Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.Vorrede des Verfassers. mein Leben zu durchgehen. Nicht daß ichdenke, daß mein Schicksal für andre etwas seltenes und wunderbares enthalte, oder ich gar ein besondrer Liebling des Himmels sey. Doch wenn ich auch das glaubte -- wär's Sünde? Ich denke wieder Nein! Mir ist frey- lich meine Geschichte sonderbar genug; und vortreflich zufrieden bin ich, wie mich die ewig weise Vorsehung bis auf diese Stunde zu leiten für gut fand. Mit welcher Wonne kehr' ich besonders in die Tage meiner Jugend zurück, und betrachte jeden Schritt, den ich damals und seither in der Welt gethan. Freylich, wo ich stolperte -- bey meinen man- nigfachen Vergehungen -- o da schauert's mir -- und vielleicht nur allzugeschwind werd' ich über diese wegeilen. Doch, wem wurd's frommen, wenn ich alle meine Schulden her- zählen wollte -- da ich hoffe, mein barmher- ziger Vater und mein göttlicher Erlöser haben sie, meiner ernstlichen Reue wegen, huldreich durchgestrichen. O mein Herz brennt schon zum Voraus in inniger Anbetung, wenn ich mich gewisser Standpunkte erinnere, wo ich vormals die Hand von oben nicht sah, die ich nachwärts so deutlich erkannte und fühlte. Nun, Kinder! Freunde! Geliebte! Prüfet alles, und das Gute behaltet. Vorrede des Verfaſſers. mein Leben zu durchgehen. Nicht daß ichdenke, daß mein Schickſal fuͤr andre etwas ſeltenes und wunderbares enthalte, oder ich gar ein beſondrer Liebling des Himmels ſey. Doch wenn ich auch das glaubte — waͤr’s Suͤnde? Ich denke wieder Nein! Mir iſt frey- lich meine Geſchichte ſonderbar genug; und vortreflich zufrieden bin ich, wie mich die ewig weiſe Vorſehung bis auf dieſe Stunde zu leiten fuͤr gut fand. Mit welcher Wonne kehr’ ich beſonders in die Tage meiner Jugend zuruͤck, und betrachte jeden Schritt, den ich damals und ſeither in der Welt gethan. Freylich, wo ich ſtolperte — bey meinen man- nigfachen Vergehungen — o da ſchauert’s mir — und vielleicht nur allzugeſchwind werd’ ich uͤber dieſe wegeilen. Doch, wem wurd’s frommen, wenn ich alle meine Schulden her- zaͤhlen wollte — da ich hoffe, mein barmher- ziger Vater und mein goͤttlicher Erloͤſer haben ſie, meiner ernſtlichen Reue wegen, huldreich durchgeſtrichen. O mein Herz brennt ſchon zum Voraus in inniger Anbetung, wenn ich mich gewiſſer Standpunkte erinnere, wo ich vormals die Hand von oben nicht ſah, die ich nachwaͤrts ſo deutlich erkannte und fuͤhlte. Nun, Kinder! Freunde! Geliebte! Pruͤfet alles, und das Gute behaltet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0018" n="2"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Vorrede des Verfaſſers.</hi></fw><lb/> mein Leben zu durchgehen. Nicht daß ich<lb/> denke, daß mein Schickſal fuͤr andre etwas<lb/> ſeltenes und wunderbares enthalte, oder ich<lb/> gar ein beſondrer Liebling des Himmels ſey.<lb/> Doch wenn ich auch das glaubte — waͤr’s<lb/> Suͤnde? Ich denke wieder Nein! <hi rendition="#fr">Mir</hi> iſt frey-<lb/> lich meine Geſchichte ſonderbar genug; und<lb/> vortreflich zufrieden bin ich, wie mich die<lb/> ewig weiſe Vorſehung bis auf dieſe Stunde<lb/> zu leiten fuͤr gut fand. Mit welcher Wonne<lb/> kehr’ ich beſonders in die Tage meiner Jugend<lb/> zuruͤck, und betrachte jeden Schritt, den ich<lb/> damals und ſeither in der Welt gethan.<lb/> Freylich, wo ich ſtolperte — bey meinen man-<lb/> nigfachen Vergehungen — o da ſchauert’s<lb/> mir — und vielleicht nur allzugeſchwind werd’<lb/> ich uͤber dieſe wegeilen. Doch, wem wurd’s<lb/> frommen, wenn ich alle meine Schulden her-<lb/> zaͤhlen wollte — da ich hoffe, mein barmher-<lb/> ziger Vater und mein goͤttlicher Erloͤſer haben<lb/> ſie, meiner ernſtlichen Reue wegen, huldreich<lb/> durchgeſtrichen. O mein Herz brennt ſchon<lb/> zum Voraus in inniger Anbetung, wenn ich<lb/> mich gewiſſer Standpunkte erinnere, wo ich<lb/> vormals die Hand von oben nicht ſah, die<lb/> ich nachwaͤrts ſo deutlich erkannte und fuͤhlte.<lb/> Nun, Kinder! Freunde! Geliebte! Pruͤfet<lb/> alles, und das Gute behaltet.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [2/0018]
Vorrede des Verfaſſers.
mein Leben zu durchgehen. Nicht daß ich
denke, daß mein Schickſal fuͤr andre etwas
ſeltenes und wunderbares enthalte, oder ich
gar ein beſondrer Liebling des Himmels ſey.
Doch wenn ich auch das glaubte — waͤr’s
Suͤnde? Ich denke wieder Nein! Mir iſt frey-
lich meine Geſchichte ſonderbar genug; und
vortreflich zufrieden bin ich, wie mich die
ewig weiſe Vorſehung bis auf dieſe Stunde
zu leiten fuͤr gut fand. Mit welcher Wonne
kehr’ ich beſonders in die Tage meiner Jugend
zuruͤck, und betrachte jeden Schritt, den ich
damals und ſeither in der Welt gethan.
Freylich, wo ich ſtolperte — bey meinen man-
nigfachen Vergehungen — o da ſchauert’s
mir — und vielleicht nur allzugeſchwind werd’
ich uͤber dieſe wegeilen. Doch, wem wurd’s
frommen, wenn ich alle meine Schulden her-
zaͤhlen wollte — da ich hoffe, mein barmher-
ziger Vater und mein goͤttlicher Erloͤſer haben
ſie, meiner ernſtlichen Reue wegen, huldreich
durchgeſtrichen. O mein Herz brennt ſchon
zum Voraus in inniger Anbetung, wenn ich
mich gewiſſer Standpunkte erinnere, wo ich
vormals die Hand von oben nicht ſah, die
ich nachwaͤrts ſo deutlich erkannte und fuͤhlte.
Nun, Kinder! Freunde! Geliebte! Pruͤfet
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