ne Augen noch einen Stich sehen können. Aus allen diesen Gründen will ich so kurz seyn wie möglich; und bemerke zu allererst: Daß sich in jenem Zeitraum meine Umstände überhaupt von Jahr zu Jahr gebessert haben, und ich, wenn ich schon damals Waaren und Schulden zu Geld gemacht -- alle meine Gläubiger vollkommen hätte befriedigen können, und mir meine kleine Residenz, Haus und Garten, ganz frey, ledig und eigen geblieben wäre. Nur im Sommer des letzten der genannten Jahre (1785.) erlitt' ich frey- lich mit so vielen andern grössern und kleinern Leu- then einen ziemlich harten Stoß. Nach dem bekann- ten Königlich Französischen Edikt nämlich gab es einen so plötzlich und starken Abschlag der Waare, daß ich bey meinem kleinen und einfältigen Händelchen gewiß über 200 fl. einbüssen mußte. Und seither ist kein Anschein vorhanden, daß der Baumwollentücher-Ver- kehr in unserm Land jemals wieder zu seinem ehevo- rigen Flor gelangen werde. Einige Grosse mögen wol noch ihren schönen Schnitt machen; aber so ein armer Zumpel, wie unser einer, dem alle Waaren abgedruckt werden, gewiß nicht. Indessen gieng's auch mir immer noch ziemlich passabel; und so, daß wenn ich mich, selbst damals noch, zur Kargheit, selbst nur zu einer ängstlichen Sparsamkeit hätte bekehren wollen, ich vielleicht auf den heutigen Tag ein so ge- nannter bemittelter Mann heissen und seyn könnte. Aber dieser Talent (mit dem ich wahrscheinlich auch nicht in jene Schuldenlast gerathen wäre, unter welcher ich zehn bis zwölf Jahre so bitter seufzen mußte, und
ne Augen noch einen Stich ſehen koͤnnen. Aus allen dieſen Gruͤnden will ich ſo kurz ſeyn wie moͤglich; und bemerke zu allererſt: Daß ſich in jenem Zeitraum meine Umſtaͤnde uͤberhaupt von Jahr zu Jahr gebeſſert haben, und ich, wenn ich ſchon damals Waaren und Schulden zu Geld gemacht — alle meine Glaͤubiger vollkommen haͤtte befriedigen koͤnnen, und mir meine kleine Reſidenz, Haus und Garten, ganz frey, ledig und eigen geblieben waͤre. Nur im Sommer des letzten der genannten Jahre (1785.) erlitt’ ich frey- lich mit ſo vielen andern groͤſſern und kleinern Leu- then einen ziemlich harten Stoß. Nach dem bekann- ten Koͤniglich Franzoͤſiſchen Edikt naͤmlich gab es einen ſo ploͤtzlich und ſtarken Abſchlag der Waare, daß ich bey meinem kleinen und einfaͤltigen Haͤndelchen gewiß uͤber 200 fl. einbuͤſſen mußte. Und ſeither iſt kein Anſchein vorhanden, daß der Baumwollentuͤcher-Ver- kehr in unſerm Land jemals wieder zu ſeinem ehevo- rigen Flor gelangen werde. Einige Groſſe moͤgen wol noch ihren ſchoͤnen Schnitt machen; aber ſo ein armer Zumpel, wie unſer einer, dem alle Waaren abgedruckt werden, gewiß nicht. Indeſſen gieng’s auch mir immer noch ziemlich paſſabel; und ſo, daß wenn ich mich, ſelbſt damals noch, zur Kargheit, ſelbſt nur zu einer aͤngſtlichen Sparſamkeit haͤtte bekehren wollen, ich vielleicht auf den heutigen Tag ein ſo ge- nannter bemittelter Mann heiſſen und ſeyn koͤnnte. Aber dieſer Talent (mit dem ich wahrſcheinlich auch nicht in jene Schuldenlaſt gerathen waͤre, unter welcher ich zehn bis zwoͤlf Jahre ſo bitter ſeufzen mußte, und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0246"n="230"/>
ne Augen noch einen Stich ſehen koͤnnen. Aus allen<lb/>
dieſen Gruͤnden will ich ſo kurz ſeyn wie moͤglich;<lb/>
und bemerke zu allererſt: Daß ſich in jenem Zeitraum<lb/>
meine Umſtaͤnde uͤberhaupt von Jahr zu Jahr gebeſſert<lb/>
haben, und ich, wenn ich ſchon damals Waaren und<lb/>
Schulden zu Geld gemacht — alle meine Glaͤubiger<lb/>
vollkommen haͤtte befriedigen koͤnnen, und mir meine<lb/>
kleine Reſidenz, Haus und Garten, ganz frey, ledig<lb/>
und eigen geblieben waͤre. Nur im Sommer des<lb/>
letzten der genannten Jahre (1785.) erlitt’ ich frey-<lb/>
lich mit ſo vielen andern groͤſſern und kleinern Leu-<lb/>
then einen ziemlich harten Stoß. Nach dem bekann-<lb/>
ten Koͤniglich Franzoͤſiſchen Edikt naͤmlich gab es einen<lb/>ſo ploͤtzlich und ſtarken Abſchlag der Waare, daß ich<lb/>
bey meinem kleinen und einfaͤltigen Haͤndelchen gewiß<lb/>
uͤber 200 fl. einbuͤſſen mußte. Und ſeither iſt kein<lb/>
Anſchein vorhanden, daß der Baumwollentuͤcher-Ver-<lb/>
kehr in unſerm Land jemals wieder zu ſeinem ehevo-<lb/>
rigen Flor gelangen werde. Einige Groſſe moͤgen<lb/>
wol noch ihren ſchoͤnen Schnitt machen; aber ſo ein<lb/>
armer Zumpel, wie unſer einer, dem alle Waaren<lb/>
abgedruckt werden, gewiß nicht. Indeſſen gieng’s<lb/>
auch mir immer noch ziemlich paſſabel; und ſo, daß<lb/>
wenn ich mich, ſelbſt damals noch, zur Kargheit, ſelbſt<lb/>
nur zu einer aͤngſtlichen Sparſamkeit haͤtte bekehren<lb/>
wollen, ich vielleicht auf den heutigen Tag ein ſo ge-<lb/>
nannter bemittelter Mann heiſſen und ſeyn koͤnnte. Aber<lb/>
dieſer Talent (mit dem ich wahrſcheinlich auch nicht<lb/>
in jene Schuldenlaſt gerathen waͤre, unter welcher ich<lb/>
zehn bis zwoͤlf Jahre ſo bitter ſeufzen mußte, und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[230/0246]
ne Augen noch einen Stich ſehen koͤnnen. Aus allen
dieſen Gruͤnden will ich ſo kurz ſeyn wie moͤglich;
und bemerke zu allererſt: Daß ſich in jenem Zeitraum
meine Umſtaͤnde uͤberhaupt von Jahr zu Jahr gebeſſert
haben, und ich, wenn ich ſchon damals Waaren und
Schulden zu Geld gemacht — alle meine Glaͤubiger
vollkommen haͤtte befriedigen koͤnnen, und mir meine
kleine Reſidenz, Haus und Garten, ganz frey, ledig
und eigen geblieben waͤre. Nur im Sommer des
letzten der genannten Jahre (1785.) erlitt’ ich frey-
lich mit ſo vielen andern groͤſſern und kleinern Leu-
then einen ziemlich harten Stoß. Nach dem bekann-
ten Koͤniglich Franzoͤſiſchen Edikt naͤmlich gab es einen
ſo ploͤtzlich und ſtarken Abſchlag der Waare, daß ich
bey meinem kleinen und einfaͤltigen Haͤndelchen gewiß
uͤber 200 fl. einbuͤſſen mußte. Und ſeither iſt kein
Anſchein vorhanden, daß der Baumwollentuͤcher-Ver-
kehr in unſerm Land jemals wieder zu ſeinem ehevo-
rigen Flor gelangen werde. Einige Groſſe moͤgen
wol noch ihren ſchoͤnen Schnitt machen; aber ſo ein
armer Zumpel, wie unſer einer, dem alle Waaren
abgedruckt werden, gewiß nicht. Indeſſen gieng’s
auch mir immer noch ziemlich paſſabel; und ſo, daß
wenn ich mich, ſelbſt damals noch, zur Kargheit, ſelbſt
nur zu einer aͤngſtlichen Sparſamkeit haͤtte bekehren
wollen, ich vielleicht auf den heutigen Tag ein ſo ge-
nannter bemittelter Mann heiſſen und ſeyn koͤnnte. Aber
dieſer Talent (mit dem ich wahrſcheinlich auch nicht
in jene Schuldenlaſt gerathen waͤre, unter welcher ich
zehn bis zwoͤlf Jahre ſo bitter ſeufzen mußte, und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/246>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.