herlaufen sahen, zum drittenmal auf mich an, un- geachtet ich immer das Gewehr streckte, und ihnen mit dem Hut den gewohnten Wink gab. Doch brann- ten sie niemals los. Ich faßte also den Entschluß, gerad' auf sie zuzulaufen. Hätt' ich einen andern Weg genommen, würden sie, wie ich nachwerts er- fuhr, unfehlbar auf mich gefeuert haben. Ihr H * * *. dacht' ich, hättet ihr euer Courage bey Lowositz gezeigt! Als ich nun zu ihnen kam, und mich als Deserteur angab, nahmen sie mir das Gewehr ab, unterm Versprechen, mir's nachwerts schon wieder zuzustellen. Aber der, welcher sich dessen impatronirt hatte, ver- lor sich bald darauf, und nahm das Füsil mit sich. Nun so sey's! Alsdann führten sie mich ins nächste Dorf, Scheniseck (es mochte eine starke Stunde unter Lowositz seyn). Hier war eine Fahrt über das Wasser, aber ein einziger Kahn zum Trans- porte. Da gab's ein Zettermordiogeschrey von Män- nern, Weibern und Kindern. Jedes wollte zuerst in dem Teich seyn, aus Furcht vor den Preussen; denn alles glaubte sie schon auf der Haube zu ha- ben. Auch ich war keiner von den letzten, der mit- ten unter eine Schaar von Weibern hineinsprang. Wo nicht der Fährmann etliche derselben hinausge- worfen, hätten wir alle ersaufen müssen. Jenseits des Flusses stand eine Panduren-Hauptwache. Mei- ne Begleiter führten mich auf dieselbe zu, und diese rothen Schnurrbärte begegneten mir auf's manier- lichste; gaben mir, ungeachtet ich sie und sie mich kein Wort verstuhnden, noch Toback und Branntwein, und
herlaufen ſahen, zum drittenmal auf mich an, un- geachtet ich immer das Gewehr ſtreckte, und ihnen mit dem Hut den gewohnten Wink gab. Doch brann- ten ſie niemals los. Ich faßte alſo den Entſchluß, gerad’ auf ſie zuzulaufen. Haͤtt’ ich einen andern Weg genommen, wuͤrden ſie, wie ich nachwerts er- fuhr, unfehlbar auf mich gefeuert haben. Ihr H * * *. dacht’ ich, haͤttet ihr euer Courage bey Lowoſitz gezeigt! Als ich nun zu ihnen kam, und mich als Deſerteur angab, nahmen ſie mir das Gewehr ab, unterm Verſprechen, mir’s nachwerts ſchon wieder zuzuſtellen. Aber der, welcher ſich deſſen impatronirt hatte, ver- lor ſich bald darauf, und nahm das Fuͤſil mit ſich. Nun ſo ſey’s! Alsdann fuͤhrten ſie mich ins naͤchſte Dorf, Scheniseck (es mochte eine ſtarke Stunde unter Lowoſitz ſeyn). Hier war eine Fahrt uͤber das Waſſer, aber ein einziger Kahn zum Trans- porte. Da gab’s ein Zettermordiogeſchrey von Maͤn- nern, Weibern und Kindern. Jedes wollte zuerſt in dem Teich ſeyn, aus Furcht vor den Preuſſen; denn alles glaubte ſie ſchon auf der Haube zu ha- ben. Auch ich war keiner von den letzten, der mit- ten unter eine Schaar von Weibern hineinſprang. Wo nicht der Faͤhrmann etliche derſelben hinausge- worfen, haͤtten wir alle erſaufen muͤſſen. Jenſeits des Fluſſes ſtand eine Panduren-Hauptwache. Mei- ne Begleiter fuͤhrten mich auf dieſelbe zu, und dieſe rothen Schnurrbaͤrte begegneten mir auf’s manier- lichſte; gaben mir, ungeachtet ich ſie und ſie mich kein Wort verſtuhnden, noch Toback und Branntwein, und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0173"n="157"/>
herlaufen ſahen, zum drittenmal auf mich an, un-<lb/>
geachtet ich immer das Gewehr ſtreckte, und ihnen<lb/>
mit dem Hut den gewohnten Wink gab. Doch brann-<lb/>
ten ſie niemals los. Ich faßte alſo den Entſchluß,<lb/>
gerad’ auf ſie zuzulaufen. Haͤtt’ ich einen andern<lb/>
Weg genommen, wuͤrden ſie, wie ich nachwerts er-<lb/>
fuhr, unfehlbar auf mich gefeuert haben. Ihr H * * *.<lb/>
dacht’ ich, haͤttet ihr euer Courage bey <hirendition="#fr">Lowoſitz</hi><lb/>
gezeigt! Als ich nun zu ihnen kam, und mich als<lb/>
Deſerteur angab, nahmen ſie mir das Gewehr ab, unterm<lb/>
Verſprechen, mir’s nachwerts ſchon wieder zuzuſtellen.<lb/>
Aber der, welcher ſich deſſen impatronirt hatte, ver-<lb/>
lor ſich bald darauf, und nahm das Fuͤſil mit ſich.<lb/>
Nun ſo ſey’s! Alsdann fuͤhrten ſie mich ins naͤchſte<lb/>
Dorf, <hirendition="#fr">Scheniseck</hi> (es mochte eine ſtarke Stunde<lb/>
unter <hirendition="#fr">Lowoſitz</hi>ſeyn). Hier war eine Fahrt uͤber<lb/>
das Waſſer, aber ein einziger Kahn zum Trans-<lb/>
porte. Da gab’s ein Zettermordiogeſchrey von Maͤn-<lb/>
nern, Weibern und Kindern. Jedes wollte zuerſt<lb/>
in dem Teich ſeyn, aus Furcht vor den <hirendition="#fr">Preuſſen;</hi><lb/>
denn alles glaubte ſie ſchon auf der Haube zu ha-<lb/>
ben. Auch ich war keiner von den letzten, der mit-<lb/>
ten unter eine Schaar von Weibern hineinſprang.<lb/>
Wo nicht der Faͤhrmann etliche derſelben hinausge-<lb/>
worfen, haͤtten wir alle erſaufen muͤſſen. Jenſeits<lb/>
des Fluſſes ſtand eine Panduren-Hauptwache. Mei-<lb/>
ne Begleiter fuͤhrten mich auf dieſelbe zu, und dieſe<lb/>
rothen Schnurrbaͤrte begegneten mir auf’s manier-<lb/>
lichſte; gaben mir, ungeachtet ich ſie und ſie mich kein<lb/>
Wort verſtuhnden, noch Toback und Branntwein, und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[157/0173]
herlaufen ſahen, zum drittenmal auf mich an, un-
geachtet ich immer das Gewehr ſtreckte, und ihnen
mit dem Hut den gewohnten Wink gab. Doch brann-
ten ſie niemals los. Ich faßte alſo den Entſchluß,
gerad’ auf ſie zuzulaufen. Haͤtt’ ich einen andern
Weg genommen, wuͤrden ſie, wie ich nachwerts er-
fuhr, unfehlbar auf mich gefeuert haben. Ihr H * * *.
dacht’ ich, haͤttet ihr euer Courage bey Lowoſitz
gezeigt! Als ich nun zu ihnen kam, und mich als
Deſerteur angab, nahmen ſie mir das Gewehr ab, unterm
Verſprechen, mir’s nachwerts ſchon wieder zuzuſtellen.
Aber der, welcher ſich deſſen impatronirt hatte, ver-
lor ſich bald darauf, und nahm das Fuͤſil mit ſich.
Nun ſo ſey’s! Alsdann fuͤhrten ſie mich ins naͤchſte
Dorf, Scheniseck (es mochte eine ſtarke Stunde
unter Lowoſitz ſeyn). Hier war eine Fahrt uͤber
das Waſſer, aber ein einziger Kahn zum Trans-
porte. Da gab’s ein Zettermordiogeſchrey von Maͤn-
nern, Weibern und Kindern. Jedes wollte zuerſt
in dem Teich ſeyn, aus Furcht vor den Preuſſen;
denn alles glaubte ſie ſchon auf der Haube zu ha-
ben. Auch ich war keiner von den letzten, der mit-
ten unter eine Schaar von Weibern hineinſprang.
Wo nicht der Faͤhrmann etliche derſelben hinausge-
worfen, haͤtten wir alle erſaufen muͤſſen. Jenſeits
des Fluſſes ſtand eine Panduren-Hauptwache. Mei-
ne Begleiter fuͤhrten mich auf dieſelbe zu, und dieſe
rothen Schnurrbaͤrte begegneten mir auf’s manier-
lichſte; gaben mir, ungeachtet ich ſie und ſie mich kein
Wort verſtuhnden, noch Toback und Branntwein, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/173>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.