mitt- lerweile trug man eine ſtockdicke Erbſekoſt auf. Ich aß mit wenigem Appetit davon. Wir waren kaum fertig, als ein alter hagerer Kerl ins Zimmer trat, dem ich doch bald anſah, daß er mehr als Gemei- ner ſeyn muͤſſe. Es war ein Feldweibel. Er hatte eine Soldatenmontur auf dem Arm, die er uͤber den Tiſch ausſpreitete, ein Sechsgroſchenſtuͤck dazu legte, und ſagte: „Das iſt vor dich, mein Sohn! „Gleich werd’ ich dir noch ein Commißbrodt brin- „gen„. „Was? vor mich„, verſetzt ich: „Von „wem, wozu„? „Ey! Deine Montirung und „Traktament, Burſche! Was gilt’s da Fragens? „Biſt ja ein Recrute„. „Wie, was? Rekrute„? erwiedert’ ich: „Behuͤte Gott! da iſt mir nie kein „Sinn daran kommen. Nein! in meinem Leben
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dacht’ ich, was ſoll das? Iſt ja nicht enmal ein
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ſoͤhne befanden. Nun gieng’s an ein Wundern und
Ausfragen: Wer ich ſey, woher ich komme, u. d. gl.
Noch konnt’ ich ihre Sprache nicht recht verſtehen.
Ich antwortete kurz: Ich komme aus der Schweitz,
und ſey Sr. Excellenz, des Herrn Lieutenant Mar-
konis, Laquai: Die Sergeanten haͤtten mich hieher
gewieſen; ich moͤchte aber lieber wiſſen, ob mein
Herr ſchon in Berlin angekommen ſey, und wo er
wohne. Hier fiengen die Kerls ein Gelaͤchter an,
daß ich haͤtte wainen moͤgen; und keiner wollte das
geringſte von einer ſolchen Excellenz wiſſen. Mitt-
lerweile trug man eine ſtockdicke Erbſekoſt auf. Ich
aß mit wenigem Appetit davon. Wir waren kaum
fertig, als ein alter hagerer Kerl ins Zimmer trat,
dem ich doch bald anſah, daß er mehr als Gemei-
ner ſeyn muͤſſe. Es war ein Feldweibel. Er hatte
eine Soldatenmontur auf dem Arm, die er uͤber
den Tiſch ausſpreitete, ein Sechsgroſchenſtuͤck dazu
legte, und ſagte: „Das iſt vor dich, mein Sohn!
„Gleich werd’ ich dir noch ein Commißbrodt brin-
„gen„. „Was? vor mich„, verſetzt ich: „Von
„wem, wozu„? „Ey! Deine Montirung und
„Traktament, Burſche! Was gilt’s da Fragens?
„Biſt ja ein Recrute„. „Wie, was? Rekrute„?
erwiedert’ ich: „Behuͤte Gott! da iſt mir nie kein
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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/134>, abgerufen am 27.11.2024.
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