Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.nachgedacht, und mir bisweilen einen andern Ur- Am H. Weihnachtstag ward ich getanft, in Watt- In meinen ersten Lebensjahren mag ich wohl ein nachgedacht, und mir bisweilen einen andern Ur- Am H. Weihnachtstag ward ich getanft, in Watt- In meinen erſten Lebensjahren mag ich wohl ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="6"/> nachgedacht, und mir bisweilen einen andern Ur-<lb/> ſprung gewuͤnſcht, wenn flammende Leidenſchaften in<lb/> meinem Buſen tobten, und ich den heftigſten Kampf<lb/> mit ihnen beſtehen mußte. Aber, ſobald Sturm und<lb/> Wetter vorbey war, dankt’ ich ihm doch wieder, daß<lb/> er mir ſein feuriges Temperament mitgetheilt hat,<lb/> womit ich unzaͤhlige ſchuldloſe Freuden lebhafter als<lb/> ſo viele andere Leuthe genieſſen kann. Genug, an dieſem<lb/> 22. Dez. kam ich ans Tageslicht. Mein Vater ſagte<lb/> mir oft: Er habe ſich gar nicht uͤber mich gefreut:<lb/> Ich ſey ein armes elendes Geſchoͤpf geweſen; nichts<lb/> als kleine Beinerchen, mit einem verſchrumpften<lb/> Haͤutgen uͤberzogen; Und doch haͤtt’ ich Tag und Nacht<lb/> ein graͤßliches Zettergeſchrey erhoben, das man bis<lb/> ins Holz hoͤren konnte, u. ſ. f. Er hat mich oft recht<lb/> boͤs damit gemacht. Dachte: Ha, ich werd’s auch<lb/> gemacht haben, wie andre neugeborne Kinder! Aber<lb/> die Muter gab ihm allemal Beyfall. Nun, es kann<lb/> ſeyn.</p><lb/> <p>Am H. Weihnachtstag ward ich getanft, in <hi rendition="#fr">Watt-<lb/> weil;</hi> und ich freute mich ſchon oft, daß es gerad<lb/> an dieſem Tage geſchah, da wir die Geburt unſers<lb/> Hochgelobten Erloͤſers feyern. Und wenn’s eine ein-<lb/> faͤltige Freude iſt, was macht’s — giebt’s doch ge-<lb/> wiß noch viel kindiſchre? <hi rendition="#fr">H. G. H.</hi> von <hi rendition="#fr">Kapel</hi> aus<lb/> der <hi rendition="#fr">Au,</hi> und <hi rendition="#fr">A. M. M.</hi> aus der <hi rendition="#fr">Schamatten,</hi> wa-<lb/> ren meine Taufpathen; Er ein feuriger reicher Jung-<lb/> geſell, Sie eine bemittelte huͤbſche Jungfer. Er<lb/> ſtarb ledig; ſie lebt noch im Wittwenſtand.</p><lb/> <p>In meinen erſten Lebensjahren mag ich wohl ein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0022]
nachgedacht, und mir bisweilen einen andern Ur-
ſprung gewuͤnſcht, wenn flammende Leidenſchaften in
meinem Buſen tobten, und ich den heftigſten Kampf
mit ihnen beſtehen mußte. Aber, ſobald Sturm und
Wetter vorbey war, dankt’ ich ihm doch wieder, daß
er mir ſein feuriges Temperament mitgetheilt hat,
womit ich unzaͤhlige ſchuldloſe Freuden lebhafter als
ſo viele andere Leuthe genieſſen kann. Genug, an dieſem
22. Dez. kam ich ans Tageslicht. Mein Vater ſagte
mir oft: Er habe ſich gar nicht uͤber mich gefreut:
Ich ſey ein armes elendes Geſchoͤpf geweſen; nichts
als kleine Beinerchen, mit einem verſchrumpften
Haͤutgen uͤberzogen; Und doch haͤtt’ ich Tag und Nacht
ein graͤßliches Zettergeſchrey erhoben, das man bis
ins Holz hoͤren konnte, u. ſ. f. Er hat mich oft recht
boͤs damit gemacht. Dachte: Ha, ich werd’s auch
gemacht haben, wie andre neugeborne Kinder! Aber
die Muter gab ihm allemal Beyfall. Nun, es kann
ſeyn.
Am H. Weihnachtstag ward ich getanft, in Watt-
weil; und ich freute mich ſchon oft, daß es gerad
an dieſem Tage geſchah, da wir die Geburt unſers
Hochgelobten Erloͤſers feyern. Und wenn’s eine ein-
faͤltige Freude iſt, was macht’s — giebt’s doch ge-
wiß noch viel kindiſchre? H. G. H. von Kapel aus
der Au, und A. M. M. aus der Schamatten, wa-
ren meine Taufpathen; Er ein feuriger reicher Jung-
geſell, Sie eine bemittelte huͤbſche Jungfer. Er
ſtarb ledig; ſie lebt noch im Wittwenſtand.
In meinen erſten Lebensjahren mag ich wohl ein
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